vonlottmann 12.02.2009

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Man muß halt nur wieder reinkommen, also in den Berlinaleflow. Zum Glück dauert das Festival ja nicht eine Woche, sondern zwei. Sodaß immer noch sechs Tage und 22 Partys übrig sind, wenn man endlich wieder ein bißchen Gefallen an dem müden Karneval an der Spree gefunden hat. Dann geht es plötzlich wieder, und von Event zu Event wird es leichter. Schließlich ist es eben doch Berlin, und dessen menschliche Art setzt sich durch. Wieviel scheußlicher, erinnert man sich nun, sind doch die Festivals in Cannes, Locarno, Sundance und San Francisco dagegen, oder London! NEW YORK!! Furchtbar. Bei Detlev Buck gestern stand vor der Tür ein Kübel mit Sonnenblumen, zwischen denen fertiggerollte Joints steckten. Jeder Partybesucher griff sich einen, statt der Garderobenmarke. Drinnen dann nur 25 Leute, aber alle nett. Die Neelu, der Mäx, der Denni, Nichte Hase, Detlev Buck, die schöne Inderin, Frank F. Jöricke, der NATO-General, Wim Wenders, die Hansen, Oliver Hirschbiegel, Leute von der Buckfilm-Crew. Das ging dann bis zum frühen Morgen. Kein Ausweichen in die Panorama Bar beim Hellwerden, sondern glückliches Nachhausegehen – es brauchte keinen Nachschlag. Ich sagte übrigens zu Jöricke, daß man sein Buch zurückgeschickt hatte, ohne meine Schuld, und ich es immer noch nicht kannte. Daraufhin reagierte er nicht abgewichst professionell (etwa: “Mein Agent wird sich darum kümmern und Ihnen einen neuen Fahnensatz zukommen lassen”), sondern trug das ganze erste Kapitel in freier Rede vor uns vor, auf einem orangenen 70er Jahre Stuhl stehend. Wahrscheinlich war es ziemlich vom Schrifttext abweichend, aber ich bekam trotzdem einen bleibenden Eindruck.
Zum gestrigen Eintrag wäre noch korrigierend hinzuzufügen, daß Mario Adorf natürlich DOCH ein großer Star ist, und dergleichen nicht vortäuschen muß. Er hat überzeugend den ‘Santer’ im ‘Schatz im Silbersee’ gegeben, hat unter Faßbinder mit Barbara Sukova gespielt (‘Lola’, mein Lieblingsfaßbinder), und bis zuletzt auf den Brettern, die die Welt bedeuten, gestanden. Noch mit fast 80 spielte er kürzlich den J. Heesters in der Eichingerproduktion ‘Jopi – das war sein Leben’. Mir gefällt dieser Schauspieler, den ich cool und menschlich zugleich finde. Wer es nicht glaubt, möge kurz an letztes Jahr denken, dem letzten Jahr ohne Finanzkrise, als Daimler Benz noch eine Riesenparty am Potsdamer Platz gab, zu der Mega-Fratzen wie Robert de Niro und candle-in-the-wind-Sänger Elton John eingeflogen wurden. Man vergleiche also bitte de Niro mit Adorf. De Niro hat in 23 von 23 Filmen einen blöden, gefühlsblockierten Unterschichtsdeppen gespielt, Adorf dagegen viele verschiedene Typen, oftmals vielschichtige, teils böse, teils intelligente, teils zärtliche Männer.
Das Fernsehen begleitet das Festival in seltsamer vorauseilender Geflissenhaftigkeit, immer live, immer am Ball, jeden Tag, devot und nichtssagend und hirnlos. Bei ‘Scobel’ sitzen dann fünf Filmleute und plappern über handwerkliche und PR-Fragen. Immer geht es pseudoprofessionell und pseudoweltläufig ums ‘Filmemachen’, worunter immer und ewig der technische, nie der geistige Teil gemeint ist. Vom Großproduzenten bis zum script girl zerfasert sich jeder den Mund, wie mittels ‘Begeisterung’, ‘Engagement’, ‘Fleiß’ etc. eine Idee durchgesetzt wird, aber nie, WELCHE Idee das denn ist. Die Berlinale könnte auch 20 statt 2 Wochen dauern, und es würde trotzdem nie ein genuin intellektueller Diskurs entstehen.

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