vonDetlef Kuhlbrodt 07.02.2009

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Berlinale. Eigentlich ist die Tasche doch sehr gut. Zum Glück bekam ich noch eine. Wie groß wäre doch die Enttäuschung gewesen, hätte ich keine mehr bekommen! Toll, wieviel da rein passt. Die ganzen Kataloge und die lila Berlinaletasche von 2007, die ich mitgenommen hatte, für den Fall, dass die neuen roten Taschen schon alle gewesen wären. Wenn man aber gerade nicht so viele Sachen dabei hat, ist die lila Tasche von 2007 doch besser.

Aus verschiedenen Gründen war ich sehr angespannt. In der Anspannung erinnerte ich mich an Traumfetzen, die mit der Berlinale zu tun hatten und von denen ich nicht wusste, wann ich sie geträumt hatte und was konkret in diesen Träumen los gewesen war, nur so athmosphäremäßig. Wie Wellen schwappten die Andeutungen der Traumreste kurz in’s Bewusstsein und zogen sich dann wieder zurück. Das alles werde ich Anfang des Jahres, vielleicht auch viel früher, geträumt haben.

Dann saß ich am Schreibtisch und machte mir Pläne. Dann schloss ich mein Fahrrad vor dem Cinemaxx ab. Dann war es halb acht und ich saß im Cinemaxx9 in der Pressevorführung der deutsch-französisch-chinesischen Coproduktion “John Rabe” von Florian Gallenberger.

Eine Art Schindlers-Liste-Pendant. Spielt 1937. Es geht also um einen hamburger Kaufmann, der die Siemensniederlassung in Nanking schion seit mehr als zwanzig Jahren betreut. Die Japaner haben gerade schon Shanghai erobert und rücken mit großer Brutalität auf Nanking vor. John Rabe richtet mit andern zusammen eine Sicherheitszone für Zivilisten ein und rettet so viele Menschen.
Der Film ist im Grunde genommen recht konventionell, gefiel mir aber trotzdem. Es war superangenehm, mit sovielen Menschen im Kino zu sitzen und ich dachte wieder: “Wahnsinn!”; dreihundert Leute bestimmt, und man fragt sich, wie die ganzen Menschen hier ihre jeweilige Berlinale verbringen, und in welcher Funktion sie wohl da sind.
Allesamt unerschrockene Profigucker.

Nur schade, dass auf den Pressscreeningvorführungen nicht der Berlinaletrailer läuft und dass auch niemand nach dem Film klatscht – stattdessen geht’s weiter, schnell eine Banane essen, dann husch, husch; mit dem Fahrrad Richtung Zoo, an der CDU vorbei mit ihrem seltsamen Spruch da.

Im Zoopalast wurde das Panoramaprogramm eröffnet. Wieland Speck erinnerte das Publikum daran, dass es bitte danach wegen des Publikumspreises diese Votingpostkarten ausfüllen sollte; Lucia Puenzo, die Regisseurin des sehr schönen argentinischen Spielfilms “El Niño Pez” (Das Fischkind) stand mit den beiden Hauptdarstellerinnen Inés Evron und Mariela Vitale auf der Bühne.

(irgendwie auch prima, dass mein Fotoapparat nicht ganz farbecht ist)

Dann ging der schöne Film los.
Es war superschön, mit so vielen Menschen im Kino zu sitzen und sich diesen Film anzugucken.
Irgendwann gegen Ende dachte ich: hier riecht es nach Urin. Meine Nase roch einen warmen Uringeruch. Dieser Geruch war gar nicht unbedingt störend; es war vielleicht nur ein Ton innerhalb unterschiedlicher Gerüche und man war sich auch nicht ganz sicher, auch wenn man meinte, dass der Nebenmann irgendwie auch für sich das kurz naserümpfend kommentierte – ein an niemand bestimmten gesendetes Signal, mit dem er irgendwie (für eine unsichtbare Kamera) zu Protokoll gab, diesen leichten Uringeruch bemerkt zu haben und zu missbilligen.
Drausen nach dem Film roch es dann ganz eindeutig nach Popcorn. Oder man ordnete den Geruch, den man roch, sofort dem schönen Popcorn zu, das man sah, angeboten von hübschen Mädchen.
Wahrscheinlich hatte man den Popcorngeruch, vermischt mit irgendeinem Parfüm- oder Körpereigengeruch, also fälschlicherweise für Uringeruch gehalten; vielleicht hatte es auch eine Assoziation gegeben – vor einigen Tagen war ich ja über eine Sendung im Kinderkanal gestolpert, die von Urinsekten, Silberfischen etc.  gehandelt hatte; vielleicht hatte aber tatsächlich jemand in Sitzplatznähe in die Hosen gemacht.

….

Ich trank ein Bier vor dem Imbiß und beobachtete die Jugendlichen.

Dann ging ich da hin und schloß das Kettenschlo wieder auf, mit dem ich das Fahrrad an der U-Bahnstation befestigt hatte. Die Kette des Schlosses war kaum fünf Zentimeter von dem Bein von einem der Jungs da entfernt. Ich achtete beim Fahrradschloßaufschließen darauf, dass die Fahrradschloßkette nicht sein Bein berührte.

Und fuhr dann heim, durch die Nacht; am Lützowufer, an der CDU wieder vorbei; Höhe Potsadamer Platz war es dann wieder so melancholisch und schön, dass ich kurz anhielt.

So war das gewesen.

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