vonHelmut Höge 03.05.2009

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Die taz-dorfkorrespondentin Imma Harms notierte in ihrem blog „jottwehdeh“ am 29.April:

Dicke Erbsensuppe am Mittag. In der Nachmittagshitze Besuch bei den Eseln. Sie gehören Seb. Er kommt aus Südfrankreich. Die Esel auch. Er will mit ihnen bis in die Mongolei gehen. Noch stehen die Esel auf der Weide. Sie stehen meist auf einem Fleck und knabbern sich gegenseitig den Rücken ab. Manchmal werfen sie ihren Kopf hoch, manchmal stellen sie die Ohren auf und lauschen in alle Richtungen. Am Morgen kommen zwei Leute vom Ordnungsamt auf den Karlshof gefahren. Die Esel wurden in Templin Stadt aufgegriffen. Sie waren schon mal alleine losgegangen.

Im Zuge der mongolischen Weltherrschaft nach Dschingis Khan war dies öfter vorgekommen, dass man mit Tieren von hier bis in die Mongolei zog oder umgekehrt. Noch im Zweiten Weltkrieg kamen viele mongolische Pferde mit der Roten Armee bis nach Berlin. Die Soldaten schrieben hernach Dankesbriefe an die mongolische Partei, dass die Pferde, die die Mongolei ihnen geliefert hatte, sich ganz wunderbar gehalten, um nicht zu sagen geschlagen hätten. Es gibt einen Historiker in Ulaanbataar, der diese Briefe alle gesammelt hat. Vor der Revolution mußten die Mongolen jährlich tausende von Pferde als Tribut an China zahlen. Heute landen die meisten als eingedostes Hundefutter in Japan.

Der von Imma erwähnte Seb. mit seinen zwei Eseln wird wahrscheinlich das Tempo und den Rythmus bestimmen, in dem die drei von Brandenburg über Sibirien, nehme ich an, bis in die Mongolei gehen.

Andersherum, wäre Seb. ein Hirte, und würde sich nomadisch der Wanderung seiner Herde anpassen, die sich grasfressenderweise von Brandenburg immer weiter nach Osten bis zum Baikalsee – und dann rechts um diesen herum in Richtung Mongolei bewegen täte, könnte er mitansehen, wie aus einem zu Beginn der Wanderung noch jungen Kalb am Ende des „Projekts“ ein altes Rind geworden wäre. So lange würde die Reise, die gar keine wäre, dauern.

Dazu sollte man vielleicht wissen:

Mit bloß 400 Geschmacksknospen, die ihnen zur Verfügung stehen, schmecken Katzen erbärmlich wenig. Süßes nehmen sie überhaupt nicht wahr. Weil sie Raubtiere mit einer Vorliebe für Frischfleisch sind, ist die Gefahr jedoch gering, daß sie verdorbenes oder vergiftetes Fleisch zu sich nehmen.

Pflanzenfresser haben den differenziertesten Geschmackssinn überhaupt; manche sind regelrechte Gourmets. Pferde beispielsweise sind mit 35000 Geschmacksknospen ohne weiteres imstande, Hunderte von Grasarten zu unterscheiden.

Allesfresser stehen, was das Geschmacksvermögen betrifft, irgendwo zwischen Pflanzen- und Fleischfressern. Der Mensch kommt als typischer Repräsentant dieser Gruppe mit immerhin 10000 Geschmacksknospen auf die Welt, hat aber das Pech, einen beträchtlichen Teil davon im Lauf der Zeit einzubüßen.

Lange galt der menschliche Geschmackssinn als primitiv, grobschlächtig und bloß für Weniges zu gebrauchen. Erst die Forschung der letzten Jahre hat sein erstaunliches Leistungsvermögen zutage gefördert.

Warum wir Süßes, Saures und Salziges schmecken, ist nicht schwer zu verstehen. Was süß schmeckt, ist in der Regel reich an Kohlenhydraten, liefert also Energie. Außerdem ist die Wahrscheinlichkeit hoch, daß es frei ist von Stoffen, die für den menschlichen Organismus giftig sind. Übrigens kann sogar der Dünndarm Süßes schmecken. Wie die Zunge ist er jedenfalls mit dem dafür erforderlichen Rezeptor T1R3 ausgerüstet.

Dadurch, daß Menschen imstande sind, Saures zu schmecken, werden sie vor unreifem Obst und verdorbener Nahrung gewarnt. Unlängst hat der Biologe Charles Zuker (Universität von Kalifornien in La Jolla) herausgefunden, daß ein einziges Protein namens PKD2L1 für die Wahrnehmung von Saurem sorgt. Es findet sich auch in bestimmten Nervenzellen des Rückenmarks, die möglicherweise den Säurehaushalt des Körpers überwachen.

Bleibt das Salz. Für den menschlichen Stoffwechsel ist die ständige Versorgung damit unbedingt notwendig. Der Körper kann es nicht speichern, schwitzt es aus. Nahrung, die salzig schmeckt, sollte Salz oder andere Mineralstoffe enthalten.

Warum schmecken wir Bitteres? Etliche Pflanzen produzieren Gifte, vor allem zyanogene Glukopyranoside, um zu verhindern, daß sie von Tieren verspeist werden. Menschen identifizieren diese Substanzen, die im Magen-Darm-Trakt Blausäure freisetzen, als bitter. Die zuständigen Rezeptoren reagieren 10000 Mal empfindlicher als die auf Süßes spezialisierten. Diese extreme Empfindlichkeit für Bitterstoffe ist u.a. das Ergebnis einer genetischen Mutation in der Altsteinzeit. Zu diesem Befund sind Wolfgang Meyerhof und Bernd Bufe vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke gelangt. Jedem zehnten Afrikaner fehlt diese Genvariante. Er schmeckt Zyanide erst in höheren Konzentrationen. Vermutlich ist das ein Vorteil. Wer mehr zyanidhaltige Nahrung ißt, leidet zwar häufiger an Sichelzellenanämie, ist jedoch besser gegen Malariainfektionen gefeit.

