vonWolfgang Koch 02.08.2011

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Müssen Verbrecher denn dumm sein? Keineswegs, und so auch der politische Verbrecher nicht. Von einem Terroristen, vom altruistischen Verbrecher, darf man sogar mit einer gewissen Berechtigung annehmen, dass er seine Taten begründen und verantworten kann: vor seinen Feinden, vor den Sympathisanten, vor den unbeteiligten Zuschauern und schließlich auch vor sich selbst.

Der norwegische Polizeisprecher Pål Hjort Kraby bezeichnete den geständigen Attentäter Breivik als »mehr als willig, alles zu erklären«. – Nun, der Mann braucht sich nicht zu äußern, schon gar nicht vor Richtern, die der selbsternannte Limeskämpfer als Speerspitze seiner »multikulturalistischen« Gegner ansehen wird. Seine Begründungen für das Morden sind für die Beurteilung der Tat moralisch und rechtlich gesehen irrelevant.

Wenn Breivik den abscheulichen Mordgalopp dennoch in Wort und Schrift als logische-experimentellen Beweis einer Weltanschauung darstellt, so hilft uns das vielleicht in Zukunft ähnlich tickenden Extremisten frühzeitig auf die Schliche zu kommen und weiteren Gewaltexzessen vorzubeugen: durch polizeiliche Überwachungs- und Abwehrmaßnahmen.

Allein, diese die Hoffnungen auf diesem Gebiet sind äußerst bescheiden. Sie tendieren gegen Null. Gegen einen mit Intelligenz ausgestatteten Verschwörer gibt es in der Massengesellschaft keinen effektiven polizeilichen Schutz. In Österreich, dem berühmten Land der Kellerleichen, rufen Regierungspolitiker jetzt unverdrossen nach schärferen Anti-Terrorgesetzen, murmeln etwas von der »Überwachung des Internets«, als stünden die User wie ein samstägliches Demonstantengrüppchen auf dem Marktplatz beisammen.

Zum Thema »Terror in der Massengesellschaft« wäre heute eine Menge von der Medientheorie zu lernen, die ja nirgends mehr den Sender allein für die vermittelte Botschaft verantwortlich macht, sondern unsere Aufmerksamkeit auf die Form des Mediums selbst lenkt.

Solange wir in großen Ballungsräumen zusammen leben, solange sich Menschen in Mengen unbewaffnet an bestimmten Plätzen aufhalten oder in Gruppen von einem Ort zum anderen transportiert werden (Reisen), ist ihr Leben nun einmal höchst gefährdet. Die Menschheit sitzt in einem gigantischen Feldlager von in relativer Ruhe verharrenden Nomaden, und das wird sich die nächsten paar hunderttausend Jahren vermutlich kaum ändern.

In einem Briefverkehr mit Heinrich Köselitz, in dem sich die beiden Schriftsteller über Schreibwerkzeuge unterhielten, notierte Friedrich Nietzsche die denkwürdigen Worte: »Sie haben recht – das Schreibzeug arbeitet mit unseren Gedanken«.

Genau in diesem medialen Sinn, in dem die Tuschfeder oder die Schreibmaschine Anteil hat am Ergebnis des Geschriebenen, arbeiteten auch Sprengmittel und verheerende Waffen mit am Terrorwerk eines Ted Kaczynski oder eines Brevik.

Die Sphäre der Technik ist keine Sphäre des Friedens, der Verständigung und der Versöhnung. Gewiss, die Allerweltsphrase, dass uns die Technik beherrscht, ist grundfalsch. Aber auch das Gegenteil lässt sich nicht ohne Verblendung behaupten. Wahr ist vielmehr, dass uns die Technik nirgends neutral gegenübersteht.

Jeder Terrorist wird im Lauf der Vorbereitungen des Schreckens, den er verbreiten will, sich selbst eine technische Aufgabe, die fremd vor der Automatik anderer Leben abrollt. Das zeigt der protokollarische Übereifer, mit dem Breivik und der österreichische Briefbombenattenttäter Franz Fuchs ihre logistischen Schritte (Einkäufe, Handgriffe, Probesprengungen) in den Bekennerschriften festgehalten haben.

Die Tatsache, dass es verheerende Gewaltmittel gibt, hat einen Anteil am Einsatz dieser Mittel gegen Menschen, – und wenn wir Nietzsche folgen, sogar bis hinein in den ethnizistischen Wahn, der dem Islamverächtern Breivik zur Rechtfertigung dient.

Dass in der heutigen Zeit so wenige Atomwaffen gezündet werden, ist kein Gegenbeweis zu dieser These. Breivik verlangt ja von den »Tempelrittern« in seiner Nachfolge ausdrücklich den strategischen Einsatz von nuklearen Massenvernichtungswaffen ab dem 1. Jänner 2020, um die »islamische Invasion« rückgängig zu machen.

Für den etwas weniger verständnisbereiten Teil meiner Leserschaft, für die schwerfüßigen Haudegen im Publikum, füge ich noch vorsichtshalber hinzu: Der Umstand, dass die Gewaltmittel den Terroristen und sein Phantasma mitformen, enthebt Breivik keine Sekunde von seiner Verantwortung.

© Wolfgang Koch 2011

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