ANTIISLAMISMUS Sammelbegriff für Widerstand gegen den Islamismus, der entweder als a] unverbesserliche Hass- und Gewaltreligion, b] gefährliche Terrorideologie, od. c] bekämpfenswerte Pervertierung einer an sich guten u. richtigen Idee (Fundamentalismus) gedacht wird. Schärfste Formulierung: nicht Breiviks mordlüsterne Bekennerschrift 2011, sondern die von der US-Regierung Bush 2002 beschlossene völkerrechtswidrige Doktrin des preemptive war, des »vorbeugenden Krieges gegen Nationen«, die eine Bedrohung für die US-Sicherheit darstellen.
FANATISMUS Von lat. fanaticus, begeistert, rasend; uspr. für einen der vielen röm. Götter schwärmend. – Aus der übergroßen Zugewandtheit zu den Lehren des Koran entsteht Gewaltbereitschaft entweder a] für od. b] gg. den Prozess einer Islamisierung. Kennzeichen: ewige Rechthaberei. Der Fanatiker ist unduldsam, kompromisslos; von blindem Eifer getrieben, tritt er laut für sein persönl. Melodrama aus wirren Gedanken ein; er gebärdet sich chauvihaft u. machoerprobt. »Wer nicht für Allah ist, ist gg. ihn«, bzw. umgekehrt: »Wer nicht gg. Allah ist, ist für ihn«. Symb.: Sprengstoffgürtel, Templerkreuz.
FUNDAMENTALISMUS Stigma gg. abweichende Meinungen. Urspr. eine relig. Selbstbezeichnung protest. Christen in den Weiten der amerikanischen Prärie. Häufig apokalyptisch, immer humorlos, nirgends unzuständig; F. klagt die »Verworfenheit« der Menschen pointiert an. In der Glaubensvariante muss unbedingt das Religiöse das Weltliche dominieren. Der Gläubige ruft seine Gottheit als Anführer der eig. Seite an; individ. Glaubensfreiheit wird nicht anerkannt – alle Gewalt kommt von einer außerweltl. Instanz. Der Fundamentalist besitzt ein wachsames Auge für alles von seiner Meinung Abweichende. Sein Hauptfeind: der Verräter in den eig. Reihen. Davon abgeleitet: islamo-fundamentalistisch, fundamental-islamisch, christlich-fundamentalistisch, usw. Vgl. Salafismus.
DSCHIHADISMUS Nach Dschihad od. Jihad, relig. Grundpfeiler, Säule od. Glaubenspflicht im Islam: die Anstrengung des Gläubigen auf dem Weg zu Gott. Die persönl. Mühe Allah zu gefallen wird von Fanatikern als kollekt. Pflicht der Männer zur militärischen Expansion der Religion ausgelegt. Diffizile Unterscheidungen in großen (inneren) u. kleinen (äußeren od. immerwährenden) Dschihad, sowie in Verteidigung und Angriff, spielen in der waffenstrotzenden Variante keine Rolle mehr. Allerdings ist das Synonym »Hl. Krieg« eine unzulässige Projektion aus den Kreuzzügen in den Islam. Märtyrerhelden: Hijacker, Selbstmordattentäter.
ISLAMFEINDLICHKEIT Polit. Schlagwort im Sinn von »Ausländerfeindlichkeit« (Xenophobie). Verkürzt die Ablehnung des Fremden auf einen Glaubenskonflikt od. auf den »Clash der Kulturen«, in dem Koran-Zitate zur Stellung der Frau, der Ungläubigen, dem Gesetz der Scharia und dem Expansionsauftrag des Islam (Dschihad) als Quelle des Bösen angesehen werden. Kreiert Angstszenarien u. Verschwörungstheorien. Sammelt Vergehen u. Verbrechen die Moslems begangen haben, in der Berichterstattung, um diese polemisch gg. Zuwanderer zu verwenden. Zielt als Vorwurf selten auf eine gleichberechtigte Diskussion der Ungereimtheiten mit Muslimen, noch seltener auf die Überwindung der Konfrontation durch das christl. Gebot der Feindesliebe, umso öfter dafür auf eine Polarisierung (Verkriegerung) des Verhältnisses zu den Andersgläubigen. S. a. Muslimenfeindlichkeit.
