vonDetlef Guertler 20.01.2010

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Sind sie nicht furchtbar, diese Arbeitgeber?

Die Wahrnehmung von Arbeitnehmerinteressen störe zwar viele Unternehmen, sie als Seuche zu bezeichnen sei indes «ein sprachlicher Tiefpunkt im Umgang mit Lohnabhängigen», sagte (Horst Dieter) Schlosser zur Begründung

der Kür von betriebsratsverseucht zum Unwort des Jahres 2009, sagt die Pressemitteilung dazu. Und weiter:

In einem Bericht der ARD-Sendung «Monitor» im Mai vergangenen Jahres hatte ein Mitarbeiter einer Baumarktkette geschildert, dass Abteilungsleiter Mitarbeiter als «betriebsratsverseucht» bezeichnen, die von einer Filiale mit Betriebsrat in eine Filiale ohne Betriebsrat wechseln wollen.

Richtig daran ist, dass es diesen Monitor-Bericht gab, und dass dort ein “Bauhaus”-Beschäftigter dieses Wort verwendet hat. Das entsprechende Zitat aus der Sendung auf der ARD-Webseite:

“Verschiedene Redner, insbesondere Abteilungsleiter, kamen dann zur Sache. Betriebsrat. Wir brauchen keinen Betriebsrat, wir können alles selbst klären. Betriebsrat kostet nur Geld, was wir für anderes gebrauchen könnten, zum Beispiel Lohnerhöhungen. Und möchte ein Kollege in eine andere Niederlassung versetzt werden, würde ihn niemand mehr nehmen, da er betriebsratsverseucht ist…”

Dass die Abteilungsleiter massiv versucht haben, den Beschäftigten die Bildung eines Betriebsrats auszureden, glaube ich sofort. Dass sie das Wort betriebsratsverseucht verwendet haben, glaube ich hingegen nicht. Ich vermute, dass es sich um eine Wortschöpfung des zitierten Mitarbeiters handelt, in der er das zusammenfasst, was bei ihm als Eindruck geblieben ist. Andere Belege für die Verwendung dieses Wortes gibt es nicht.

Träfe die Vermutung zu, hätten wir die pikante Situation, dass als Unwort des Jahres eine arbeitnehmerinteressenverachtende Wortschöpfung ausgezeichnet wird, die aber gar nicht von Arbeitnehmerinteressenverächtern verwendet wurde, sondern von Arbeitnehmerinteressenverächtergegnern. Womit die Unwort-Jury wieder mal nicht Sprache, sondern Politik machen würde. Aber das wäre nun echt nicht das erste Mal.

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