Bitterstoffe schützen direkt oder indirekt vor einen ganzen Reihe von Krankheiten. Leider nützt das der ständig wachsenden Schar derjenigen wenig, die eine Aversion gegen alles Bittere haben. »Der Selektionsvorteil von damals«, erklärt Meyerhof, »scheint sich heute ins Gegenteil zu verkehren, da viele Menschen bestimmte Gemüse ablehnen, weil sie bitter schmecken, obwohl ihr Verzehr das Risiko für bestimmte Krebs- oder Kreislauferkrankungen senken kann. Die Lebensmittelindustrie ist deshalb bemüht, den Bitterstoffanteil in der Nahrung zu reduzieren.«

Im Jahr 1908 entdeckte der japanische Chemiker Kikunae Ikeda einen fünften Grundgeschmack, den er »Umami« (das japanische Wort für »wohlschmeckend« oder »köstlich«) nannte. Die evolutionäre Bedeutung des Umami-Geschmacks ist nicht völlig geklärt. Offenbar dient er in erster Linie dazu, eiweißreiche Nahrung anzuzeigen. Jedenfalls ist er für Milch, Käse oder Sojaprodukte nicht weniger typisch als für hochreife Früchte oder Fisch und Fleisch überhaupt. Unter dem Strich ist Umami nichts anderes als der Geschmack des Glutamats, der in Lebensmitteln am häufigsten vorkommenden Aminosäure, die den jeweiligen Eigengeschmack der Nahrung verstärkt.

Lange hatte es den Anschein, als ob die Evolution vergessen hätte, den Menschen mit der nützlichen Fähigkeit auszurüsten, mit der Zunge Fettsäuren in der Nahrung aufzuspüren. Immer wieder bestätigte sich die Annahme der Ernährungswissenschaft, daß reines Fett nach gar nichts schmeckt. Doch vor kurzem ist es dem französischen Physiologen Philippe Besnard (Université de Bourgogne in Dijon) offenbar gelungen, einen Rezeptor ausfindig zu machen, der auf die Wahrnehmung von Fetten im Mundraum spezialisiert ist. Hierbei handelt es sich um das Glycoprotein CD36. Sobald man bei Säugetieren diesen Rezeptor lahmlegt, vergeht ihnen der Appetit auf fettreiche Nahrung.

Gelegentlich wird darüber spekuliert, ob der menschliche Geschmackssinn noch mehr im Repertoire haben könnte – Süßwasser etwa, Alkalisches oder Metall. Das ist möglich, aber die Wissenschaft hat hierfür noch keine Indizien entdeckt.

Im übrigen tragen nicht nur die primären Geschmacksqualitäten der Nahrung, sondern auch ihre Konsistenz, ihr Geruch und ihre Temperatur zum Geschmackserlebnis bei. Die Sensoren, die für Temperaturmessungen und Schmerzempfindungen zuständig sind, haben eine merkwürdige Eigenschaft. Sie werden auch dann aktiv, wenn sie mit scharf gewürzter Kost in Berührung kommen. So genügt schon etwas Senf oder Meerrettich, um den Kälterezeptor auf den Plan zu rufen. Der Hitzerezeptor hingegen reagiert auf das Capsaicin, das in Chilifrüchten jeglicher Art enthalten ist. Das Capsaicin hilft nicht nur dabei, den Körper zu kühlen, indem es die Absonderung von Schweiß steigert. Es bekämpft auch Parasiten. Der Mensch ist das einzige Säugetier, das den Geschmack von Chilifrüchten nicht als scheußlich empfindet. Man hat deshalb früher oft gerätselt, wie die Capsaicin produzierenden Pflanzen es schaffen, sich fortzupflanzen. Mittlerweile hat sich herausgestellt, daß sich einzig und allein Vögel darum kümmern. Doch das ist eine andere Geschichte. (Dies schrieb Frank Ufen für die Junge-Welt-Wissenschaftsseite am 30.4.)

Mir ging es in seinem Text eigentlich nur darum, dass er dort erwähnt, Pferd und mithin auch wohl Esel haben 35.000 Geschmacksknospen, sie können hunderte von Grasarten geschmacklich unterscheiden. Ufen nennt sie „regelrechte Gourmets“. Im Falle der Wanderung von Brandenburg bis in die Mongolei käme noch hinzu, dass es sich dabei zwar die ganze Zeit um ein und die selbe Landschaft handelt, aber die Grasarten unterscheiden sich doch sehr. Für Grasfresser wäre es also ein äußerst abwechlungsreicher Gourmet-Trip. Am Ende dieser ursprünglich mit Wald und Sumpf bedeckten Landschaft, dort wo sie in die Wüste Gobi übergeht, wächst z.B. nur noch eine Schnittlauchart. Sie wird zwar von den Pflanzenfressern nicht verschmäht, aber vor allem die Kamele stinken davon fürchterlich aus dem Maul.

Kurz hinter der Grenze am Huvsgul-See käme Seb. mit seinen zwei Eseln an ein Camp, das gerade von dem Hamburger Seemann und Bildhauer Michail Grey Wolf Guruev aufgebaut wird. Er spricht dabei von einem „Nordasiatischen Kulturzentrum“ – und will dort u.a. eine riesengroße Plastik zu Ehren aller Tiere bauen. 2004 hatte er in Berlin eine große Ausstellung mit all seinen Werken – aus Holz und auf Papier.

Ich schrieb damals über sein „Projekt“:
Der Initiator des Nordasiatischen Kulturzentrums in der Mongolei, Michail Grey Wolf Guruev, arbeitet seit 9 Jahren an diesem Projekt und hat dafür bereits 95.000 Dollar zusammengekratzt. Er wurde 1940 als Sohn einer Ewenkin in Sibirien geboren und wuchs in der DDR auf, aus der er 1961 in den Westen floh. Seitdem hat er sich in vielen Ländern umgetan und dabei als Seemann, Koch und Musiker gejobbt. Bei den Navajos kam er mit indianischen Künstlern in Kontakt – und ist seitdem auch Maler und Bildhauer.

