vonHelmut Höge 23.08.2009

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Es gibt noch andere Sommer-Veranstaltungen in Brandenburg – außer zum Mauerbau und Mauerfall…

Vorbemerkung:

Nach der Gründung des Staates Israel kamen verstärkt jüdische Einwanderer ins Land. Sie wurden in ihren Herkunftländern buchstäblich freigekauft. Bulgarien und Rumänien z.B. verlangten 1000 Dollar pro Kopf. Viele wurden in palästinensische bzw. arabische Dörfer angesiedelt, deren Bevölkerung man zuvor vertrieben hatte oder die geflohen waren. Die meisten jüdischen Neusiedler hatten jedoch „keine Ahnung, wie sie das Land, das man ihnen zugeteilt hatte, kultivieren und was sie mit dem Vieh und Geflügel anfangen sollten, das man ihnen gegeben hatte,“ schreibt der israelische Historiker Tom Segev. In der Knesset erklärte David Ben-Gurion 1950 warum:

„Früher haben wir einen Einwanderer erst nach jahrelangem Training ins Land gebracht. Wir hatten auf der ganzen Welt Pionierhöfe gegründet, und dort behielten wir die Pioniere mehrere Jahre lang, damit sie sich auf das Leben und die Arbeit vorbereiteten und die Sprache und das Land kennenlernten, bevor sie überhaupt herkamen. Jetzt bringen wir die Juden ins Land, wie sie sind, ohne jede Vorbereitung…weil wir nicht die Zeit haben und sie nicht die Zeit haben…“

Auf einem der ehemaligen „Pionierhöfe“ in Brandenburg fand vor einigen Tagen eine Ausstellungseröffnung statt, die noch einmal an diese Geschichte erinnerte…

Dazu hieß es vorab in der holz-taz:

Am 15./16.August findet in Neuendorf im Sande (bei Fürstenwalde) eine Veranstaltung zur jüdischen Geschichte des dortigen Gutshofes statt. Nach der von der SPD niedergeschlagenen Revolution 1918 durften immerhin die Juden Land kaufen und Landwirtschaft betreiben. Der Berliner Unternehmer Hermann Müller erwarb damals das 245 Hektar umfassende Anwesen. Ab 1932  befand sich dort ein landwirtschaftlich ausgerichtetes Schulungslager, in dem Juden sich auf die Auswanderung nach Palästina – in einen Kibbuz – vorbereiteten. Schon bald gab es immer mehr solche Einrichtungen. Die Sozialdemokraten, Gewerkschafter und Kommunisten lehnten sie ab, weil die dort Arbeitenden vom Gutsbesitzer ausgebeutet werden würden.  Als 1933 die Diskriminierung der Juden in Deutschland wie beabsichtigt zunehmend unerträglicher  wurde, gründete sich in Charlottenburg die „Jugend-Alija“ (hebr. für „Rückkehr ins Gelobte Land“, wörtlich „Aufstieg“), sie übernahm die pädagogische Betreuung der Neuendorfer „Hachscharah“ (hebr. für „Vorbereitung“). Gemäß des „Chaluz“-Ideals (hebr. für „Palästina-Pionier“) sollte die Ausbildung  der auf dem Gutshof lernenden und lebenden Juden, unter ihnen auch viele Erwachsene, diese nicht nur fit für eine Arbeitsstelle dort machen und ihnen damit die Bewilligung eines englischen Einreisevisums nach Palästina erleichtern, sie sollten vielmehr das Bauern-Werden als Berufung begreifen. Es stand allerdings nicht die Qualifizierung zum Einzelbauern, der sich ökonomisch geschickt des kapitalistischen Agrarmarktes bedient, auf dem Lehrplan, sondern das Arbeiten und Leben in einem Landwirtschaftskollektiv. Dazu wurde die Berliner Montessori-Pädagogin Clara Grunwald als Lehrerin geholt.

Auf der Gutshofveranstaltung sind dazu jetzt einige Photos des Pressephotographen  Herbert Sonnenfeld aus dem Jahr 1934 zu sehen. Es gab solche Pionierlager zur Vorbereitung auf die „Kollektiv-Siedlungen“ in Palästina schon seit der Jahrhundertwende – nach jedem Pogrom, kann man vielleicht sogar sagen. Den ersten „Kibbuz“ (das Wort wurde von dem aus Galizien stammenden Dichter Jehuda Ja’ari geprägt) gründete eine zionistische Gruppe aus Weißrussland „Degania A“ im Oktober 1910 am See Genezareth.

