Best of Vienna ist ein Periodikum aus dem Falter Verlag, das dem eigenen Titelanspruch nur in den seltensten Fällen gerecht wird. Um die Zielgruppe der Zeitschrift kennen zu lernen, genügen ein paar der darin häufig benutzten Reizworte: Hotspot, Happening, Star-DJ, Sound, Szene.
Hier schreibt der journalistische Nachwuchs Wiens für StudentInnen und junge Städtetouristen, am liebsten für 30jährige Weekend-Hopper mit einer prall gefüllten Brieftasche.
Die 84 großformatigen Seiten der neuen Herbst/Winter-Ausgabe sind breit gepflastert mit Anzeigen. Die in den Lücken eingestreuten Stadttipps unterscheiden sich in der Tonlage kaum von den Werbebotschaften. Über dutzende Seiten wurden wahllos Pressetexte und PR-Fotos verwurstet, die im letzten halben Jahr auf dem Redaktionsschreibtisch gelandet sind.
Kommen in den wenigen Storys aber tatsächlich mal lebendige Menschen zu Wort, dann stammen diese zu 90 Prozent gleichfalls aus der fleißigen Gruppe der Mediensoldaten: Jungredaktricen, Fotografiker, Radioreporterinnen, … – so setzen die Mitarbeiter der Zeitschrift am liebsten ihr eigenes Milieu ins Bild.
Närrische Grillen wird man Best of Vienna vergeblich suchen. In der aktuellen Ausgabe erfahren wir u. a., dass der »Plattenspieler jetzt Einzug ins Wohnzimmer findet«. Na, da schau her! … und dass »man damit über die Heimanlage Musik hören kann« – Unglaublich! Wer hätte das gedacht?
Dänische Unterwäsche. Leckere Kaffeebohnen, die Wiesel gefressen und wieder ausgeschissen haben; gleich daneben, dieselbe Spezialität von Katzen (Civet Coffee). »Vor Ort« gebackene Backwaren gilt in Wien anno 2010 noch ein Qualitätsausweis. Und während in anderen Städten Schischa-Lokale schon wieder verboten werden, weil sie Jugendlichen eindeutig den Einstieg ins Rauchen erleichtern, feiert das Best of Vienna ernsthaft »als Alternative zum Zigarettenrauchen«.
Hier hat ein verbilligter Livestyle-Journalismus eine neue Pflanzstätte gefunden, und offenbar gibt es auch genügend Jungvolk, das sich auf diese Weise gerne pflanzen lässt. – Zitat: »Was die Discomode betrifft, kommt damals wie heute gut an, was exzentrisch ist und auffällt«.
Noch ärgerlicher als diese superseichte Schreibe sind allerdings die mitgelieferten Fehler. Im Café Restaurant Oben am Urban-Loritz-Platz isst man nicht »in der Bibliothek«, da hätten die Bibliothekare doch einiges dagegen, sondern im Lokal »über der Bibliothek«.
Dass das Café Sperl zu »den letzten großen Billardcafés« Wiens zählt«, ist ein ziemlich schlechter Witz: Wir haben die Spieltische dort zuletzt vor fünf Jahren abgedeckt gesehen.
Die meisten der avisierten Termine der Herbst/Winter-Ausgabe laufen im November schon wieder ab. Überraschend ist in diessem Blatt lediglich das Ergebnis einer Kaffeeverkostung, das die Redaktion mit zwei heimischen Experten durchgeführt hat: Im Koffein-Mekka Wien schneiden nicht etwa die Traditionskaffeehäuser in punkto Trinkqualität am besten ab, sondern das Italo-Espresso Testa Rossa am Dr.-Karl-Lueger-Ring.
Dass die Nacht-U-Bahn leiwand ist (und auch die im Waggon mitreisenden Polizisten), dürfte eine eher von der Wien-Werbung als von der Taxler-Innung gesponserte Aussage sein. Eine der Leserschaft vorgeschlagene Nachtleben-Route mit den Wiener Linien verläuft in drei Stationen: »Vorglühen bis 1 Uhr«, »Tanzen nach 2 Uhr«, »Brandlöschen nach 4 Uhr«. Dass aber die Feinbäckerei Prindl in der Jägerstraße nur einen kleinen Umweg von der U4-Station Friedensbrücke entfernt liegt, wird kein Ortskundiger bestätigen.
Wirklich gelungen an dem Blatt ist nur die konsequent durchgehaltene Nummerierung der behandelten Locations auf dem beiliegenden Stadtplan, den man auf die aufklappbare Coverrückseite gedruckt hat. Schade freilich, dass die Blattmacher diese Karte nicht auch selbst benutzten.
Dann blieben uns Ortangaben wie diese von Seite 25 erspart: »Der Mykita Shop Wien liegt am Neuen Markt zwischen der Kärntnerstraße und dem Stephansdom«. Mit einer solchen Beschreibung werden sich Fremde garantiert grün- u. blauärgern.
© Wolfgang Koch 2010
Best of Vienna. Die besten Seiten Wiens seit 1993, Volume 2/2010, ISBN 978-3-85439-9, 84 Seiten, EUR 4,90