Kronleuchter halt. In Kollegin Stokowski geht mehr Weißwein rein als in Kollegin Niemann, deswegen muss Kollegin Stokowski jetzt hier bloggen. Allerdings hat Frau Stokowski auch eine Badewanne in ihrem Hotelzimmer und Frau Niemann nicht.
Wir waren also im Frankfurter Hof. Zum Frankfurter Hof fährt man, wenn man an Buchmesseabenden nichts anderes mit sich anzufangen weiß, weil alle anderen auch dort hinfahren, wenn sie nichts anderes mit sich anzufangen wissen, und weil man sich im Glanz von schickem Scheiß sonnen will.
Weil wir vorher dringend Pizza essen mussten, verpassten wir die Veranstaltung „Script“, die irgendwas mit Jakob Augstein zu tun hatte und auf der Evgeny Morozov eine Rede hielt mit dem Titel „A few words about the current state of affairs“. Morozov ist so ein Typ, an dem Frau Stokowski besonders beeindruckend findet, dass er ziemlich gleich alt ist wie sie, aber schon aussieht wie vierzig.
Frankfurt Hof jedenfalls. Als wir ankommen, sind alle Reden schon vorbei und es gibt Wein, sehr viel Wein. Riesling, immer wieder nachgefüllter Riesling. Es wird so viel nachgeschenkt, dass man die Gläser nicht zählen kann, weil sie sozusagen ineinander übergehen. Es ist alles edel und Kollegin F. sagt: „Wir müssen die Toilette fotografieren.“
Draußen am Hintereingang rauchen drei Kanadier Zigarillos, und ein kanadischer Investor erzählt Frau Stokowski, wo er in den letzten Monaten überall war (quasi überall), dass er irgendwas mit E-Books macht und dass ihm Geld nicht so wichtig ist, ach, dieses Geld, meine Güte, darum geht es doch nicht, sagt er. Frau Stokowski hat ihre Jacke nicht an der Garderobe abgegeben, weil das 1,50 Euro kosten sollte. Frau Stokowski erzählt von ihrer taz-Kolumne, der Investor sagt, dass er sie um ihren Job beneidet und dass er – „nach ein paar Gläsern Wein kann ich das ja erzählen“ – in Wirklichkeit gar nicht zufrieden ist mit seinem Leben.
Draußen am Vordereingang stehen die Kolleginnen und winken Rainald Goetz zu sich, weil er alleine steht. Rainald Goetz kommt und man redet über Buchpreise und Bücher und Clemens Meyer. Frau Stokowski weiß nicht, wer das ist, googelt ihn aber später im Hotel und denkt, dass das einer von diesen Leuten ist, die ihre Wikipedia-Artikel selber schreiben, oder warum steht da das mit dem Gabelstaplerfahrer? Rainald Goetz sagt: „Der innere Monolog ist das zu Tode gerittene Pferd der Moderne.“
Um drei Uhr kommt Banker B. zu Frau Niemann und Frau Stokowski, und sagt zur Letzteren, dass er ihr schon den ganzen Abend sagen will, dass sie ne geile Hose anhat. (Hat sie! Sie empfiehlt das Leipziger Atelier „Wildfutter“.) Im weiteren Verlauf reden Frau Stokowski und der Banker über Bulgakows „Der Meister und Margarita“, polnische und türkische Rechtschreibung und das schlechte Wahlergebnis der Grünen.
Banker B. gibt eine Runde Gin Tonic aus, obwohl er findet, die Bar habe keinen guten Gin, aber Frau Stokowski möchte Gin Tonic. (Ein Gin Tonic kostet 15 fucking Euro.) Banker B. arbeitet bei der Deutschen Bank, schläft heute im Frankfurter Hof und sagt, er sei ein typischer Grünenwähler. Als ein Rosenverkäufer vorbei kommt, sagt Banker B., ein Freund von ihm habe neulich zu einem Rosenverkäufer gesagt „Nein, danke, wir haben schon gefickt“, und das fand Banker B. total cool. Im noch weiteren Verlauf des Gesprächs stellt er seine Begleiterin S. vor und schlägt Frau Stokowski vor, heute ebenfalls im Frankfurter Hof zu übernachten. Frau Stokowski bedankt sich für das Angebot und nimmt ein Taxi mit Frau Niemann.
Gin Tonic geht Pipi.
Ach! Und wo übernachtete die „geile Hose“?