Einen Großteil seiner Arbeiten stellt nun die Berliner „Asia-Lounge“, eine Initiative abgewickelter Asiatistinnen der Humboldt-Universität, auf dem Pfefferberg aus. Gleichzeitig werden dort mehrere Dokumentarfilme über die indigenen Völker Nordasiens, der mongolische Film „Die Geschichte vom weinenden Kamel“ sowie ein TV-Film über Michail Grey Wolf Guruev selbst gezeigt. Daneben gibt es eine Reihe von Diskussionsveranstaltungen und Workshops – u. a. über die kleinen nordasiatischen Völker, über deren Spiritualität sowie über das Kultur- und Ausbildungszentrum; zuletzt einen Vortrag von Arved Fuchs. An einem Tag tritt außerdem die mongolische Musikgruppe Kukh Mongol auf. Das ganze Programm firmiert unter der Überschrift „Art from Another World“ – mit dem Zusatz: „Not an exhibition but a state of mind“. Michail Grey Wolf Guruev will damit sagen, dass er nicht wie ein westlicher Künstler darauf hofft, dass seine Objekte und Bilder möglichst viele rote Punkte aufgeklebt bekommen, er erwartet vielmehr, dass mit dieser Veranstaltung einige ihm besonders wichtige Punkte für das Publikum geklärt werden.

Zunächst einmal der Begriff „Nordasien“. Michail Grey Wolf Guruev dazu: „Ich bat zum Beispiel eine asiatische Stiftung um Unterstützung, verwies diese darauf, dass das geplante Kulturzentrum ja in Sibirien, d. h. in Russland, liege; also sollte ich mich an westliche Institutionen wenden. Tat ich selbiges in westlicher Richtung, wurde mir gesagt, dass mein Projekt ja für Asien gedacht sei“. Weil er sich dafür von der russischen Administration inzwischen weniger Hilfe verspricht als von der mongolischen, hat Michail Grey Wolf Guruev den Standort für das Nordasiatische Kulturzentrum 2002 vom burjatischen Baikalsee die Selenga hoch an das Ufer des mongolischen Sees Huvsgul verschoben.

Ähnlich wie mit dem Begriff „Nordasien“ verhält es sich auch mit dem Wissen über die sozialen und kulturellen Probleme der kleinen, meist nomadisch lebenden Völker dort, von denen viele hier nicht einmal namentlich bekannt sind. „Ihre Situation hat sich seit dem Ende der Sowjetunion noch mehr verschlechtert – unsere Leute sind fast alle arbeitslos, und es fehlt an Ausbildungsmöglichkeiten.“

Eher umgekehrt ist es mit ihrer Religion – dem Schamanismus, der hierzulande inzwischen fast zu einem Modethema geworden ist, sodass immer mehr Leute aus Nordasien sich als Schamanen ausgeben, obwohl sie eher Scharlatane sind. „Die Sowjetunion hat es ja verhindert, dass das Wissen der letzten alten Schamanen an junge weitergegeben wurde. Wir zeigen dazu einen Film des jakutischen Regisseurs Sakha über eine 108-jährige Ewenkin. Ein Schamane verlässt nie seinen Ort und ist außerdem nicht erkennbar. Dies bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dass alle, die auf internationalen Schamanen-Konferenzen das Wort ergreifen, keine sind.“

Schließlich wird man auf dem Pfefferberg auch noch Näheres über Guruevs Kulturzentrum am Huvsgul-See erfahren und wie man es unterstützen kann. „Dort soll u. a. ein großes Denkmal für Tiere entstehen. Das Wichtigste für die indigenen Völker Nordasiens ist ihre Verbindung zur Natur, d. h. zur Flora und Fauna – von und mit denen sie leben.“ Dies führt zu einem weiteren Punkt: Was kann der Westen von ihnen lernen? „Neben ihrem Heilwissen ist es eben dies: ein anderes, unmittelbareres Verhältnis zur Natur – zur Umwelt.“

Aber gerade das wird ihnen zunehmend erschwert. Zwar gibt es mittlerweile im Westen eine ganze Reihe Initiativen und kleineren Organisationen, die sich mit der Situation der indigenen Völker Nordasiens befassen und diesbezüglich Aufklärungsarbeit leisten, aber die wahren Interessen hier richten sich auf die riesigen Erdöl-, Erdgas- und sonstigen Bodenschätze, die seit dem Ende der Sowjetunion vermehrt von internationalen Konsortien aufgesucht werden, wobei die Amerikaner, die Russen und die Chinesen sich geradezu ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern. Das bringt die nordasiatische Urbevölkerung aber noch mehr in Bedrängnis, indem es ihr nach und nach die Lebensgrundlage entzieht. Und dies gilt für nahezu die gesamte Region – vom Eismeer bis zur Mongolei und nach Tibet, vom Ural bis zu den Ainu auf Hokkaido. Einerseits gibt es hier also eine Verklärung der nordasiatischen Nomadenvölker als „edle Wilde“, andererseits sind sie akut vom technologischen Fortschritt bedroht, dem sie im Weg stehen.

Mit der Errichtung des Nordasiatischen Kulturzentrums soll beidem entgegengewirkt werden. Dazu brauchte es noch mehr Geld, das man vielleicht über den Verkauf einer Art Aktie akquirieren könnte. Damit ließe sich zum einen das Grundstück kaufen, zum anderen könnte man die bisher von Guruev angeschafften Einrichtungsgegenstände und Werkzeuge – 60 Tonnen in Containern, die bei Hamburg stehen – mit einer Art Karawane auf Lastwagen an den Huvsgul-See bringen.

