vonChristian Ihle & Horst Motor 12.02.2007

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Koreanische Schulmädchen, ein kanadischer Nervenzusammenbruch und deutsche Jagdhunde. Es war ein guter Tag.

Das schönste an Filmfestivals ist die Bandbreite an Ländern und Genres, die sich dort präsentieren. Standesgemäß beginnen wir die Berlinale mit drei Kontinenten und noch mehr Genres. Für die Vielzahl der Genres ist allein „Dasepo Naughty Girls“ verantwortlich, das von Musical, Teenagerromanze bis hin zu Fantasy wie Drama so ziemlich alles in den Topf wirft, was gerade zur Hand war. Die erste halbe Stunde ist dabei fantastisch gelungen: mehr Pop wird auf dieser Berlinale kein Film sein. Schrill, grell, überaus amüsant und keinerlei Grenzen kennend wirft sich Je-Yong Lees Film in diese abstruse Geschichte, deren Nacherzählen keinen Sinn macht und nur verschrecken würde (dennoch Interessierte bitte hier entlang).
Leider wird das aberwitzige Tempo des Beginns nicht ganz gehalten und es stellen sich gegen Ende Längen ein, doch alles in allem wird man sich schwer tun, eine absurdere Filmerfahrung bei diesem Festival zu machen.

Das Gegenteil der koreanischen Popklamotte ist der deutsche „Jagdhunde“, in dem kaum jemand spricht und niemand etwas sagt. Dysfunktionale Familien in der schneeweißen Einöde der Uckermark auf der verzweifelten Suche nach Halt und Geborgenheit – man mag bei dieser Prämisse kaum glauben, dass „Jagdhunde“ bei aller inhärenten Tragik so witzig und scharfzüngig ist. Josef Hader spielt wie schon in den Brenner-Filmen einen wortkargen Sarkast, der hier nur noch trauriger wirkt und in einer unglücklichen Beziehung mit der Schwester seiner Frau steckt, während sein Sohn überraschend Weihnachten bei ihm verbringt. Absurditätshöhen erklimmt Ann-Kristin Reyels’ „Jagdhunde“ beim abendlichen Weihnachtsessen mit Hader, der Lover-Schwägerin, der überraschend zu Besuch gekommenen Ex-Frau, deren jungen Liebhaber und dem ebenfalls ungewollt anwesenden misanthropischen Büdchenbesitzer (Exfrau: „Wo ist denn Ihre Frau?“ – Büdchenbesitzer: „Im Allgäu.“ – Exfrau: „Ah, Skifahren?“ – Büdchenbesitzer: „Ja, seit 15 Jahren.“) – als Gegenpol agiert die taubstumme Marie (herausragend gespielt von der jungen Luise Berndt), die mit ihrer Herzenswärme und Grundgüte Sohn Lars’ mehr zu sagen hat als alle unablässig redenden Erwachsenen um ihn herum. Zwar mag die Balance zwischen Komik und Tragik nicht immer ganz geglückt sein, doch gelingen Reyels einige wunderschöne Bilder und ein insgesamt mehr als unterhaltsamer Film, der immer wieder überraschendes aus seiner eher tristen Prämisse herausholt.

Nach der erstaunlichen Erfahrung mit „Dasepo Naughty Girls“ und dem angenehm guten „Jagdhunde“ war jedoch die kanadische Independent-Produktion The Tracey Fragmentsder Höhepunkt des ersten Tages. Die junge Ellen Page liefert eine fantastische Tour de Force als 15jähriges Mädchen am Rande eines oder besser: mitten in einem Nervenzusammenbruch. Regisseur Bruce McDonald versucht, die innere Verwirrung der 15jährigen Tracey Berkowitz durch den unablässigen Einsatz des Splitscreen-Verfahrens, dessen visuelle Gestlatung von Mondrian inspiriert wurde, zu spiegeln und verweigert sich zudem noch einer chronologischen Erzählweise, die darüber hinaus auch noch von zusätzlichen Traumsequenzen gebrochen wird. Das mag man anfangs anstrengend finden, doch gelingt McDonald – auch dank der fantastischen Ellen Page – vollends mit filmischen Mitteln den inneren Zustand seiner Heldin zu spiegeln. Ein hervorragender, zutiefst verstörender Film, der sein Sujet nie verrät.

Christian Ihle

Weitere Berlinale-Berichte:

* Berlinale (2): Dirty Harry, de Niro und der Mann mit den zwei Gesichtsausdrücken

* Berlinale (3): Subtilität vs. dreihundert Spartaner 0:2, Cate Blanchett vs. Judi Dench 3:3

* Berlinale (4): Skurriles aus Südkorea, Ironisches aus Frankreich und abgebissene Penisse in den USA

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