In Russland hatten die Dörfer – Obschtschinas – bereits seit Jahrhunderten ihr Land gemeinschaftlich bewirtschaftet, sie wurden auch kollektiv besteuert. Mit der Revolution wurden daraus zunächst vollends selbstverwaltete Kibbuzim – partisanische  Wehrdörfer. Als die Bolschewisten ihre Macht gefestigt hatten, begannen sie damit, die Dörfer staatlich zu durchdringen und also wieder zu zersetzen. Die berühmte „Zwangskollektivierung“ war auch und vor allem eine Dekollektivierung. Nicht wenige sowjetische Schriftsteller, allen voran Andrej Platonow, haben vor dieser die Bauern entmündigenden und das Dorf zerstörenden Entwicklung, die vornehmlich auf die Technik setzte,  gewarnt. Ihre Bücher wurde daraufhin nicht mehr gedruckt. Stalin schrieb an den Rand eines der Manuskripte von Platonow: „Schweinehund!“

Zuletzt – während der   „Perestroika“ (Umbau) – riet jedoch der letzte Generalsekretär der KPdSU (B), Michail Gorbatschow, den inzwischen völlig demoralisierten Kolchosen, sich selbst noch einmal umzugestalten – diesmal nach dem Vorbild der israelischen Kibbuzim. Das sollte zu einer Zeit geschehen,  da die israelische Kibbuz-Bewegung selbst in eine schwere  Krise geraten war – ein Kollektiv  nach dem anderen löste sich in durchamerikanisierte Geschäftsbereiche und -gebaren auf. Die einzige Neugründung wagten 1991 einige jüdische Russen mit dem Kibbuz „Pelekh“ bei Haifa. Der hochverschuldete Kibbuzverband „Artzi“ unterstützte ihre Initiative großzügig: Sie war die erste wieder seit zwölf Jahren. 90% ihrer Mitglieder hatten einen Hochschulabschluß, die meisten wollten nicht in der Landwirtschaft arbeiten, aber „wir haben auch keine feste Ideologie“,  meinte Theresia Tarasiuk, Gründerin, Managerin und Sekretärin des „russischen“ Kibbuz. „Wir suchen auch nicht nach den idealen Kibbuzniks, es genügt bereits, wenn niemand hier dem Kibbuz Schaden zufügt.“ Die Mitglieder  wollen jedoch vorerst unter sich – unter Russen – bleiben. Ihre Satellitenschüsseln haben sie nach Moskau ausgerichtet.

Die „Hachscharah“ in Neuendorf im Sande  war nach 1933 eins  von 26 Vorbereitungslagern in Deutschland. Es nahm bald auch die „Schüler“ aus der „Hachschara“ in Ahrensdorf bei Trebbin, vom Gut Winkel bei Fangschleuse und von Niederschönhausen auf. Die anderen Pionierlager mußten dem „Reichsarbeitsdienst“ übergeben werden. Das Gut Neuendorf kam wegen besitzrechtlicher Unsicherheiten erst 1941 unter die Aufsicht eines SS-Wirtschaftsoffiziers in Fürstenwalde, zuvor war bereits über die Hälfte der Ländereien  für den Bau eines Militärflughafens requiriert worden. Dieser ist noch heute in Betrieb. Kurzzeitig wurde erwogen, alle Juden in  Madagaskar anzusiedeln, die in Neuendorf sollten sich schon mal darauf vorbereiten. Aber auf der  Wannseekonferenz Anfang 1942 beschloß man stattdessen, die Juden zu vernichten. Aus der Hachscharah machte man erst einmal ein Zwangsarbeitslager.

So wurde z.B. einer ihrer „Schüler“ – der spätere Entertainer des Deutschen Fernsehens, Hans Rosenthal – als Friedhofsgärtner in Fürstenwalde eingesetzt. Von dort aus gelang ihm die Flucht in eine Schrebergartensiedlung in Lichtenberg, wo er überlebte. Der letzten Berliner Leiterin der Jugendalija, Elli Freund, gelang 1935 die Ausreise nach Palästina, wo sie als Ärztin arbeitete. Als Rentnerin zog sie später zurück nach Berlin.

