vonChristian Ihle & Horst Motor 09.02.2008

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Berlin, 1. Mai

1. Der Film in einem Satz

Short Cuts am Arbeiterfeiertag in Berlin. Oder besser: der Versuch davon.

2. Darum geht’s

Drei Geschichten, die am Tag des 1. Mai in Berlin spielen: ein türkischer Junge, ein deutscher Polizist und zwei Riot-Touristen aus Minden erleben Berlin von seiner herzlichsten Seite.
Leider ist nur eine der drei Geschichten wirklich gelungen (das Segment „Uwe“), die der beiden jugendlichen Riot-Touristen dagegen sogar schon ärgerlich. Zwei Unsympathen, deren unterdrückte Homosexualität mit dicken, dicken Pinselstrichen angedeutet wird und deren Ausflug letzten Endes auch noch in einem völlig überflüssigen „Ken Park“ – Ende ihre Auflösung findet. Ärgerlich.
Die Verflechtung der drei Einzelgeschichten ist zudem holprig. Der französische Film „Regarde-Moi“ zeigt auf der Berlinale wie man es besser macht.

3. Der beste Moment

Im Grunde alle mit dem Polizisten Uwe, der einzigen Figur, die nicht wie ein Abziehbild durch Berlin schlafwandelt, sondern dem Film ein Herz schenkt.

4. Diese Menschen moegen diesen Film

Leute vom Land, die sich denken: „Berlin? Geil!“

* Deutschland
* Regie: Glaser + Ludwig, Sven Taddicken, Jakob Ziemnicki
* imdb

Black Ice

1. Der Film in einem Satz

Claude Chabrol auf dem Eisplaneten

2. Darum geht’s

Eine Ehefrau entdeckt, dass ihr Mann eine Affäre mit einer Studentin hat. Sie gibt sich eine neue Identität und freundet sich gezielt mit der jungen Frau an.
Viele Plottwists, Schwangerschaften und Rachegelüste später werden nicht mehr alle am Leben sein.
Ähnlich wie Chabrol seziert Kotwica die bourgeoise Verkrampfung und zeigt, wie jeder nur eine Maske trägt um dem Gegenüber Theater vorzuspielen. Nach der sehr guten ersten Hälfte lässt der Finne aber jede Subtilität vermissen: muss in einem Film, in dem jede Figur metaphorisch eine „Maske“ trägt, tatsächlich alles an einem Faschingsball kulminieren?

3. Der beste Moment

Wenn sich die Ehefrau langsam das Vertrauen der jungen Studentin erschleicht und man nie weiß, ob sie nur rachelüstern einen Plan verfolgt oder ernsthaft beginnt, ihr Leben zu überdenken.

4. Diese Menschen moegen diesen Film

Menschen, die die Macht des Schicksals einem plausiblen Drehbuch vorziehen. Und Ihren Aszendenten kennen.

* Finnland
* Regie: Petri Kotwica
* imdb

Transsiberian

1. Der Film in einem Satz

Auf de‘ siebirische Eisebahne, gibt’s gar viele Haltstatione – und von Wladiwostok bis Moskau vor allem viel Schnee.

2. Darum geht’s

Ein amerikanisches Pärchen lernt einen spanischen Lebenskünstler kernen und bekommt von ihm Drogen untergeschoben. Versuchte Vergewaltigung, Mord, Russenmafia, korrupte Bullen und viel Schnee folgen.
Brad Anderson baut den Film langsam, sehr langsam auf, so dass der Zuschauer sich gerne in das filmische Schneegestöber hineinziehen lässt. Schade jedoch dass er im letzten Drittel sich für einen konventionelleren Actionthriller entscheidet und damit in seinen eigenen Schnee pisst.

3. Der beste Moment

Wenn sich erstmals andeutet, dass die Vorbildehefrau eine bad girl Vergangenheit vom allerfeinsten hat. Schade, dass diese Seite ihrer Persönlichkeit nicht stärker ausgeleuchtet wird.

4. Diese Menschen mögen diesen Film:

Menschen, die lieber mit dem Zug als mit dem Auto reisen, weil es „einfach entspannter“ ist.

* Spanien/USA
* Regie: Brad Anderson
* imdb

(alle Texte: Christian Ihle)

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