So weit der taz-artikel. Guruev machte sich dann auch wirklich 2006 auf in die Mongolei – und ist dort seitdem mit dem Aufbau des Kulturzentrums beschäftigt. Immer mal wieder bekomme ich Post vom einen oder anderen seiner Unterstützer – mit der Bitte, ihm dort am Huvsgul-See Publizität hier zu verschaffen. Einmal bekam ich von Guruev selbst einen Text geschickt – ein Öko-Manifest für die nordischen Völker.

Seit Dondog Batjargal wieder in Ulaanbataar ist, um dort seine Jugendzeitung „Super“ sowie die Medizinzeitschrift seiner Schwestern wieder in Schwung zu bringen, ist unserer Mongolei-Berichterstattung in der taz eingeschlafen – und auch die Arbeit an der nächsten Ausgabe der deutsch-mongolischen Zeitschrift „Supernomad“ kommt irgendwie nicht voran. Sie soll nun in Ulaanbataar produziert und gedruckt werden. Das ist das letzte, was ich von unserem „Projekt“ gehört habe.

Eine der Autoren, die Mongolistin und Ströbele-Assistentin Ulrike, ist von ihrer Arbeit in der Mongolei zurück – und könnte noch so manchen Text beisteuern. Sie hat einen Viehzüchter von dort geheiratet. Er lebt jetzt mit ihr in Berlin. Neulich telefonierte er mit seinen Eltern – und erfuhr, dass die Finanzkrise in der Mongolei schwer durchgeschlagen ist: Alle Leute hoben ihr Geld von den Banken ab – mit der Folge, dass die Banken alle Kredite zurückverlangten. Auch das bereits investierte. Von seinen Eltern beschlagnahmten sie die halbe Rinderherde. Das war ein dreifacher Verlust:

1. waren die Fleischpreise gesunken – durch das plötzliche Überangebot durch die Banken. 2. War es noch Winter und die Rinder ganz mager. Und 3. waren viele Rinder tragend, so dass sie mit einem solchen beschlagnahmten Tier quasi gleich zwei auf einmal verloren.

Ulrike und ihr Mann sammelten auf die Schnellehier Geld ein und überwiesen es, gerade rechtzeitig, um die beschlagnahmte Herde wieder auszulösen.

Und dann erzählte Ulrike noch, dass der riesige Flohmarkt in Ulaanbataar, wo sonst immer hunderte und tausende täglich irgendetwas an- oder verkauften, derzeit wie ausgestorben ist. Der Handel ist quasi zum Erliegen gekommen. So hörte es sich jedenfalls an.

Unerwartet erhielt ich zuletzt noch Neuigkeiten von dem aus der Gobi stammenden Räuber und Partisan Dampignak (D.) – von dem Hamburger Mongoleikenner Eike Seidel:

1. Consten: an den Weideplätzen der Mongolen; darin die Vertreibung der Chinesen aus Hovd/Xovd/Kobdo 1911 und die Schlächtereien des Herrn D. incl. mehrere Fotos (der Herr und seine Opfer). Damals war der mongolische Adlige und Freiheitskämpfer Haatanbaatar Magsarjaw (heute ein Mausoleum mit Denkmal in Bulgan) schon über ihn aufgebracht. Haatanbaatar Magsarjaw war später unter dem Bogd Gegen quasi Verteidigungsminister, auch unter Ungern, ist dann aber zur Revolution übergeschwenkt und wurde zum Volkshelden der Revolution „geadelt“. Das Buch ist im Buchhandel oder über www.mongolei.de zu beziehen. Das Mausoleum in Bulgan gibt es erst wenige Jahre. Ich habe es 2008 besichtigt.

2. Henning Haslund-Christensen: Zajagan (Haslund schildert die Lebensgeschichte und Ermordung von D.; H. war mit Mühlenweg bei der Hedin-Expedition. Das Buch ist über ZVAB antiquarisch zu beziehen. Haslund-Christensen hat nach dem 1. WK im Norden der Mongolei gesiedelt (Roman: Jabonah) und war dann Karawanenführer bei Frans August Larson (und Vertreter von Britisch American Tobacco in der Mongolei).

Da ich Eike Seidel mitgeteilt hatte, dass der spätere Schwejk-Autor Jaroslav Hasek als damaliger Kommissar der Roten Armee in Irkutsk u.a. auch für die Mongolei gewissermaßen zuständig war, schrieb er mir zurück:

Die Rolle von D. nach der Entlassung in Irkutsk beim Kampf gegen Ungern-Sternberg ist mir recht dunkel.

Und völlig sensatinell für mich ist die Rolle von Hasek als Politkommissar in Irkutsk dabei – aus meiner Sicht ein weiteres Puzzleteilchen in der Geschichte der Mongolei, die ja ihre Geburtswehen u.a. in der Oktoberrevolution durchlitt.

Eike Seidel bereitet gerade einen Vortrag über Jugendbewegung und Mongolei vor, wie er mir mitteilte:

Da spielt Dampignak eine Rolle, weil er der positive Held bei Mühlenweg ist (Sajn Er – Guter Mann: die mongolische Bezeichnung für Räuber und Freiheitskämpfer), nach meiner Einschätzung aber allenfalls ein Vertreter der untergehenden Mongolei (Strauch-, Glücks- und Raubritter mit stark religiöser Aura), während trotz aller Opfer die VR Mongolei die einzige Zukunft für die Mongolen war.

