vonChristian Ihle 17.02.2011

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The Futurethe future

1. Der Film in einem Satz:

I’ve seen The Future, baby:
it is Hipster.

2. Darum geht‘s:

Ein Hipstereremitenpärchen in Los Angeles beschließt eine totkranke Katze zu adoptieren. Als sie die Katze abholen wollen, wird ihnen eröffnet, dass sie erst in einem Monat nach Hause genommen werden kann, aber dafür vielleicht noch einige Jahre zu leben hat. Erschrocken darüber, dass sie erstmals nach 35 Lebensjahren in ihrem Hipsterdasein Verantwortung für etwas übernehmen müssen, beschließen Sophie (Miranda July selbst) und Jason (Hamish Linklater) ihr Rumhängeleben zu ändern und für 30 letzte Tage in der „Freiheit“ etwas Neues zu beginnen. Während Jason eher halbherzig gegen die Erderwärmung und für Bäumepflanzen Klingeln putzt, scheitert Sophie an einem „30 Tänze in 30 Tagen“-Youtube-Projekt und landet mehr zufällig in einer Affäre mit einem Vater aus den Suburbs.

Miranda Julys zweiter Film nach dem gefeierten „Me, You & Everybody We Know“ (2005) beginnt als eine in Teilen schreiend komische Sezierung des Hipsterphänomens und der Weigerung auch noch mit Mitte 30 etwas „richtiges“ mit seinem Leben anzufangen, also beinahe als eine Arthouse-Variante von „Portlandia„. Im weiteren Verlauf wird der Film zunehmend surrealer, trauriger, gewinnt manchmal gar eine Lynch-hafte subtile Bedrohlichkeit, ohne dass July Erklärungen für ihre Katzenmonologe oder Jasons Zeitanhaltkräfte liefert – was auch nicht notwendig ist, spinnt „The Future“ doch gekonnt seinen Garn ohne sich sklavisch einer schlüssigen Plotentwicklung verpflichtet zu fühlen. Mag der Enthusiasmus, dem man dem Film in seiner amüsanten ersten Hälfte entgegenbringt, in der pseudophilospohischen, surrealen zweiten Hälfte auch etwas verfliegen, so ist „The Future“ dennoch gerade ob seiner Nonchalance ohne Zweifel sehenswert.

3. Der beste Moment:

Das erste, eher zufällige Telefonat zwischen Sophie und ihrer späteren Affäre, das auf einfachste Art Sophies Verkorkstheit bei gleichzeitiger Liebenswürdigkeit zeigt.

4. Diese Menschen mögen diesen Film:

Für wen Portlandia zwar das richtige Sujet aufgreift, aber eben doch im Humor zu dick und wenig subtil aufträgt.

* Regie: Miranda July
* imdb

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Die Vaterlosen

vaterlosen

1. Der Film in einem Satz:

Halt dich an deiner Familie fest.

2. Darum geht‘s:

Der Althippie und frühere Kommunenchef Hans stirbt auf dem österreichischen Hof, auf dem die Kommune ihre Ideale der freien Liebe und der antikapitalistischen Gemeinschaft in früheren Jahrzehnten ausgelebt hat. Seine vier nun erwachsenen Kinder kommen nach und nach ans Sterbebett, darunter auch Kyra, die in Kinderjahren mit ihrer Mutter vom Hof weggeschickt wurde und so der jüngsten Tochter Mizzi nicht einmal bekannt ist. Nach und nach zeigt sich, welche Auswirkungen die Anti-Erziehung auf die vier Kinder hatte, vom Gegenentwurf des Niki, der in die Bürgerlichkeit will und Arzt als Berufswunsch hat zum immer noch Hippie-Idealen nachhängenden Vito reicht dabei die Palette. Und über allen Kindern liegt immer noch der Schatten eines Vorfalls aus der Vergangenheit…

Beeindruckend gelingt es Marie Kreutzer in ihrem Debütfilm ihre Figuren nicht zu Stellvertretern für einzelne Positionen (die Bürgerlichkeit, der Hippie, das verstoßene Mädchen etc.) verkommen zu lassen, sondern verleiht jedem der vier Kinder einen glaubwürdigen, vielschichten Charakter. „Dysfunktionale Familie trifft wegen eines einschneidenden Erlebnisses wieder aufeinander, rauft sich trotz der unterschiedlichen Entwicklungen Einzelner zunächst zusammen, wird aber letzten Endes durch die unaufgearbeitete Vergangenheit nur noch mehr auseinandergerissen“ mag ein äußerst klassisches Muster darstellen. „Die Vaterlosen“ bleibt dabei dennoch immer erfrischend, weil die einzelnen Figuren lebendig gezeichnet werden und das „Vergangenheitserlebnis“ zwar interessant genug ist, dass wir auf seine Auflösung warten, aber die Gegenwart nicht überstrahlt.

3. Der beste Moment:

Ein Abendessen im Kreis der Geschwister plus zweier mitgebrachter Partner, das ein Musterbeispiel für subtilen Krieg darstellt: kleine, spitze Bemerkungen – jede für sich eigentlich harmlos, aber doch, im richtigen Moment geäußert, ungemein verletztend.

4. Diese Menschen mögen diesen Film:

Wer sich bei „Das Fest“ dachte: Hippies können genauso schlechte Eltern wie Großindustrielle sein!

* Regie: Marie Kreutzer
* imdb

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