Mein Freund und Redaktionskollege bei REPTILIA, TERRARIA und DRACO, Dr. Axel Kwet, ein ebenso begnadeter wie passionierter Froschforscher, ist mal wieder „im Feld“, wie das bei uns heißt. Das Feld ist weit und liegt im Süden Brasiliens. Für die Deutsche Welle und reptilia.de schreibt er über diese eine Reise von etwa vier Wochen ein Blog, das zu lesen sich unbedingt lohnt, zum einen wegen der tollen Froschfotos, zum anderen aber auch, weil es alles hat, was mich an leidenschaftlichen Biologen begeistert.
Die Reise scheint durchaus einige Widernisse bereit zu halten …
… denn ein ordentlicher grippaler Infekt hat mich noch kurz vor dem Abflug erwischt, und so musste ich gestern auch mit Fieber ins Flugzeug einsteigen.
Dazu ein wirklich verlockendes Projekt:
Eden hat auf seinem Gelände u. a. einen ganz besonderen „Frosch“ gefunden: und zwar eine Art der Gattung der Schwarzkröten (Gattung Melanophryniscus), die ich anhand seiner Fotos nicht sicher identifizieren konnte, vielleicht sogar eine bislang unbeschriebene Art. Nun haben wir ausgemacht, dass ich ihn für eine Nacht besuche, um mir vor Ort ein Bild zu machen – aber nur, sofern das Wetter gut genug ist. Gut genug heißt für Schwarzkröten, möglichst tagelanger Starkregen. Zwei Tage Trockenheit (kurze Regengüsse zählen als „Trockenheit“), und alle Schwarzkröten sind wie vom Erdboden verschluckt.
Ein paar Hindernisse unterwegs:
Am Strand hat der Tornado reihenweise Häuser abgedeckt und z. B. auch eine Schule zum Einsturz gebracht. In Rio Grande do Sul sind sieben Personen durch herabstürzende Ziegel, Bäume usw. erschlagen worden, und ganz besonders tragisch, ja bizarr, mutet der Fall eines Feuerwehrmannes im Hilfseinsatz an. Der Mann ist beim Zerteilen von Ästen und Bäumen auf der Straße abgerutscht und in die laufenden Messer seiner Motorsäge gefallen – ihm war nicht mehr zu helfen. Und ich habe von all dem gar nichts mitgekommen, ich saß nämlich zu der Zeit noch abgeschottet in den fensterlosen Kellerräumen der PUC-Universität – bis das Licht ausging, während ich grade meinen letzten Blogeintrag schrieb.
Auch die Anreise ins Gebiet verläuft interessant:
Zweimal gerate ich sehr ins Schwitzen, denn vermeintliche Seilreste auf der Straße entpuppen sich beim Drüberfahren als Stromkabel, mit den dazugehörigen Masten, die seitlich im Gebüsch liegen! Dann taucht hinter mir im Rückspiegel, wie aus dem Nichts, ein kleinerer LKW mit enormer Geschwindigkeit auf. Offenbar will er seinen Schwung in den Anstieg „mitnehmen“ und die ganze Kolonne schnell noch überholen. So „schießt“ er also links an mir vorbei, während sich im selben Moment der PKW vor mir entscheidet, ebenfalls noch schnell einen Teil der Kolonne zu überholen und daher nach links auszuscheren. Im letzten Moment gelingt es dem LKW-Fahrer noch, mit einem Ruck noch weiter nach links zu ziehen, wo es ausnahmsweise mal sogar eine Art Standstreifen gibt. So gerät der LKW zwar heftig ins Schlingern, der Fahrer kann das Fahrzeug aber wieder unter Kontrolle bringen und überholt mit dem Restschwung sogar noch einen weiteren PKW.
Aber es lohnt doch:
Die Schwarzkröten hier sind einfach fantastisch! Unglaublich! Freund Eden, ich danke Dir! Für mich ist das eine neue Art, die ich in den bald 15 Jahren meiner Forschungstätigkeiten in Brasilien bisher nie finden konnte. Man braucht aber wirklich sehr viel Glück und noch mehr schlechtes Wetter, um Schwarzkröten zu finden. Jedenfalls ein ganz wunderbares Erlebnis, das bei den extremen Wetterbedingungen aber fast schon vorauszusehen war: ganz viele rufende Männchen (nicht quakend, sondern eher leise trillernd), dazu einige Pärchen im sog. Amplexus (Paarungsumklammerung) und auch Kaulquappen zusammen in einem kleinen Bächlein! Wir haben dieses Jahr ein sog. El-Nino-Jahr, und in diesen in Süd-Brasilien dann sehr nassen Jahren blühen die Schwarzkrötchen so richtig auf. Allein diese Nacht war die Anreise aus Deutschland zweifellos wert!
Zweifellos! Unbedingt weiter lesen!