Bei der Sichtung der Quellenlage kommt es immer wieder zu offenen Fragen. „Zu Hasek, dem Lama und Schwinger“, schrieb mir Eike Seidel, „gibt es ja viele Ansichten, u.a. Wurzer in Tübingen, der Schwinger der Lüge bezichtigt, was Irkutsk anbelangt. Consten (Weideplätze der Mongolen) bringt viel zum Lama 1911/1913, leider aber nichts zu Ungern. Woher stammt die Behauptung, er sei ausgepeitscht worden? Wir waren letztes jahr im Mausoleum von Magsarjaw in Bulgan. Ihm war der Lama in Hovd damals schon zu sadistisch…“

Aktuell teilte mir Eike Seidel mit:
An der Boro sind ca. 50 illegale Goldminen geschlossen worden, nachdem
das ganze Wasser mit Zyanid vergiftet wurde.
Zu Ungern: Die deutsche Nazi-Zeitung Junges Forum hat ein Heft über ihn
gemacht, nicht nur amerikanische Nazis.
Das Dschinghis-Denkmal im Xentej hat eine schwierige Geschichte. Es
wurde 1962 zum 8000. geplant errichtet, stieß aber auf russischen
Protest. Die schon gedruckten Briefmarken wurden nicht verkauft, fanden
aber reissenden Absatz unter der Hand. Das Denkmal wurde Ende der 70er Jahre
wieder aufgebaut.

Eike Seidel lebt in Hamburg und gehört u.a. mit dem Autor Kai Ehlers zu dem dortigen Arbeitskreis „Kultur der Jurte„. Letzterer hat darüber auch einmal ein Buch veröffentlicht, in der „Supernomad“ veröffentlichten wir dazu ein Interview mit dem Autor:

Im Mittelpunkt Ihres Buches „Die Zukunft der Jurte“ steht die Jurte als Kultur- und Lebensraum. Wer lebt heute in der Jurte, welche Bedeutung hat sie für die mongolische Bevölkerung, für welche Konzeption von Leben steht sie?

Ehlers: Die Jurte ist die traditionelle Wohnstätte der mongolischen Hirtennomaden von alters her. Gut zwei Drittel der ca. 2,5 Millionen Einwohner zählenden mongolischen Bevölkerung leben heute in Jurten. Auch in Ulaanbataar, wo inzwischen fast die Hälfte der Bevölkerung wohnt, und in einigen wenigen kleineren Orten des Landes leben die Menschen nach wie vor in Jurten. Sie breiten sich rund um die Innenstadt Ulaanbaatars oder die Kerne anderer kleiner Orte aus. Für das Leben in der Steppe ist die Jurte auch heute die optimale Heimstatt, die den Gegebenheiten des nomadischen Lebens durch die Leichtigkeit, mit der sie auf- und abgebaut werden kann, optimal entspricht. Das gilt selbst für halbnomadische Verhältnisse, also wenn Menschen im Winter ins Quartier ziehen, um sich und die Tiere vor den eisigen Winden zu schützen, aber mit dem Frühjahr wieder hinausziehen in die Steppe. Die Jurte bietet alles, was die Hirtenfamilie braucht: Schutz vor Sonne und Nachtkälte, den Herd für die Familie und als sozialer Treffpunkt, Schutz vor wilden Tieren usw.; zugleich ist sie leicht zu bewegen, wenn der Weideplatz gewechselt werden muss. Mit dem Wärme- und Frischluftkreislauf, der durch den offenen Dachkranz entsteht, bietet die Jurte einen optimalen Raum, in dem der Mensch gut leben kann. Ihre runde Gestalt mit dem zum Himmel offenen Dach lässt eine lebendige, naturbezogene Aura entstehen, in der, um es einmal so zu formulieren, der Mensch nicht aneckt, sondern sich rundum wohl fühlen kann. Auch sanitäre Fragen sind bei der Weite der Steppe kein Problem. Kurz, ihre Funktion als Heimstatt für das nomadische Leben wird die Jurte auch in Zukunft haben. Es gibt keinen sinnvollen Ersatz. Anders ist es in der Stadt, in die viele Menschen ziehen, weil sie unter den Bedingungen des Marktes mit dem nomadischen Leben nicht mehr zurechtkommen. Sie verkaufen ihre Tiere und kommen mit der Jurte in die Stadt, um dort Arbeit zu suchen. Was draußen Freiheit war, wird hier zum Gegenteil: Es beginnt mit den sanitären Einrichtungen. Wo nicht die Weite der Steppe vor der Jurtentür liegt, sondern wenige Meter weiter schon die nächste Jurte, da wird das Besorgen von Wasser, Waschen, Kochen, Abfallbeseitigung, Toilette usw. zum Problem, in Extremfällen zur Kloake und zum Slum. Es fehlen die Tiere, es fehlt die Weite, vielen fehlen auch die Arbeit und die Lebensperspektive. Unter solchen Umständen wird die Jurte zum Synonym für Elend. So möchte niemand leben; Menschen, die in solchen Jurten leben, sehnen sich nach „zivilisierten“ Wohnungen. Die aber können nicht in ausreichendem Maße und nicht schnell genug gebaut werden. Aus all dem folgt das Problem einer Urbanisierung, die das Gleichgewicht des Landes zerstört. Das Bemühen der mongolischen Politik zielt daher darauf, einerseits Häuser zu bauen, andererseits die Jurte wieder zu einer Wohnstatt zu machen, in der zu leben angenehm ist. Dies ist gleichbedeutend mit dem Versuch, neue Formen des halb-nomadischen Wirtschaftens zu entwickeln, die das Leben draußen wieder lebenswert machen. Es ist klar, dass dies nur im Rahmen eines langfristig angelegten Programmes gelingen kann.

Welche Zukunft hat die Jurte unter den heutigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedingungen? Warum sprechen Sie im Untertitel Ihres Buches auch von „Kulturkampf“?

