Am Freitagabend gehe ich zu einem Autor, den ich auch jede Woche in Berlin sehen kann, in ein Gebäude, das es zumindest dem Namen nach auch in Berlin gibt, zu einer Lesung, in der es um Berlin geht. Uli Hannemann liest in der Schaubühne aus seinem neuen Roman „Hipster wird’s nicht“.
Die Veranstaltung heißt „Lesenacht“ und wird von „Das Magazin“ veranstaltet. Ich habe mir so ein halbwegs gemütliches Ding vorgestellt, bei dem zwei oder drei AutorInnen ihre Sachen vorstellen und man nach zwei Stunden überlegt, wo man jetzt noch was trinken geht. Aber nee. Stattdessen ist es eine gigantomanische Riesenlesung, bei der 500 Leute auf 450 Stühlen in einem Theatersaal sitzen; sie haben ihre Eintrittskarten vor drei Wochen gekauft und waren zwei Stunden vor Beginn da um sich die besten Plätze zu sichern, und dann hören sich verdammte sechs Stunden lang Lesungen von sechs AutorInnen an, am Stück, mit einer mikroskopisch kleinen Pause nach der Hälfte der Zeit. Krass. Leipzig.
Mir ist das zu verrückt, ich gehe nach der Hälfte. Ich habe eh schon viel investiert, ich verpasse die Veranstaltungen „Heißer geht´s nicht: Die erotische Lesung in der Sauna“ und „Die dicken Möpse der schönen Witwe“. Vor Uli Hannemann liest Stefan Schwarz aus seinem Roman „Die Großrussin“, ist lustig, und die wunderbare Kirsten Fuchs liest Texte übers Nähen, über Ohren und übers Ficken während das Kind schläft.
In Uli Hannemanns Buch geht es um einen 44jährigen Typen, der bei seiner Freundin rausfliegt und dann in eine Hipster-WG in der Weserstraße nach Neukölln zieht. Ich hab es erst zu einem Drittel gelesen, aber mein Herz ist schon ein bisschen angeschmolzen. Die anderen Bücher, die Uli Hannemann geschrieben hat und die alle bei Ullstein erschienen sind, bestanden aus kurzen Texten, Lesebühnentexten. Der Roman ist anders, weil mehr Platz ist und auf diesem Platz die Figuren überhaupt erst mal entstehen müssen. Annabel, die Thomas rauswirft, weil er etwas mit Larissa hatte, und Doreen, die Thomas zwischendurch aufnimmt, die aber mit dem bekloppten Piet zusammen ist, und Franziska, die Thomas zu sich in die WG holt.
Und weil in einem Roman mehr Platz ist als in kurzen Lesebühnentexten, passiert auch mehr Pointenirrelevantes zwischendurch, aber dieses Zwischendurch ist sehr liebevoll und schön geschrieben. Dazu gibt es vor jedem Kapitel Zitate wie „‘Der Kreis ist die Gerade des unentschlossenen Mannes.‘ Konfuzius“. Hat er gut gemacht.
In der Pause gehe ich und lande auf der Party von Hoffmann und Campe, in einem Keller, der aussieht wie ein Jugendclub, mit Musik, die klingt, als hätte jemand eine Box ausm Ein-Euro-Shop angeschlossen. Es gibt Gin Tonic und Aperol Spritz und eine mittelmäßig repräsentative Umfrage ergibt, dass ein Drittel der KollegInnen noch nie Sex auf einer Buchmesse hatte.