vonChristian Ihle & Horst Motor 13.02.2008

taz Blogs


Willkommen auf der Blogplattform der taz-Community!

Mehr über diesen Blog


Bananaz

1. Der Film in einem Satz
Der alte Affe Albarn

2. Darum geht’s
Damon Albarn (Blur, The Good The Bad & The Queen) hat zu viel Zeit und zu viele Ideen und gründet daher 2000 die Cartoonband Gorillaz, der man in „Bananaz“ beim Werden zusehen darf. Albarn und Hewlett sieht man im Film viel rumhängen, viel Quatsch erzählen und einfach mal ausprobieren. Ganz nebenbei werden die Gorillaz zu einer Band, die je Album über 5 Mio. Exemplare verkauft. Irgendwann tritt dann Ibrahim Ferrer ins Bild, werden Dennis Hopper, DJ Danger Mouse, Streicher und ein Kinderchor angeheuert. Gorillaz wirken wie ein großer Spaß, bei dem man zuschauen darf.
Im Gegensatz zu dem sterbenslangweiligen Rolling Stones Konzertfilm und der doch sehr prätentiösen Patti Smith Doku gelingt Levy ein luftiges Portrait der „Band“, das durchgehend amüsiert wie unterhält. Damon Albarn erweist sich überraschenderweise weder als größenwahnsinniger Irrer noch als grummeliger Brite, sondern wirkt wie ein englischer Lad und Backstage-Proll, der einfach das Musikmachen liebt.

3. Der beste Moment
Die New Yorker Inquisition: die Leiterin des christlichen Kinderchors stellt Albarn backstage zur Rede um mit ihm über seine Lyrics, Waffenreferenzen und den bösen Albumtitel Demon Days zu sprechen. Albarn schwimmt, rudert wild umher und kann gerade so noch vermeiden, die lieben kleinen Harlem-Kinder als „black kids“ zu bezeichnen.
Auch schön: Damon Albarn, sonst eher als Zicke bekannt, hat ein paar brilliante Auftritte, etwa wenn er den Vergleich mit Pink Floyd von sich weist: „No offense, but we have tunes“

4. Diese Menschen mögen diesen Film
* Freunde kurzweiliger Musikdokumentationen, die sich nicht von Bono die Welt retten lassen möchten.
* Alle, die „Shine A Light“ langweilig fanden (also alle)
* Gorillaz-Fans
* Viele, die nur „Clint Eastwood“ und „Feel Good Inc“ kennen
* Menschen, die MTV in den 90ern mochten (Prä-Klingelton-Ära)

(Daniel Erk & Christian Ihle)

* UK
* Regie: Ceri Levy
* imdb
* Homepage

Standard Operating Procedure

1. Der Film in einem Satz
CSI: Abu Ghraib

2. Darum geht’s
Eine Aufarbeitung der Quäl- und Folterereignisse aus dem irakischen Gefängnis Abu Ghraib mittels Originalaufnahmen und Interviews. Fünf Jahre sind seit den Ereignissen aus Abu Ghraib bereits vergangen und manche der Angeklagten haben bereits ihre Haft abgesessen. Erol Morris‘ Dokumentation profitiert vor allem auch dadurch: fünf der sieben Verurteilten sprechen vor der Kamera über ihre damaligen Taten (die beiden „Haupttäter“ sind noch in Haft), was in Teilen aufschlussreich bis erschreckend ist. Der größte Trumpf, – will man das so zynisch nennen – sind aber schlicht und einfach die Bilder aus Abu Ghraib, die eine Verwahrlosung des Menschen zeigen wie man sie bisher nur aus Pasolinis „120 Tage von Sodom“ als Fiktion kannte.
Die Begründungen der Handelnden klingen wenig anders als die Bekenntnisse aus der Nazizeit: es war Befehl, alle haben es gemacht, andere waren auch noch schlimmer, eigentlich fand man das auch nicht richtig und so weiter und so fort…
Das Thema ist ohne Frage interessant – sowohl auf der Ebene der reinen Aufarbeitung der damaligen Taten als auch auf einer abstrakteren, die fragt, zu was der Mensch fähig ist und was derartiges Verhalten in ihm auflöst. Während die erste Ebene von Morris recht umfassend abgehandelt wird, findet er zur zweiten kaum Worte. Zudem ärgert die spekulative Umsetzung, die mit extremen Close-Ups, Computeranimationen, nachgestellten Szenen arbeitet und manchmal entweder an eine CSI-Folge oder eine der unsäglichen true-crime-Reports des Privatfernsehens erinnert.
Standard Operating Procedure ist ein wichtiger Film. Aber ist es auch ein guter? Eher Nicht.

3. Der interessanteste Moment
Als die auf den meisten Fotos zu sehende Lynndie England gefragt wird, was sie anders machen würde, könnte sie die Zeit zurückdrehen. England antwortet lediglich, dass sie im Irak schwanger wurde und für nichts in der Welt die Ereignisse ungeschehen machen möchte, denn das bedeutet, dass sie auch ihr Kind nicht mehr hätte.

4. Diese Menschen mögen diesen Film
Antiamerikaner mit gutem Magen, die aufrechte Empörung einem guten Film vorziehen.

(Christian Ihle)

* USA
* Regie: Errol Morris
* imdb

Sparrow

1. Der Film in einem Satz
Der Taschendiebstahl als Kunstform

2. Darum geht’s
Vier Brüder sind ein perfekt aufeinander eingestelltes Taschendiebteam, das seine Diebstähle mit tänzerischer Leichtigkeit inszeniert. Eines Tages tritt eine hübsche, verruchte Frau in ihr Leben und dieses eine Mal setzen sie ihre Kunst ein, um einen Menschen zu retten.
Johnny To inszeniert den Brieftaschenraub im Stile der Rififi-Filme: elegant, raffiniert, bewunderswert. Für die ersten Auftritte der verruchten Dame bedient er sich im besten Sinne aus der ganz großen Klischeekiste des alten Hollywoods. Wie seine Hauptpersonen zauberergleich ihre Diebstähle vollführen, spielt To die Taschenspielertricks eines Regisseurs aus und genießt merklich die kunstvolle Inszenierung, die in ihrem fast surrealen Klauklimax sich beinahe zu einem Regenschirmballett entwickelt.

3. Der beste Moment
Die junge Dame verführt die vier Brüder jeweils mit einem anderen Klischee und gewinnt jedesmal deren Herz.

4. Diese Menschen mögen diesen Film
Wer Plausibilität nicht unbedingt vermisst und einem Regisseur gerne beim spielen zusieht.

(Christian Ihle)

* China
* Regie: Johnny To
* imdb

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/berlinale-6-bananaz-standard-operating-procedure-sparrow/

aktuell auf taz.de

kommentare