Ehlers: Nun, die Jurte hat dann eine Zukunft, wenn nomadisches oder auch halbnomadisches Leben eine Zukunft hat. Welche Zukunft das ist, ist zur Zeit in der Mongolei sehr umstritten. Seit der „Revolution“ von 1992 tobt in der Mongolei die Auseinandersetzung, welchen Weg man künftig gehen solle – den einer forcierten Industrialisierung mit Hilfe ausländischer Gelder und durchgeführt durch ausländische Gesellschaften; oder ob man die traditionelle nomadische Wirtschaft entwickeln solle und ob das möglich sei. Von „Kulturkampf“ spreche ich deshalb, weil dies nicht nur eine Frage sachlicher wirtschaftlicher Erwägungen ist, sondern eng mit der Frage verbunden ist, wie man leben möchte, wie das Land nach 70 Jahren realsozialistischer Entwicklung seine Identität neu bestimmt. Will man zurück in eine traditionelle nomadische Wirtschaft? Will man zurückgreifen auf traditionelle Lebensvorstellungen, die mit einer solchen Wirtschaft verbunden sind? Oder gibt es ein solches „Zurück“ nicht, besteht die einzige Chance vielleicht darin, die aus den Industrieländern des Westens kommenden Wertvorstellungen einer modernen Gesellschaft zu übernehmen und das Land nach diesen Vorstellungen zu modernisieren? Die Diskussion um diese Fragen bestimmte den internationalen Kongress der Mongolenforscher und -forscherinnen von 1997, ebenso den von 2002. Im Jahr 2006 wurde die Frage unter die Überschrift „800 Jahre mongolische Staatlichkeit“ gestellt. Rund 600 Gäste des Kongresses besannen sich auf Tschingis Khan als den Stifter eines Kulturraumes, der erstmals den Osten mit dem Westen verband. Die mongolische Regierung unterstrich das Ereignis durch den Erlass einer Amnestie. Durch die aufwendigen Feierlichkeiten wurde die Grundfrage der zukünftigen Orientierung des Landes jedoch nur verdeckt.

Was kann die westliche Welt von der Kultur der Jurte lernen?

Ehlers: Der mongolisch-tuwinische Schriftsteller Galsan Tschinag hat für den Unterschied zwischen dem Westlichen und dem Nomadischen (nicht dem Östlichen!) die Begriffe des Runden und des Eckigen gewählt. Besser kann man es nicht treffen: Die Jurte ist rund; es gibt in ihr keine Ecken, an denen man sich stoßen könnte, ebenso wenig solche, in denen irgendetwas vergessen herumliegen könnte. Die Jurte trennt das Wohnen und Leben des Menschen nicht von seiner Umgebung ab, sondern verbindet ihn damit. In der Jurte wird das Wetter, werden Tag und Nacht, werden generell die natürlichen Kreisläufe des Lebens unmittelbar erlebt. Die Jurte macht den Wechsel von Innen und Außen unmittelbar erlebbar, insofern sie den Kreis des Lebens sehr eingrenzt und behütet, gleichzeitig aber nach außen hin sehr offen und durchlässig ist. Die Jurte lebt vom Prinzip des Minimalismus, Pragmatismus und der Mobilität. Das vermittelt dem Menschen ein Lebensgefühl der Leichtigkeit, des Provisorischen und der Vergänglichkeit. Man kommt dem Tod und dem Leben näher als in einem Haus, das für Ewigkeiten gebaut scheint. Gleichzeitig ist die Jurte streng nach Gesetzmäßigkeiten aufgebaut, die mit der nach Süden gerichteten Tür, mit dem Dachkranz, mit den Dachstangen, dem Filz usw. beginnen, sich mit der Zuweisung von Plätzen für die Männer, die Frauen, die Gäste usw. fortsetzen und mit der rituellen Bedeutung all der Sitten und Gebräuche in der Jurte enden. Dies alles lässt die Jurte für den Westen zu einem Symbol der Beweglichkeit, der Veränderung und in der gegebenen Situation unserer industriellen Krise des Aufbruchs werden, während sie gleichzeitig traditionelle Werte in Erinnerung bringt. Die Jurte ist damit für den westlichen Menschen so etwas wie ein Jungbrunnen, der ihn zu seinen Ursprüngen zurückführt und ihn zwingt, aufs Neue darüber nachzudenken, warum er lebt, wie er lebt.

Auch Ehlers‘ Mitstreiter für die nomadische Lebensweise speziell in der Mongolei – Eike Seidel – hat vor einiger Zeit ein Buch in diesem Zusammenhang veröffentlicht:

25 Jahre als Tierarzt in der Mongolei„, das die
Erinnerungen von Dr. Splisteser enthält, der von 1965 bis 1990 54 Mal in
der Mongolei war und von 2006 einen Orden dafür von der Republik
Mongolei bekommen hat? (Erschienen ist das Buch im Scheunen-Verlag)

Dr. Splisteser wird ebenso wie Eike Seidel auf dem diesjährigen deutsch-mongolischen Freundschaftsfest in Waßmannsdorf anwesend sein, das dort seit einigen Jahren regelmäßig am 6.Juni stattfindet. Waßmannsdorf gehört zur Gemeinde Schönefeld, dort wo jetzt noch der DDR-Flughafen ist. Ihr Bürgermeister Dr. Udo Haase organisiert in Waßmannsdorf diese Veranstaltung. Dazu schrieb er:

Die Geschichte der Zusammenarbeit zwischen der Mongolei und Schönefeld begann im Jahre 1977. Frau R. Mislowitsch, Mitarbeiterin des Ministeriums für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft der DDR, stellte dem Direktor des Volkseigenen Gutes Waßmannsdorf, Herrn Wilfried Kind, die Frage, ob er sich eine Zusammenarbeit mit der Mongolei vorstellen könnte. Herr Kind, der neuen Dingen stets sehr aufgeschlossen gegenüberstand, bejahte die Frage und der Grundstein für alles, was noch kommen sollte, war gelegt. Am 10. Juli 1978 traf der Direktor des Staatsgutes Bor nuur, Herr Jandag, ein. Bor nuur liegt ca. 100 km nördlich von der Hauptstadt Ulaanbaatar entfernt und ist über eine gut ausgebaute Straße leicht zu erreichen. Direktor Jandag blieb 19 Tage, um im damaligen Bezirk Potsdam und in Berlin(Ost) die Landwirtschaft kennen zu lernen. Ich hatte seinerzeit das große Glück, Herrn Jandag auf dieser Reise als Dolmetscher begleiten zu dürfen. Das daraus eine bis heute anhaltende Freundschaft geworden ist, sei nur am Rande erwähnt.

