Weil der Abend die Problemzone des Tages ist, ist es gut, abends in’s Kino zu gehen. Strenggenommen war es noch gar nicht abend, aber ich wollte das mit der Problemzone noch unbedingt unterbringen, was mir mir in Wirklichkeit auch nicht gestern abend, sondern eben erst eben eingefallen ist. Im Kino wurde jedenfalls der schwedische Film „Man Tanker Sitt“ gezeigt. Der Film spielt im Umfeld alleinstehender Häuser und wird aus der Perspektive eines elfjährigen Jungen erzählt. Die Siedlung oder der Ort, wo das spielt, erinnert an die klassischen David-Lynch-Häuseransammlungen etwa „Blue Velvet“.
Der Film erzählt von diesen Häusern, die irgendwann in den 70er Jahren gebaut wurden und von den zu diesen Häusern passenden Menschen aus der gesicherten Mittelklasse. Man hat viel gearbeitet und wünscht sich, ein schönes Haus mit Familie, Garten und Buchsbaumhecken drumrum zu haben, alles ist gut, das ist völlig normal und dann ist doch eigentlich alles ganz furchtbar, aber dies Furchtbare läßt sich von den davon Betroffenen gar nicht erzählen; es ist in die Menschen wie in die Häuser eingeschrieben, die Normalität hat sie gezeichnet und springt dann den an, der von aussen kommt und einmal da drinnen war.
Es ist Sommer. Der Himmel ist immer wunderbar blau.
Sie hätten immer nachmittags gedreht, einen Monat oder so und irgendwann war ihnen aufgefallen, dass nachmittags nie auch nur ein einziger Mensch auf den Straßen war.
Das Furchtbare braucht kein Verbrechen, um zum Ausdruck zu kommen; der Schrecken ist unspektakulär; es sind die IKEA-Einrichtungen in den Häusern, also wenn jemand mit IKEA richtig ernst macht und nicht nur, weil’s billig ist, vielleicht einen „Rimbo“-Stuhl, sondern zwei davon; kein Staubkorn auf dem Boden usw.
Oder: auf dem leeren Parkplatz von Lidl (diese Märkte sind in Schweden viel riesiger als in Deutschland) wickelt ein Mann ein kleines Kind; eine braungebrannte Agentin der Normalität taucht auf. Sie arbeitet in der Kinderfürsorge eines Nachbarortes und sagt also dauernd, das könne er doch nicht machen, im Supermarkt gebe es doch Räume zum Babywickeln, er macht weiter. Genervt von der Frau schreit das Kind. Sie sagt dann immer wieder, er solle sich doch an sie und die Behörde, die sie vertritt wenden, das arme Baby wachse ja in Verwahrlosung auf und eigentlich müsse sie das melden. Er sagt, ja das müsse sie wohl, sonst werde sicher ein anderer sie melden. (die Frau erinnerte mich an die erst auf den zweiten Blick so furchtbare SED-Oma, die in Volker Heises wunderbarem Film „Material“ zu Wort kommt)
In einer anderen Szene sitzt der Normalitätsaussenseiter am Rande eines Gartenfestes. Die Menschen feiern irgendwas; am Rande steht so ein selbstzufriedener Familienvater friedlich mit einem Schlauch und wässert die Pflanzen und spritzt ihn plötzlich für zwanzig Sekunden vielleicht nass. Der Aussenseiter geht dann, ohne sich zu wehren. Solche Dinge. Und dazwischen eine Natur, die am Rand der kleinstädtischen Siedlung vielleicht etwas zu bedeutungshaft inszeniert wird und Filmmusik, die auch wieder etwas zu bedeutungshaft rüberkommt; mein Sitznachbar sagte zu seinem Bekannten, „schlimm, wenn man sich für Tarkowski hält, es aber nicht ist“; ich dachte gleich „du Doofkopf!“; mich hatte das, was ich an dem Film nicht toll fand, jedenfalls nicht weiter gestört, sondern war sozusagen ganz geflasht wie Maurice 2,3 sagen würde.
Der Regisseur Fredrik Wenzel und sein Team, haben das alles so gut hingekriegt, weil sie selber in solchen Einzelhaussiedlungen aufgewachsen sind; mir selbst ging das gleich so nahe, weil ich derlei gut aus meiner Kleinstadtkindheit kenne; vor allem auch das Licht und die Landschaft, die in Schleswig-Holstein ja genauso aussieht, wie in Halland (diesem Ortsteil von Schweden, in dem der Film spielt).
Nun bin ich supergespannt darauf, wie die Verfilmung von „Dorfpunks“ nun aussehen wird; weil das ja nicht nur in Schleswig-Holstein gedreht wurde, sondern auch noch in meiner Teenagerzeit spielt. Das kommt dann die Tage …
Bei irgendeinem Film dachte ich auch „was für eine Schmonzette“, hab aber komischerweise schon vergessen, um welchen Film es sich dabei handelte.
Und später dann der Hongkong-Thriller „Beast Stalker“ im Delphi. Prima Film! Vor allem gefiel mir auch das Danach; also wie der Regisseur Dante Lam da mit seinem Schauspieler Nick Cheung auf der Bühne saß und sich mit Christoph Terhechte unterhielt. Das Gespräch war gut und stockte nur selten. Dante Lam und Nick Cheung (kleines Fragezeichen) waren sehr festlich und schön gekleidet. Nick Cheung, der nur selten etwas sagte, war superelegant; also im Stil so auch ein bißchen wie Andy Lau. Nach dem Filmgespräch kamen hübsche deutsch-chinesische Mädchen auf die Bühne und ließen sich mit ihrem Star fotografieren. Toll!
Eigentlich wollte ich noch was Kritisches über das diesjährige Berlinalelogo sagen, aber das mach ich dann morgen.