ISLAMHASS Einziger heute gesellschaftlich geduldeter Rassismus. Wo ihm Demokraten offen entgegentreten, stigmatisieren diese Ablehnung meist auch jene berechtigten islamkritischen Positionen, die offenkundig totalitäre Tendenzen der islamistischen Ideologie ablehnen. Der Vorwurf der I. stilisiert Befunde zur missglückten Integration von Migranten im Zuwanderungsland um in eine »Hetze gg. muslimische MitbürgerInnen«. In den Augen rechtsgerichteter Antiislamisten wiederum eine Bezichtigung der Verharmlosungs- und Relativierungsindustrie, die von Linken und Liberalen dominiert wird (»gleichgeschaltete Presse«).
ISLAMISIERUNG Kampfbegriff einer Politik des Verdachts – ein »Volkssport im Internet« (Deniz Yücel). Vereint seit dem Platzwechsel der Himmelrichtungen 1989 die Neue Rechte in Europa: der »barbarische Feind« droht jetzt nicht mehr aus dem Osten, sondern aus dem Süden. Unter I. versteht man die Einführung des Islam in nicht muslimisch geprägten Ländern. Unterstellte Antriebsmotive: arab. Überlegenheitsstreben, islamischer Expansionismus, Einschleusung u. Infiltration fremder Kulturen, Mulikulturalismus u. Gleichmacherei, muslimischer Widerstand gg. Assimilation, die Sorge um das Ende europäischer Ethnien. Lieblingsvokabel: Identität. Immer »schleichend«, immer »unaufhaltsam«, häufig festgemacht an der Häufigkeit des Vornamens von Neugeborenen. Die I. Europas wird nach Breivik nicht etwa billigend in Kauf genommen, sondern von sozialdemokratischen u. konservativen Regierungen aktiv betrieben.
ISLAMKRITIK Überbegriff für alle Arten von Skepsis gegenüber dem moslemischen Anteil an der Weltkultur: reicht von der inner-islamischen Korankritik (Gelehrtenstreit) über säkulare Religions- und Ideologiekritik bis hin zu extrem islamfeindlichen, antiislamischen und islamophoben Positionen. Im Mittelpunkt des Diskurses stehen a] Rechtsgültigkeit der Normen u. Gesetze der Scharia; b] Integrationsfragen wie Moscheenbau, Religionsfreiheit, Geschlechtertrennung, Zwangsverheiratung, Ehrenmorde, Schächten von Tieren; c] Nahostpolitik, dschihadistischer Terrorismus. Unter dem Stichwort I. fand im letzten Jahrzehnt europäische Rechtsextremisten aus der polit. Defensive zu einer neuen propagandistischen Einigkeit (die tradit. religionskritische Linke und der kirchen-affine Konservatismus scheuen eine direkte Verteidigung des Islam).
ISLAMISMUS Polit., relig. oder kulturell akzentuierte Überlegenheitsideologie, die eine scharfe Abgrenzung gegenüber Nicht- und Ungläubigen verlangt. Erklärtes Feindbild des Westens; nutzt die Toleranz der offenen Gesellschaft mit dem Endziel, sie zu zerstören. Fließende Übergänze zu miltanten Gruppen der Dschihadisten und Salafisten. Achtung, der Ausdruck I. entspricht nicht den Begriffen Hinduismus, Buddhismus und Christenheit; sondern den Formeln »Hindu-Fundamentalismus«, »buddh. Fanatismus« u. »christl. Fundamentalismus«. Der Sprachverhexung des Islam folgend müsste man Breivik eigentl. einem »christologischen Terroristen« nennen. – Um das Chaos perfekt zu machen, verstehen manche Autoren unter I. auch fundamentalistische Bewegungen wie die Ägyptische Moslembruderschaft u. verbinden mit dieser Begriffswahl die Hoffung, dass aus homophoben Fundamentalisten irgendwann einmal (analog zu »Christdemokraten«, »Christlichsozialen«) gemäßigte polit. Kräfte werden.