Der letzte Transport aus Neuendorf in die Vernichtungslager wurde im April 1943 zusammengestellt. Clara Grunwald begleitete die ihr anvertrauten Kinder nach Auschwitz in den Tod. Dort starb wenig später auch der letzte jüdische Gutsverwalter Martin Gerson, ein ausgebildeter Gartenfachmann, den man mit Frau und Kindern zunächst in das KZ Theresienstadt deportiert hatte.

Die DDR machte aus dem Anwesen in Neuendorf nach dem Krieg ein „Volksgut“ (VEG). Dessen letzter Verwalter, Georg Weilbach, brachte im „Perestroika“-Jahr 1988, anläßlich des 50. Jahrestages der sogenannten „Reichskristallnacht“ – des Pogroms von 1938, eine Gedenktafel am ehemaligen Schloßgebäude an (leider mit einer falschen Zeitangabe). Der Verwalter ist inzwischen gestorben, seine Frau Ruth kümmert sich jedoch seitdem um die jüdische Vergangenheit des Gutshofes. So unterstützt sie u.a. auch diese Veranstaltung jetzt.

Nach 1945 gründeten sich erneut eine Reihe von Hachscharas in Deutschland (u.a. bei Fulda und in der Rhön) – zumeist von Überlebenden aus den KZs sowie aus der osteuropäischen Partisanenbewegung. Erneut ging es dort darum, sich auf die Ausreise nach Palästina vorzubereiten. Die dortigen Kibbuzim, die anfangs z.T. noch durchaus freundschaftliche Beziehungen zu ihren arabischen Nachbarn hatten, waren inzwischen durchweg Wehrsiedlungen geworden. Nachdem 1948 Israel gegründet worden war, stellten die partisanischen Kibbuz-Pioniere für lange Zeit das Elitepersonal in der Armee und im Staat. Der Staat Israel wurde fast sofort von den USA und der UDSSR anerkannt. Aus diesen beiden Ländern kam dann auch seit Ende der Achtzigerjahre die letzte „Alija“ (Einwanderungswelle). Einige Kibbuztheoretiker machen vor allem diese Juden für die sich seitdem verschärfende „Kibbuz-Krise“ verantwortlich. Beide Gruppen wollen von kollektivem Arbeiten und Leben nichts (mehr) wissen und begreifen alle Genossenschaftsutopien als „Ideologie“. Unter den jungen im Kibbuz geborenen, aber jetzt in der Stadt lebenden Israelis hat sich seitdem aber das Modell eines „Urban Kibbuz“ herausgebildet. Und auch in Russland sind in der Zwischenzeit wieder zigtausend neue Wirtschaftskollektive entstanden, viele knüpfen dabei bewußt an das alte „Obschtschina“-Konzept an.

Die Veranstaltung  „Hachscharah – revisited“ auf dem Gut Neuendorf  wird von der Gruppe „Landkunstleben“ im Nachbardorf Buchholz organisiert. Sie gehört dem märkischen „Netzwerk Raumumordnung“ an und bewirtschaftet ansonsten den Schloßgarten in Steinhövel künstlerisch. U.a. indem sie mit der Aktion „Wir beeten für sie“ etlichen Städtern ihren Wunschgarten erfüllt – auf jeweils 9 Quadratmetern. Zu ihrer Veranstaltung in Neuendorf gehören auch einige Kunstwerke – von Jörg Schlinke, Sybille Höfter und Claudius Wachtmeister. Ersterer wird eine „Erdskulptur“ zum Thema beisteuern. Letzterer ließ sich dazu drei „Projekte“ einfallen, nachdem er sich im Potsdamer „Moses-Mendelsson-Zentrums für europäisch-jüdische Studien“ sowie im Berliner „Bauhaus-Archiv“ mit Material versorgt hatte:

1. stellte er an einem Feld ein Bauschild auf, mit dem die baldige Entstehung eines „Haus der Pionierinnen“ an Ort und  Stelle angekündigt wird:

2. ließ er in der Bushaltestelle des Gutshofs die Bank entfernen und stattdessen einen Gewerbestand aufbauen, an dem fortan kostenlos Obst und Gemüse aus Israel angeboten wird.

