vonChristian Ihle 14.02.2011

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Arcade Fire: Scenes From The Suburb

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1. Der Film in einem Satz:

Das Aufwachsen in der Vorstadt, the horror, the horror.

2. Darum geht‘s:

Regisseur Spike Jonze („Where The Wild Things Are“) nimmt sich Arcade Fires aktuelle Platte „The Suburbs“ als Vorlage um einen halbstündigen Kurzfilm nach Motiven des Albums zu drehen. Wie zu erwarten sehen wir gelangweilte Jugendliche durch die Vorstädte fahren, kiffen, spielen, raufen. Überraschenderweise baut Jonze jedoch immer wieder kurze Szenen ein, in denen eine nicht näher benannte Armee die Vorstädte kontrolliert. Das Land ist zu einem Überwachungsstaat geworden – was sich auch im Verhalten mancher Erziehungsberechtigten spiegelt, die sich ebenso repressiv verhalten.

scenes from the suburbs

Diese Szenen verleihen dem Film, gerade auch weil sie unerklärt immer wieder eingefügt werden, eine beängstigende, dystopische Grundstimmung, die die unbeschwerten Momente des jugendlichen Heranwachsens kontrastieren. Durch die elliptische Erzählweise fällt es schwer, eine Story auszumachen – Jonze versucht über Bilder statt über eine konkrete Erzählung das Verlorensein in der Adoleszenz zu zeigen. Rätselhaft bleibt in dem Drehbuch, das Jonze gemeinsam mit Win und William Butler geschrieben hat, vieles.

3. Der beste Moment:

Die sonnendurchfluteten Sommertage, die mit fröhlichem BMX-Fahren und kleinen Streichen verbracht werden, während im Hintergrund Arcade Fires „Suburbs“ läuft.

4. Diese Menschen mögen diesen Film:

Wer die subtil bedrohlichen Bilder aus Jonzes „Where The Wild Things Are“ in jenem „Kinderfilm“ am besten fand.

* Regie: Spike Jonze
* imdb

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The Devil’s Double

1. Der Film in einem Satz:

Keine halben Sachen. Mit Hussein.

2. Darum geht‘s:

Eine Geschichte aus dem Leben: der Sohn Saddam Husseins, Uday Hussein, strebt danach, es seinem Vater in jeder möglicher Hinsicht gleich zu tun – da Saddam mehrere Doppelgänger hat, will auch Uday einen Doppelgänger und engagiert den ehemaligen Schulkameraden Latif für diese Rolle. Latif wehrt sich zunächst, hat aber in einem Unrechtsstaat wie Irak keine Möglichkeit, dieser Berufung zu entgehen und zerbricht nach und nach, als er die Brutalität und Menschenverachtung Udays mit ansehen muss.
Regisseur Lee Tamahori gelingt es nicht, die interessante Grundkonstellation mit genügend Leben zu füllen. Insbesondere Uday Hussein bleibt eindimensional – ein psychotisches Kleinkind im Körper eines Erwachsenen. Der angedeutete Vater-Sohn-Konflikt sowie wohl auch vorhandene Verzweiflung, die Uday zu Selbstmordversuchen treibt, wird nicht ausgespielt, so dass „Devil’s Double“ zu einem platten Film über die Janusköpfigkeit verkommt: zwei gegensätzliche Protagonisten, der eine immer gut, der andere immer schlecht. Dass letzterer dazu noch von Dominic Cooper als Farce angelegt wird, die mehr an einen kokainseligen Freddy Mercury erinnert als an einen Menschenschlächter, verhilft dem Film weder zu Glaubwürdigkeit noch Wucht.

3. Der beste Moment:

Als Latif Foltermitschnitte per Video vorgeführt werden, die Uday angeordnet hat, und so die narzistische Partygestalt des Hussein-Sohns erstmals seine hässliche Fratze zeigt.

4. Diese Menschen mögen diesen Film:

Wer Geschichten aus dem echten Leben spekulativ und simplifiziert aufbereitet haben möchte.

* Regie: Lee Tamahori
* imdb

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Dom

1. Der Film in einem Satz:

Schweige, schweige, Häusle baue.

2. Darum geht‘s:

Die junge Eva lebt in einem tschechischen Dörfchen bei den Eltern, jobbt aber so viel sie kann, um später als Au Pair nach London zu ziehen. Ihr Vater baut im Vorgarten derweil aber ein Haus für seine Tochter – als er ihr Geldversteck entdeckt und so von den London-Plänen erfährt, nimmt er das mühsam ersparte Geld der Tochter und investiert in Steine: er kauft Baumaterialien, zum Verdruß seiner Tochter. Neben dem gerade im Bau befindlichen Haus für Tochter 2 steht bereits das verlassene, ebenfalls noch im Rohbau befindliche Haus für Tochter 1, die stattdessen zu ihrem nichtsnutzigen Mann gezogen ist – Symbole für den Versuch, die Familie zusammenzuhalten und gleichzeitig Dokumente des Scheiterns.
Der tschechisch-slowakische Debütfilm von Zuzana Liová beeindruckt mit seiner Kargheit, in der die Sprachlosigkeit seiner Figuren schlüssig aus ihrer Unfähigkeit folgt, Gefühle zu kommunizieren. Während der Vater (beeindruckend griesgrämig gespielt von Miroslav Krobot) bereits völlig erstarrt ist, hat die Tochter noch den Traum der Unbeschwertheit, doch eine unglückliche Liebe zu ihrem Englischlehrer bricht auch ihren Willen nach und nach. Trotz eines etwas zu optimistischen Endes ein gelungener Film.

3. Der beste Moment:

Wenn die Maske des ansonsten ohne Unterlass strengen Vater in einsamen Momenten aufbricht und so Miroslav Krobot die Figur mehrdimensionaler zeichnet als es zu erwarten wäre.

4. Diese Menschen mögen diesen Film:

Wer Dramen über dysfunktionale Familien schätzt, in denen die Neurosen nach innen gelebt und nicht über lautes Schreien und Kreischen aufmerksamkeitsheischend kommuniziert werden.

* Regie: Zuzana Liová
* imdb

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