Am 16. Juli 1979 flogen aus dem Staatsgut Waßmannsdorf Direktor W. Kind, Herr H. Kawelke und Frau S. Weise in die Mongolei, um dort einen Freundschaftsvertrag zu unterschreiben, der bis 1989 Bestand hatte. Viele Waßmannsdorfer fuhren in den folgenden Jahren in die Mongolei, wie auch viele Mongolen aus dem Zentral-Aimak nach Waßmannsdorf kamen. Man lernte sich besser kennen, erfuhr Neues und konnte vom jeweils anderen Partner über Land und Leute, die Arbeit, die Kunst und Kultur sowie die Sprache vieles erfahren.

Nach der politischen Wende in beiden Ländern kamen die Beziehungen zum Erliegen. Die jeweiligen Organisationen und Träger der Beziehungen, das Staatsgut Bor nuur und das Volksgut Waßmannsdorf, hatten aufgehört zu existieren. Große Veränderungen kennzeichneten das Leben der Menschen in der Mongolei und im Osten Deutschlands. Man hatte in diesen Tagen andere Sorgen als die Fortsetzung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen nicht mehr existierenden landwirtschaftlichen Großbetrieben und so geschah fast 10 Jahre nichts, sieht man von wenigen bis heute existierenden persönlichen Beziehungen, die zwischen Menschen beider Ländern entstanden waren, ab.

Erfreulich war, dass im Juni 1998 die Deutsche Mongolei Agentur unter Leitung von Dr. Klaus Bormann das deutsche Büro in Selchow eröffnete. Im Mai hatte Dr. Bormann in Waßmannsdorf auf dem Hof der Gaststätte „Dymke“ zu einem großen „Jurten“-Empfang eingeladen, um seine Absichten kund zu tun. Auch das war ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Aufnahme von Beziehungen zwischen Schönefeld und Bayangol. Kurz zuvor hatten mich Dr. K. Bormann und D. Damdinjav, zu der Zeit dritter Sekretär der mongolischen Botschaft in Bonn, gefragt, ob die Bürger des Amtes Schönefeld, nicht ein Interesse daran hätten, mit den Bürgern des Stadtbezirkes Bayangol partnerschaftliche Beziehungen aufzunehmen. Eine erste Rücksprache mit den Mitgliedern des Amtsausschusses, zu denen unter anderem auch Herr Wilfried Kind und Herr Karl Mette gehörten, ließ klar erkennen, dass die Menschen die einst guten Beziehungen zur Mongolei noch immer fest in ihrem Herzen trugen. Eine besondere Rolle spielt dabei der ehemalige Leiter der Tierproduktion des Volksgutes, Herr Karl Mette.

War er es doch, der in den Jahren 1990 – 1997 häufig mongolische Delegationen und Gäste auf seinem 100jährigen Bauernhof in Waßmannsdorf empfing und dadurch in besonderem Maß dazu beitrug, dass die Beziehungen nie völlig zum Stillstand kamen. Sein Gästebuch liest sich wie das „Who is who?“ der Mongolei. Keiner der mongolischen Botschafter der letzten 30 Jahre dürfte darin fehlen. Neben vielen Ministern, Parlamentsangehörigen, Aimak- sowie Somonvorsitzenden findet man dort diejenigen wieder, die einen kleinen Beitrag zum Erhalt und Wiederaufblühen der Beziehungen beitrugen. Vor einigen Jahren drehte das mongolische Fernsehen über den Waßmannsdorfer Landwirt Karl Mette einen Dokumentarfilm, der in der Mongolei landesweit ausgestrahlt wurde und der sicherlich von vielen „Ehemaligen“ mit großer Freude gesehen wurde.

Das alles spielte eine Rolle und so entschloss ich mich, Herrn Damdinjav ein klares Ja-Signal zur Aufnahme der Beziehungen zwischen Bayangol und Schönefeld zu übermitteln, denn auch der Amtsausschuss hatte diesem Ansinnen mit großer Mehrheit zugestimmt. Und so konnte bereits am 2. August 1998 in Ulaanbaatar der Vertrag über die freundschaftliche Zusammenarbeit zwischen Schönefeld und Bayangol im Beisein des Konsuls der deutschen Botschaft in der Mongolei, Herrn Rudi Gabriel, von Bayangols Bürgermeister Sodnomzundui Erdene und mir, damals Schönefelder Amtsdirektor, unterzeichnet werden. Anwesend waren bei der feierlichen Unterzeichnung Herr Wilfried Kind, Herr Karl Mette und Herr Dr. Hans-Jürgen Wienen, ein Vertreter der Stadt Bochum sowie Herr Dr. Klaus Bormann.

Damit war nun zum zweiten Mal ein Grundstein gelegt, um die Zusammenarbeit zwischen weit entfernt und auf unterschiedlichen Kontinenten liegenden Kommunen zu besiegeln. Im September 1999 traf die erste Delegation aus Bayangol unter Leitung des Bürgermeisters S. Erdene in Schönefeld ein. Ein Jahr später reiste die Schönefelder Delegation unter meiner Leitung in die Mongolei. Zur Delegation gehörten Landrat Martin Wille, Bürgermeisterin Lydia Fischer und der Vorsitzende des Amtsausschusses Herr Olaf Damm. Neben vielen Treffen mit mongolischen Partnern wurde unsere Delegation auch vom deutschen Botschafter H. Schröder empfangen. Eine Spende des Kreistages für die Opfer der Dürre- und Kältekatastrophe im Jahr 2000, bei der mehr als 600.000 Tiere starben, wurde an einen Vertreter des Mittelgobi-Aimaks übergeben. Nach der Reise wurde in Waltersdorf eine weitere Spende an den mongolischen Botschafter B. Bayarsaikhan übergeben, um in Ulaanbaatar ein Waisenheim zu unterstützen. Die mongolische Delegation im Jahr 2001 stand unter Leitung von Bürgermeister D. Zorigt. Im Jahre 2002 wurde in Waßmannsdorf das erste deutsch-mongolische Volksfest gefeiert.

