vonsaveourseeds 17.02.2010

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Ein iGem team posiert
Foto: iGEM and David Appleyard, mehr davon: http://www.flickr.com/photos/igemhq/

“Thick as a brick”? Diese Jungs aus China posieren auf der letzten iGEM, der International Genetically Engineered Machine competition, einem jährlich am MIT in Boston ausgetragenen Wettbewerb für Studenten um die genialsten synthetischen biologischen Systeme. Den Sommer über werkeln sie mit DNA-Teilen an ihren Kreationen, die ihnen vom Standard Registry of Biological Parts der Bio-Brick-Stiuftung im Open Source Verfahren per Post zugeschickt wird. Im Herbst treffen sich die Nachwuchs-Kreationisten des 21. Jahrhunderts dann zur grossen Jamboree, auf der die beste Do-it-Yourself-Gentechnik-Kreation prämiert wird. Gesponsort wird das biologische Legospiel  von Gentechnikfirmen, dem Massachuchets Institute for Technology, aber auch dem FBI.

Die New York Times widmete dem Nachwuchs-Wettbewerb in ihrer letzten Sonntags-Ausgabe einen Artikel “Do-It-Yourself.Genetic Engineereing”, den wir zugegebenermassen mit leichtem Gruseln und melancholischen Erinnerungen an Jethro Tull’s Thick as a brick gelesen haben. Dumm sind die Bio-Kids aus Heidelberg und Madras, Washington, Taipe, Beijing, Tokio, London,  Mexico-City, Dresden und Warschau ganz bestimmt nicht. Ihre Projekte, die sie mit allerlei Bakterien, Phagen und anderen Mikroorganismen zu realisieren suchen, reichen von Pestizid-Abbau und Spritproduktion über zelluläre Zeitbomben, Biopflaster und Biobatterien bis hin zu informationsverabeitenden Zell-Netzwerken.

die iGEM community vor dem MIT, Foto: iGEM and David Appleyard

Faszinierend, aber nicht ungefährlich. Darauf weisen die Organisatoren selbst auf ihrer Security Seite ausführlich hin und stellen die gängige Literatur zum Thema zur Verfügung. Ein kleiner Lehrfilm darüber wie leicht gutgemeinte Erfindungen für feindliche Zwecke genutzt werden können ist leider nicht mehr verfügbar, weil er kopiergeschützte Musik von Sony enhält. Hier und hier finden Sie auf youtube dennoch zwei gute Einführungsvorträge zum Thema Synthetische Biologie.  Selbst die gute alte Europäische Kommission hat das Thema mittlerweile entdeckt und hält zu den Folgen und zur Regulierung von Synthetischer Biologie am 18-19.März einen workshop ab.

Der unausgesprochene Konsens innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinde, dem die Politik bisher hin- und hergerissen zwischen Gier und Angst nachtappelt, ist einfach: Es gibt keine effektive Kontrolle dieser Technologie, weder technisch noch gesellschaftlich

Das iGEM Logo: Der Traum vom Verschmelzen des Lebens mit der Maschine
Das iGEM Logo: Der Traum vom Verschmelzen des Lebens mit der Maschine

werden Missbrauch und unerwünschte Nebenwirkungen der neuen Bio-Lego-Welt letztlich zu verhindern sein. Nur die in Heidelberg beheimatete Industrie-Vereinigung IASB verspricht, alles unter Kontrolle zu bekommen. Auf ihrer letzten internationalen Konferenz 2008 in Hong-Kong waren sich die 600 grundsätzlich enthusiastischen Teilnehmerinnen und Teilnehmer da allerdings nicht so sicher. Stand der ethischen und politischen Diskussion ist gegenwärtig eher der wissenschaftlich-technische Offenbarungseid: “es kommt ja sowieso”. Derweil bemüht sich die BIOFAB-Vereinigung schon mal um internationale Standards der Biobricks, die an die Anfänge des Internets und seiner Protokolle erinnern.

Der Autor der New York Times  träumt standesgemäß davon, Bäume künftig so zu programmieren, dass sie zu Bücherregalen wachsen. Jim Thomas von der ETC Group, die sich mit Synthetischer Biologie  schon länger auseinandersetzt und sie als Teil des BANG (bits, atoms, neurons and genes) Syndroms sieht, zitiert einen führenden Legomanen mit dem schlichten Satz: “Alles was heute Pflanzen herstellen, werden wir in Zukunft mit Mikro-Organismen herstellen können”. Keine gute Nachricht für Bauern, Feinschmecker und Naturschützer, fürchten wir: Die Natur im Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeit und wir auf dem Weg zur totalen Simulation?

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=T-QcGSe8bwY&feature=player_embedded[/youtube]

Kinderleicht: Der Lego-Roboter für automatische Bio-Brick Montage

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