vonElisabeth Wirth 18.06.2009

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Gibt man heute bei Google „Bildungsstreik 17.06.2009“ ein, erscheinen auf Seite 1 nicht etwa die Websites der großen Tageszeitungen oder TV Sender. Es sind die Websites auf denen in Foren diskutiert oder der Bildungsstreik angekündigt wird.

12.000 Schüler, Studenten, Azubis und Lehrer sind in Berlin auf die Straße gegangen, 240.000 sollen es in ganz Deutschland gewesen sein. Sind es genug Menschen, die da gestreikt haben, um auf die massiven Schwierigkeiten im Bildungssektor aufmerksam zu machen? Heute am Kiosk schien es einigen Printmedien wichtiger zu sein, die Menschen über den Brustkrebs von Sylvie van der Vaart zu informieren!

Es heißt immer, das Gut, welches Deutschland hätte, sei Menschen auszubilden. Doch kommt die Bildung auch an? Beim Bildungsstreik geht es nicht nur um unzufriedene Studenten, sondern um große Lücken in unserem Bildungssystem. Beginnend im Kindergarten, definitiv in den Grundschulen. Zu große Klassen, zu wenige Lehrer, zu alte Lehrer, überlastete Lehrer, Trichtersystem, Frontalunterricht, Gymnasium, Realschule, Hauptschule, Ganztagsschule…

Das zu wenige Mittel zur Verfügung gestellt werden ist das eine, das andere ist, dass es zu wenig Mut zu geben scheint, um das Bildungssystem grundlegend zu reformieren. Derzeit ist es nicht gegeben, dass alle Kinder die gleichen Bildungschancen haben. Manch einer wird sagen, dass das auch ein Problem ist, welches in den Familien beginnt. Aber man muss sich auch die Frage stellen, wer fängt die Defizite der Kinder auf. Unter den gegebenen Umständen, kann das nicht die Schule sein. Sollte sie aber, denn es geht um Kinder und Jugendliche. Man wird wohl kaum langfristig in den Familien etwas verändern, wenn sich nicht das Bildungssystem ändert, sich nichts in den Schulen ändert, sicht nichts für die Kinder ändert, die Erwachsene werden.

Es ist doch nicht hinzunehmen, dass Grundschulkinder körperliche Probleme beim Stehen oder Armkreisen haben, dass große Defizite in der Rechtschreibung, im Satzbau und der Grammatik bestehen, sie nicht den Unterschied zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wissen, nur ihre eigene Realität und die „Realität“ die im Fernsehen vorgegaukelt wird kennen, dass manche Jugendliche mit Hauptschulabschluss eigentlich Analphabeten sind und sich fragen, wie schreibt man nur das Wort „nun“. Es ist eine traurige Realität, dass Eltern, deren Kinder eingeschult werden in andere Bezirke ziehen, weil die Schulsituation in einigen Bezirken grotesk ist. Das alles ist auch Realität der Bildungssituation in Deutschland.

Ein Redner bei der Abschlusskundgebung forderte alle Schüler und Studenten auf, wachsam zu sein, sich alles genau anzusehen und seine eigene Meinung zu bilden und zu formulieren, somit auch Kritik zu üben. Was passiert denn mit Schülern, die Kritik üben? Sie werden mit schlechten Noten abgestraft, weil Lehrer eine „homogene Masse“ im Klassenraum fordern. Viele Schüler kommen im Laufe der Jahre zu dem Schluss, was soll man machen, der Lehrer sitzt doch am längeren Hebel und ich will einen guten Abschluss.

Auf einem der gestrigen Plakate stand „Leere Köpfe nicken gut“. Dieses Bildungssystem fördert, dass die Köpfe leer bleiben. Denn aus den Schulkindern von heute, werden morgen Erwachsene, welche die Zukunft gestalten sollen. Vielleicht müssen es wirklich erst mehr Menschen werden, die wegen dem Bildungssystem demonstrieren und Forderungen stellen. Man braucht gar nicht soviel Phantasie, um sich vorzustellen, was passiert, wenn sich nichts ändert und der Kurs der Kürzungen weiter geht.

 

 

 

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