ISLAMOFASCHISMUS Von Verschwörungstheorikern gern benutzter Begriff, um wortmagisch a] moslemisch motivierten Terror, b] das islamistische Feindbild der US-Administration zu mystifizieren u. in eine ideologische Nähe zum Faschismus zu rücken. Wird mit Antisemitismus u. hist. Kontakten muslimischer Führer zu den europ. Diktatoren der 1940er-Jahre begründet.
ISMALOPHILIE Antagonismus der Islamophobie: Liebe zum Islam. Sagt auf Kosten der eig. Traditionen zu allen Sitten, Gebräuchen und Grundsätzen der Muslime ja und amen. Handelt entweder aus der Furcht, als a] nicht feinfühlig genug, b] rassistisch zu gelten. Während sich Philosemitismus häufig als »umgekehrter Antisemitismus« kritisiert lassen muss, bleibt I. dezent von dem Vorwurf verschont, nur zu akzeptieren, was Nichtmuslime an der islamischen Kultur sympathisch finden.
ISLAMOPHOBIE Anatagonismus der Islamophilie: ins Pathologische gesteigerte Kritik am Islam. Sieht sich an jeder Ecke von bis auf die Zähne bewaffneten Turbanträgern umgeben. Erklärt die Geburtenrate der Migranten zur schärfsten Waffe im Krieg der Mullahs gg. die dekadente westl. Wertegesellschaft. Vermeintliche Hintermänner: Multikulturalisten. Der paranoide Attentäter Breivik sah seine Landsleute bereits bei 11% Migrantenanteil an der norwegischen Gesamtbevölkerung (Menschen aus 215 Nationen) zu einer Minderheit degradiert. – Zielt als Vorwurf aus der polit. Mitte darauf, jegliche Kritik an den unterschiedlichen Strömungen des Islam als Panikmache zu delegitimieren. Islamisten wiederum brandmarken mit dem Ausdruck jegliche Kritik an der Anwendung der Scharia als »Form des Terrorismus«.
KOPFTUCHVERBOT Verschleierungsverbot der Frau in jd. Form (Burka, Hijab, Niqab – keines dieser Kleidungsstücke wird von relig. Texten zwingend gefordert). Westl. Nationen haben das K. zur Staatsangelegenheit erklärt; Frankreichs breschte 2004 mit einem Schulgesetz vor. Gegner interpretieren die Verhüllungen, die von muslim. Frauen aus verschiedensten Motiven praktiziert werden (Sichtbarmachen des relig. Bekenntnisses, Stolz auf Wahlfreiheit der Kleidung, Hinweis auf Alltagssexismus im Westen) als polit. Symb. des Islamismus u. der »Unterdrückung der Frau«, s. Muslima. Die Ächtung ignoriert das Menschenrecht, sich zu kleiden wie man möchte.
KORANKRITIK Terminus der inner-islamischen Reform, vorwiegend von Professoren in wissenschaftl. Foren auf säkularen Unversitäten islamischer Länder (z. B. Ankararer Schule). Theolog. Bez. für eine Positionen, die sich a] gg. eine wörtl. Auslegung der Koranverse richtet, und/oder b] neben dem Koran auch andere Schriften der relig. Überlieferung im Glaubenskanon gelten lässt. Erhebt, weit weg von jd. Fanatismus, den kritischen Umgang mit dem hl. Text nicht zum Sakrileg; erlebt ihn als neue Möglichkeit des Glaubens. Zielt analog zur Thora- u. Bibelkritik auf einen toleranten Islam. Den Mehrheiten der Sunniten (Hanafiten, Malikiten, Hanbaliten, Schafiiten, Wahhabiten), Schiiten u. Aleviten völlig unbekannt.
