vonWolfgang Koch 14.05.2007

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Bis auf die Gräten blamiert hat sich letzte Woche das Wiener Haus des Meeres, ein im Flakturm Esterhazypark, nahe der Mariahilferstrasse im 6. Bezirk, untergebrachtes Show-Aquarium.

Dort liess die Direktion unter Michael MITIC um mehrere Euromillionen ein Glasbecken mit 300.000 Liter Fassungsvermögen einbauen, und als es endlich soweit war, dass die Haifische in dieses Behältnis übersiedeln konnten, verendeten gleich sechs von neun Exemplaren auf einen Streich.

Stundenlang versuchten Taucher, die sechs leblosen Haie nach dem Aufwachen aus der Narkose zu reanimieren. Vergeblich. Seither brodelt die Wiener Gerüchtebörse, und die halbe Stadt zittert dem Obduktionsbericht entgegen. Der heimische Pionier der Meeresforschung, Hans HAAS, hat persönlich eine Vergiftung in den Raum gestellt.

[Als ich 1997 einmal Hans Haas von Wien in die Steiermark kutschierte, da spritze das Haiblut so zirka von Wiener Neustadt im hohen Bogen an die Wagendecke, und als wir in Bruck an der Mur aus meinem Auto stiegen, musste uns der Regen erst einmal gründlich sauberwaschen. So besudelt von oben bis unten waren wir].

Natürlich bewegt die WienerInnen dieser Tage nicht nur das Rätsel, was denn nun zum spektakulären Tod der sechs Haie geführt hat. Aus gegebenen Anlass stellt sich auch die bohrende Frage auf, was in dieser Stadt mit Fischkadavern im besonderen und Tierkadavern im allgemeinen geschieht.

Und das ist die Antwort: Die Tierkörperbeseitigung der Gemeinde sammelt alle Tierkavader, derer sie habhaft werden kann, in stinkenden Grosscontainern in Simmering. Rund 5.000 Hunde und 6.400 Katzen waren es im Jahr 2006, dazu Hamster und Zierfische, landwirtschaftliche Nutztiere, immerhin 160 Pferde, 59 Schafe, 14 Ziegen und fünf Rinder.

Die männlichen und weiblichen Tierleichen werden nach einem Anruf innert von 24 Stunden von Sammeltranportern abgeholt; für private Tierbesitzer ist dieser Service gratis. Vom Kadaversammelplatz Simmering gelangen die toten Tiere dann in eine Aufbereitungsanlage ins nahe Burgenland. Dort werden die Körper durch Erhitzen sterilisiert und zu Tiermehl oder -fett verarbeitet. Das gewonnene Material findet sich später als Werkstoff in der Zementmittelindustrie wieder – Tierfutter oder Seife wird keines mehr daraus gewonnen.

Für Tierbesitzer, denen das zu pietätlos oder zu wenig sentimental ist, gibt es freilich Alternativen. Die reichen vom stadtnahen Hunde- und Kleintierfriedhof bis zur eleganten Feuerbestattung. Für den Menschen hat die Methode seit 1925 lokale Tradition. Seit 1992 können nun auch seine tierischen Freunde in einem Wiener Tierkrematorium verbrannt werden.

Die Einäscherung erfolgt bei 1.000 Grad Celsius; Angehörige haben die Gelegenheit in einem eigenen Aufbahrungsraum mit Stühlen und Rednerpult eine würdige Zeremonie zu veranstalten.

Dieses Angebot nehmen immerhin 100 Hinterbliebe von Hunden, Katzen und Meerschweinchen pro Monat in Anspruch. Die Asche wird in einer geschmackvolen Urne (ab 36,- EUR) ausgehändigt und dann von den Besitzern in der Regel zu Hause aufbewahrt oder im Garten vergraben. Die Kosten für den Abschied via Einäscherung werden nach Gewicht verrechnet (72,- EUR bis zwei Kilogramm Kadavergewicht).

Und nun zurück zu den Haien. Exotische Tiere aus Zoo, Zirkus und Aquarium sind im Tod grundsätzlich gewöhnlichen Wellensittichen und Kanalratten gleichgestellt. Allein, diese Edelexemplare der Evolution landen zuerst in der Pathologie der Uni für Veterinärmedizin im 21. Bezirk. Taugt die Hülle aus Feder, Fell oder Schuppen aber zu mehr, wird sie präpariert und das Stopftier landet vor weit aufgerissenen Kinderaugen in einem Museum.

Der harte Kern des tierischen Leichnams aber, das Innere aus Fleisch, Knochen oder Gräten geht den Weg alles Irdischen. Es verschwindet in irgend einem Baufundament des Neuen Europa, wie die der Camorra zu lästig gewordenen Zeugen.

© Wolfgang Koch 2007
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