3. stellte er eine Diaschau mit 50 bearbeiteten Photographien zusammen, die zeigen, wie die Juden damals in Palästina ankamen – mit kleinen Containern aus Holz, die im Hafen von Haifa abgeladen wurden. In ihnen befand sich das Hab  und Gut der Einwanderer, im Kibbuz angekommen diente es ihnen als erste Unterkunft.

Noch heute stehen in dem einen oder anderen Kibbuz diese Container herum, von denen Claudius Wachtmeister behauptet, dass es sich dabei um die ersten Container überhaupt gehandelt habe. Aus Russland kamen die jüdischen Siedler zuletzt  nicht selten mit Metallcontainern an. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion wandern nun Griechen aus dem Kaukasus und der Krim wieder mit solchen Holzcontainern aus – nach Griechenland. Zunächst sind diese allerdings voll mit Handelsware, dass die Auswanderer in den Häfen an der Schwarzmeerküste nach und nach verkaufen. In Griechenland angekommen dient ihnen der inzwischen leere Container dann als eine erste Notunterkunft. Die heutigen illegalen israelischen Wehrdorfsiedlungen auf palästinensischem Land, zumeist von Amis aus Brooklyn, wie Amos Oz meint,  bestehen anfänglich zumeist ebenfalls aus Wohncontainern – allerdings aus sehr komfortablen, sie werden dann zudem sehr schnell von der Armee an die Strom- und Wasserversorgung angeschlossen.

In Brandenburg nehmen die seit der Wende 1989/90 an der Gründung von legalen Landwirtschaftskollektiven Interessierten dafür gerne alte Wohn- und Bauwagen. Letztere konnte man nach der Wende billig aus der Konkursmasse pleite gegangener  LPGen erwerben. Die EU fördert in Ostdeutschland iund nicht nur dort nzwischen solche Agrarkooperativen. Und so steht denn auch diese Erinnerungsveranstaltung auf dem Gut Neuendorf durchaus in einem Spannungsverhältnis zu dem, was aktuell auf dem Land passiert.

Zudem werden hier noch immer in den neuen Landkommunen die alten Kibbuz-Probleme diskutiert. Anfang August 2008 druckte die Schweizer „WOZ“ (Wochenzeitung) ein  Porträt der Landkommune in Niederkaufungen bei Kassel, in dem 1987 gegründeten Kollektiv leben und arbeiten 60 Erwachsene und 30 Kinder. Man wollte „gemeinsam über Grund, Boden, Häuser und Produktionsmittel verfügen“ als „Chance, unsere Utopien angehen zu können“. Anstelle von Leistungsdenken und Ausbeutung in der kapitalistischen Arbeitswelt sollte ein „solidarischer Umgang miteinander“ treten. Viele KommunardInnen arbeiten in Bereichen, in denen sie über eine entsprechende Ausbildung verfügen. Monotone Arbeit lehnen sie ab. Der Arbeitsprozess in der Kommune ist geprägt vom Wunsch der Leute, auch Spass an der Arbeit zu haben. Das eröffnet immer wieder neue Arbeitsfelder, bringt aber auch Probleme mit sich: So wirkt die grosse, modern eingerichtete Schreinerei ziemlich verlassen. Nur ein Schreiner werkelt derzeit vor sich hin. „Vor ein paar Jahren arbeiteten hier noch acht Leute.“ Doch die sind teilweise aus der Kommune ausgezogen oder haben sich auf neue Arbeitsgebiete verlegt. Ein Grundsatz der Kommune lautet, keine Angestellten zu beschäftigen. Wer aus der Kommune austritt, erhält einen zu Beginn festgelegten Geldbetrag als Übergangsfinanzierung. Dieser Betrag hängt etwa von den beruflichen Aussichten und den Verpflichtungen gegenüber Kindern ab. Entscheidungen werden einmal in der Woche auf dem Plenum gefällt. Es gilt das Konsensprinzip. Einigt man sich nicht, wird in Kleingruppen weiterdiskutiert. Grössere Themen gelangen nur vorbereitet in die grosse Gruppe. Anträge sind an Aushängen im Gemeinschaftsraum angeschlagen.

