Wolfgang Joop ist einer der ganz wenigen Prominenten, die mit normalen Leuten wie mir und Dir reden, und zwar vorurteilslos und bei Bedarf bis spät in die Nacht. Dieser Mann ist wirklich süß! Und hat viel zu sagen. Wenn so ein kluger Kopf (fast wäre er einmal in die Hamburger Bürgerschaft gewählt worden) dann auf einen 20-jährigen trifft, nämlich Tokio Hotel Sänger (und -Komponist, Texter, Arrangeur…) Bill Kaulitz, hat man fast Angst, daß er denselben blamieren könnte. Es kam aber völlig anders. Joop war wahnsinnig unsicher. Man merkte ihm an, daß er von der ersten Sekunde an in Kaulitz verliebt war. Prompt fielen ihm nichts anderes als hemmungslos plumpe Angeberkürzel ein, Bruchstücke von Anekdoten, aufs name dropping reduziert. „Grace Jones habe ich auch gekannt…“ fing es immer an, und „Robert de Niro wollte auch unbedingt mit mir filmen…“ und so weiter. Zum Glück widersprach das Gesicht von Joop meist dem, was sein Mund sagte. Dieses Gesicht war herzzerreißend. Hier war ein Mann, der verliebt war, der alt war, und der das wußte. Und der, wie schon DIE ZEIT vorab schrieb, sich im jungen Kaulitz wiedererkannte. Dennoch: die klugen Sachen sagte immer der um fast 50 Jahre Jüngere. Denn auch Kaulitz ist kein Dummer, im Gegenteil. Wahrscheinlich ist er auch tatsächlich wesentlich klarsichtiger und begreifender als sein ältlicher Gegenpart, der eben doch auf der schwulen Modeszene seine meisten, nicht besten Jahre verbracht hat (und entsprechend verblödete, tendenziell, nicht absolut, wie oben ausgeführt). Bill Kaulitz schmetterte das Internet und seine allesbeherrschende Lebenswelt in einer Brutalität ab, die ich mir seit Jahren gewünscht habe (und was sich nicht einmal ansatzweise ein Mensch über 25 traut, schon gar keiner über 35). Und auch sonst wirkte der Tokio Hotel Star in neun von zehn Einstellungen so unendlich viel schöner, cooler und souveräner, ja auch menschlicher als Joop, daß man nur begeistert sein konnte von dem Vertreter unserer ganz jungen Jugend. Manche wenige waren das schon vor fünf Jahren. Das größte Wunder ist nun, daß sich die Gruppe, auf jeden Fall die Kaulitz Brüder, auch noch gut entwickelt haben seitdem, allen Medienrummel zum Trotz. Die Medien haben sie nicht gekriegt, sondern sie haben die Medien gekriegt, von Anfang an. Ich bin total stolz auf die beiden.
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