MOHAMMEDANER Veraltete Fremdbezeichnung für Moslem/Muslim. Der letzte unter den Propheten Allahs wird von Muslimen zwar vehement verehrt, aber selten wie Christus vergöttlicht (»Gottessohn«).
MOSLEM Anhängerin od. Anhänger der zweitgrößten Weltreligion. Nach islam. Selbstverständnis: Wer sich mit innerer Kraft Gott (Allah) hingibt u. die Lehren des Korans annimmt; von Kritikern abfällig als »Unterwerfung« ausgelegt. – Es existiert auch eine weibl. Form: Moslemin.
MUSLIM Arab. für Moslem. Um nicht in den Geruch einer undifferenzierter Islamfeindlichkeit zu geraten, sprechen viele Autoren (»Multikulturalisten«) lieber von Muslimen als von Moslems. Wortungetüme wie Muslimenfeindlichkeit haftet ein akademischer Distinktionsgewinn an; solche Sprachverfügungen von oben handeln sich regelmäßig den Vorwurf eines Diktats der Political Correctness ein. – Es existieren auch die weib. Formen: Muslimin, Muslima.
MUSLIMA Auch Muslimin, Moslema. Weibl. Form für Moslem bzw. Muslim (da letzteres bereits beide Geschlechter einschließt, v. a. unter Überkorrekten in Gebrauch). Der Diskurs über die »Unterdrückung der Frau im Islam« ist ein Lieblingsthema der Islamkritik. Nmd. käme auf die Idee, von der »Unterdrückung der Frau im Christentum« zu sprechen, da die Situation der Frau z. B. in den christl. Ländern Nigeria, Deutschland u. Jamaika ebenso unterschiedlich ist wie die der Muslimas in der Türkei, Indonesien und Saudi-Arabien. Westl. »Solidarität« mit muslimischen Frauen erzeugt feindselige Gefühle gg. den Islam. Hier wirkt der umgekehrte King-Kong-Effekt: »Weiße Männer retten dunkelhäutige Frauen von dunkelhäutigen Männern« (Gayatri Chakravorty Spivak).
RADIKALISLAMISCH Bez. für islamistische Militanz, wie sie in den Anschlägen auf drei Wolkenkratzer in Manhatten (WTC) und das Pentagon am 11. September 2001 den Westen in Angst und Schrecken versetzt hat. Sprachl. problematisch, weil der vom lat. radix stammende Wortteil »radikal« eine Sache bezeichnet, die den Dingen an die Wurzel geht, die ihren wahren Ursprung aufdeckt. Das tun terroristische Aktivitäten sicherlich nicht. Besser differenziert: islamistisch, dschihadistisch, salafistisch, terroristisch, …
SALAFISMUS Auch Salafiyya. Eine relig.-polit. Richtung des Islam, die sich auf ein Goldenes Zeitalter der Altvorderen bezieht. Rückwärtsgewandter Fundamentalismus; geistesgeschichtlich ein Vorläufer des Islamismus im 19. Jahrhundert. Ausfluss einer mächtigen Uchronie. Akzeptiert keine säkularen Bereiche wie Staat od. Bildung ohne rechtstheolog. Aufsicht durch die »wahre Religion«. Viele Salafisten tragen lange Bärte, weite Gewänder u. Kopfbedeckungen. Frauen, denen Kopf kein Tuch bedeckt, begehen eine schwere Sünde. Die länderübergreifende Sektiererei bietet zahlreiche Anknüpfungspunkte zum gewaltsamen Kampf der Dschihadisten für eine »islamische« Gesellschaft.
© Wolfgang Koch 2011