Eine Tradition, die bis heute fortgesetzt wird, konnte damit begründet werden. Zum 666. Jahrestag der Gemeinde Waßmannsdorf, im Jahre 2003, wurde neben dem mongolischen Botschafter Terbischdagva auch der Minister für Industrie und Handel der Mongolei, Herr Ganzorig, begrüßt. Der 666. Jahrestag wurde zusammen mit dem 2. deutsch-mongolischen Volksfest gefeiert. Zu diesem zweiten deutsch-mongolischen Volksfest war auch der bekannte Vertreter der deutschen Mongolistik Prof. W. Heissig aus Bonn eingeladen, der aber auf Grund gesundheitlicher Probleme leider absagen musste, jedoch an alle Teilnehmer des Festes eine herzliche Grußbotschaft übersandte. Selbstredend, dass zur Eröffnung der mongolischen Botschaft im Juli 2003 in Pankow eine Schönefelder Delegation teilnahm, um am Rande des Festes auch mit dem mongolischen Außenminister Herrn L.Erdenechuluun ins Gespräch zu kommen.

Es wird zuviel, wenn man alle Aktivitäten im einzelnen aufzählen würde, aber zahlreiche Ausstellungen, Empfänge und Informationsveranstaltungen, der Kinder- und Jugendaustausch, die Ausbildung von Praktikanten in den Bereichen Metallverarbeitung und Fenster- und Türenbau, die Übergabe zahlreicher Spenden, die direkte Zusammenarbeit von Kindergärten und Schulen, die gemeinsame Teilnahme an wichtigen Foren, wie z.B. das der Konrad-Adenauer-Stiftung „Dschingis Khans Erben im 21. Jahrhundert“, wurden angeschoben und kennzeichnen den langen und gemeinsamen Weg einer fast zehnjährigen guten Zusammenarbeit.

Am 5. Deutsch-Mongolischen Volksfest, welches unter der Schirmherrschaft des mongolischen Botschafters Dr. T. Galbaatar und Landrat Martin Wille stand, nahmen neben einer 14köpfigen Delegation aus der 38. Schule aus Ulaanbaatar, dem Präsidenten und dem Generalsekretär der mongolischen Freundschaftsgesellschaft, eine Delegation aus Bayangol unter Leitung des Bürgermeisters Zogtbaatar teil.

Natürlich hoffe ich auch zum diesjährigen Fest, viele mongolische und deutsche Freunde und Bekannte aus der Zeit der Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren wieder zu treffen. Wir werden alles tun, damit sich diese Zusammenarbeit weiter fortsetzt. Waren bisher im Rahmen unserer Aktivitäten ca. 50 Bürger aus Deutschland in der Mongolei, werden in den kommenden Jahren sicherlich noch viele folgen.

Letzte Meldung aus der Mongolei – von FAZ und AA (Auswärtiges Amt):

Den sichersten Stand hat man auf drei Beinen. Unter dieses Motto stellt die mongolische Regierung ihre Außenpolitik. Eingezwängt zwischen Russland und der Volksrepublik China, sucht das dünn besiedelte, aber an Rohstoffen reiche Land im Rest der Welt nach Partnern, die helfen, die erst 1990 gesicherte Unabhängigkeit auch langfristig zu sichern. Ministerpräsident Sanjaa Bayar erläuterte bei einem Besuch in der Redaktion dieser Zeitung, seine Regierung sei an Investitionen deutscher Unternehmen sehr interessiert. Zum Beispiel harrten große Kohlevorkommen in der Mongolei der Erschließung. Die politisch heikle Lage des Landes zwischen zwei übergroßen Nachbarn deutete Bayar nur an. Wenn deutsche Investoren etwa eine Anlage zur Kohleverflüssigung bauten, werde dies die Abhängigkeit der Mongolei von Energielieferungen aus Russland reduzieren. Deutschland sei in Europa der wichtigste Partner. Zwar habe es im Sommer vergangenen Jahres Unruhen in der Hauptstadt Ulan Bator gegeben. Aber insgesamt sei die Mongolei mittlerweile eine stabile Demokratie, sagte Bayar. Damit das so bleibe, setze seine Regierung auf Kooperation mit dem Ausland. Dann könne die weiterhin hohe Arbeitslosigkeit ebenso reduziert werden wie die Zahl der Armen im Land. (FAZ)

Aufgrund aktueller Vorfälle weist das Auswärtige Amt darauf hin, dass zunehmend gewalttätige Überfälle zu beobachten sind. Außerhalb des Stadtzentrums und nach Einbruch der Dunkelheit wird daher ausdrücklich davon abgeraten, sich allein in Ulan Bator (alternative Schreibweise: Ulaanbaatar) zu bewegen.

Besondere Vorsicht ist bei der Benutzung von Privattaxis angebracht. Sofern der teilweise stark überhöhte Fahrpreis nicht gezahlt wird, kann es zu äußerst unangenehmen Situationen mit dem Fahrer kommen. Taxis sollten nicht allein benutzt werden. In jedem Fall sollte man auf der Rückbank Platz nehmen und das Zusteigen von weiteren Fahrgästen vermeiden. In einigen Fällen hat es sich bei den Zugestiegenen um Komplizen gehandelt, die gemeinsam mit dem Fahrer den Raub am Fahrgast durchgeführt haben.

Auf Märkten (insbesondere der „Schwarzmarkt“, auch Narantuul-Markt), in Einkaufszentren, in Kaufhäusern und in der Nähe touristischer Sehenswürdigkeiten (v.a. Gandan-Kloster in Ulan Bator) sollte man sich vor Taschendieben in Acht nehmen. (Auswärtiges Amt – Sicherheitshinweise)

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