vonClaudius Prößer 16.11.2009

taz Blogs


Willkommen auf der Blogplattform der taz-Community!

Mehr über diesen Blog
Das hat bislang noch kein chilenischer Film geschafft: „La Nana“ von Se­bas­tián Silva wurde nicht nur beim Sundance Festival 2009 prämiert, sondern hatte in den USA bis Anfang November bereits knapp 150.000 Dollar eingespielt. Schon deswegen fand Regisseur Silva, sein Werk habe verdient, als chilenischer Kandidat für den besten ausländischen Film der Oscar-Akademie ins Rennen zu gehen. Aber die zuständige Jury nominierte Miguel Littins „Dawson – Isla 10“, und seitdem gibt es viel böses Blut unter Chiles Cineasten.

Silva versuchte Littin mit einem nächtlichen Telefonat davon zu über­zeu­gen, seinen Film zurückzuziehen, der war selbstverständlich tief ge­kränkt, und mancher unterstellte der Jury, sich vor einen politischen Kar­ren spannen zu lassen. Dabei bedurfte es gar keiner Einflussnahme von oben, um „Dawson“ durchzusetzen, den Film, der von dem Lager erzählt, das die Militärs nach dem Putsch von 1973 für hochrangige Politiker der Unidad Popular auf einer patagonischen Insel einrichteten. Der Film ist alles andere als herausragend, aber Oscar-Juroren sind eben leichter mit groß angelegten Dramen und Durchhaltegeschichten zu beeindrucken, als mit kleinen, psychologisch exakten Gesellschaftsstudien.

Wie auch immer – an dieser Stelle sei jedenfalls eine schöne neue Web­site emp­fohlen: „Cine Chile“, die „Enzyklopädie des chilenischen Films“ hat sich zur Aufgabe gemacht, ein möglichst komplettes und über­sicht­li­ches Archiv aus technischen Daten, Kritiken, Interviews und Trai­lern bereitzuhalten. Das hat der chilenische Film auch längst verdient, der in den vergangenen beiden Jahrzehnten mehrere Dutzend Premieren junger Regisseure erlebte – auch dank vergleichsweise üppiger Förderung durch die staatliche BancoEstado. Darunter war viel Seichtes und auch hand­werk­lich Schlechtes, aber mit der Zeit kristallisieren sich Namen und Ge­sich­ter heraus, die eine spannende eigene Sprache sprechen. Wer sich für den chilenischen Film interessiert, für den ist „Cine Chile“ ganz gro­ßes Kino.

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/boeses_blut_im_kino/

aktuell auf taz.de

kommentare