vonChristian Ihle & Horst Motor 08.02.2008

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Shine A Light

1. Der Film in einem Satz
Die Popmaschine „Rolling Stones“ läuft wie geölt und langweilt dabei irrsinnig.

2. Darum geht’s
Scorsese baut Kameras auf, die Rolling Stones spielen zwei Konzerte. Nach zehn wirklich gelungenen Minuten, die den menschgewordenen Adrenalinball Scorsese bei dessen Planungen zeigen, folgen zwei an Belanglosigkeit kaum zu überbietende Stunden. Das Konzert ist vorbei und eine brillante Kamerafahrt beschließt das zweistündige fan-wankfest „Shine A Light“.
Jedem, der die Rolling Stones im Jahr 2008 nicht für erderschütternd wichtig hält, sei angeraten, den Film nach zehn Minuten zu verlassen, im Kinofoyer „Aftermath“ und „Beggars Banquet“ auf dem iPod zu hören und den Saal erst wieder in den letzten zwei Minuten zu betreten. So erspart man sich neben vielen unerträglichen Szenen insbesondere den Auftritt eines nun ja sowieso schon dem Gockelhaftem zugetanen Mick Jagger, der spätestens beim Besuch von Christina Aguilera in absurden Begattungsoverdrive schaltet. Man möchte keine junge Frau sein, die aus Versehen neben Jagger an einer Hotelbar sitzt.

3. Der beste Moment
Bis die „Stones“ anfangen zu spielen, ist der Film ganz erträglich: Scorsese scherzt, Jagger scherzt, alle proben

4. Diese Menschen mögen diesen Film

Salonrevoluzzer, die zu verfettet sind, um sich noch in den Salon zu bewegen und es vorziehen sich dreist an ihre Jugend zu erinnern, während sie der bourgeoisen Rockmaschine im Fernsehsessel zusehen sowie ganz offenbar alternde Filmjournalisten bei der FAZ

5. Die Fakten
* USA
* Regie: Martin Scorsese
* imdb

(Daniel Erk, Christian Ihle)

Regarde-Moi (Ain’t Scared)

1. Der Film in einem Satz

Robert Altman in den Pariser Banlieues

2. Darum geht’s

Ein Tag im Leben des Pariser Prekariats unter 18. Hoffnungen, Tränen, Liebe, Hormone, Sex und letztenendes natürlich: Gewalt.

3. Der beste Moment

Gerade eben nicht ein bester Moment, sondern das Prinzip der kunstvoll verflochtenen Geschichten aus dem Leben von zehn, fünfzehn Jugendlichen, deren Wege sich zwangsläufig auf engstem Wohnraum immer wieder kreuzen. Zudem ist die zentrale Geschichte aus zwei Perspektiven erzählt, die die männliche wie die weibliche Sicht spiegeln. Bis zum abrupten und leider auch nicht ganz gelungenen Ende ist Regarde Moi fesselnd, sehr gut inszeniert und mit einer durchweg guten Besetzung gesegnet, aus der Emilie de Preissac als Julie herausragt.
Empfehlenswert.

4. Diese Menschen mögen diesen Film

Freunde komplexer Filmstrukturen und Ensemblefilme, die hervorragende Schauspielleistungen und clevere Inszenierung auch unbekannter Darsteller zu schätzen wissen. Da der Film (fast schon zu sehr) die Darstellung von Gewalt, Drogen und Sex meidet, ist er leichter verträglich, als es das Thema ahnen ließe.

* Frankreich
* Regie: Audrey Estrougo
* imdb

(Christian Ihle)

Mermaid

1. Der Film in einem Satz

Die russische Welt der Amelie, mindestens ebenso skurill, aber dafür mit mehr lakonischem Witz und viel düsterer

2. Darum geht’s

Die blonde Alisa ist schon ein merkwürdiges Kind. Sie spricht nicht, kann dafür aber Gegenstände per Gedankenkraft bewegen und Wünsche erfüllen. Als 18jährige verwüstet sie dank eines herbeigewunschenen Hurricanes ihr Heimatstädtchen und darf nun endlich nach Moskau ziehen. Dort hat der Kapitalismus um sich gegriffen und das unbedarfte Mädchen wandelt wie ein Engel durch die Stadt. Nur logisch, dass sie dabei ein Leben rettet und ihr Herz verliert.

3. Der beste Moment

Viele kleine skurrile Ideen machen den Film, der über seine ganze Spielzeit hinweg nach einer erzählenswerten Geschichte sucht, letztenendes sehenswert. Der tatsächlich beste Moment ist aber der völlig unerwartete Schluss. Amelie, it is not.

4. Diese Menschen mögen diesen Film

Amelie-DVD-Besitzer, deren Weinkeller mit Wodkaflaschen gefüllt ist und die immer einen Strick im Haus haben, falls sie sich doch noch einmal dazu entschließen, sich zu erhängen.

* Russland
* Regie: Anna Melikyan
* imdb

(Christian Ihle)

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