Die israelischen Kibbuzim befinden sich seit Mitte der Achtzigerjahre in einer „Krise“, immer mehr lösen sich auf, an eine Diskussion zwischen ihnen und ähnlichen landwirtschaftlichen Projekten in anderen Teilen der Welt ist vorerst nicht nicht mehr zu denken. Aber bis zu Beginn der Achtzigerjahre gab es solche Treffen noch:

1981 fand z.B. in Tel Aviv ein „Kommunetreffen“ statt, organisiert und durchgeführt von einigen Kibbuzim. Aus der BRD reiste eine Landkommune aus der Nähe von Kassel und eine Gruppe aus der Frankfurter Arbeitslosenselbsthilfe Krebsmühle“ (ASH) an, sowie die Schriftstellerin Ulrike Kolb. Am Treffen nahmen außerdem noch einige Leute aus der kanadischen Landkommune „Twin Oaks“, vier Longo Mai-Kommunarden, die Mitglieder einer belgischen und einer französischen  Kommune, ein Genosse aus Italien und einer aus dem dänischen „Freistaat Christiania“ sowie ein Mitglied einer neuseeländischen Landkommune teil. Und natürlich viele Kibbuzniks, die während der Tagung die Hauptreferate hielten.

Ein immer wiederkehrender Punkt der Auseinandersetzung war die Betonung der Wichtigkeit der ökologischen Betrachtungsweise seitens der ausländischen Gäste und der von ihnen kritisierte allzu lässige Umgang der Kibbuzim mit Pestiziden, Herbiziden, etc. so- wie Kunstdünger. Die Gäste kamen fast alle aus antistaatlichen Projekten, während sich die Kibbuzim bewußt als Keimzellen des israelischen Staates verstehen (so ähnlich wie hierzulande die Familie angesehen wird). Von den Kibbutzniks wurde immer wieder die Frage der Ökonomie angeschnitten. Dabei stießen insbesondere die Longo-Mai-Leute auf Kritik, die sich strikt weigerten, die finanziellen Quellen ihres 30 Millionen Mark-Projekts aufzudecken (es handelte sich dabei um Leute aus einem österreichischen Longo-Mai-Pionier- Holzfällerlager-Projekt, das dazumal von der ältesten Tochter des marxistischen Erkenntnistheoretikers Alfred Sohn-Rethel initiiert und geleitet worden war, sie hatte vorher lange in einem israelischen Kibbuz gelebt und gearbeitet.) Es kamen aber auch noch andere Probleme zur Sprache in Tel Aviv: Neue Beziehungen zwischen Männern und Frauen, die Kindererziehung und die Organisation der Arbeit, ferner das so genannte Generationsproblem (30 bis 50% der im Kibbuz Geborenen verlassen diesen irgendwann).

Zu den erregtesten Debatten kam es in Tel Aviv auf dem Kommunetreffen, als der Genosse aus Christiania darüber berichtete, daß und wie sie dort mit Fixern, Kiffern, Punkern, Rumhängern, Dropouts, Pennern, etc. zusammenleben würden, zusammenleben müßten in gewisser Weise. Die meisten Kibbuzniks hatten für die Tolerierung derartiger „Laster“ wenig oder gar kein Verständnis. Es hat lange gedauert, bis sie in diesen Pionier- und Wehrsiedlungen überhaupt Künstler akzeptierten. Ein von der Landarbeit freigestellter Künstler, der in einem Kibbuz bei Haifa lebt,  und aus Mexiko stammt („dort war ich immer der Jude, hier bin ich für den Rest meines Lebens der Mexikaner“), meint, dass die Kibbuzniks zwar einen hart arbeitenden Künstler, wenn er mit Hammer und Meißel auf riesige Steine losgeht, durchaus anerkennen, aber wenn er zu leise arbeitet oder gar bloß nachdenkt, dann werden sie sofort mißtrauisch: ‚der faulenzt auf unsere Kosten‘. Der mexikanische Künstler baute sich einen alten Kibbuz-Hühnerstall als Atelier aus und arbeitet vorwiegend mit Lehm. Seine Objekte sind inzwischen international anerkannt, dadurch kommt Geld in die Kibbuzkasse, wie er Sabine Vogel und mir  Ende 1987 in der Kibbuz-Kunstakademie Tel Hai, nahe  der libanesischen Grenze erzählte.

Poller als Heckenschutz bei Fürstenwalde. Photo: Peter Grosse

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