vonMargarete Stokowski 16.03.2014

Buchmesseblog

taz-Autor*innen bloggten live von den Buchmessen in Leipzig und Frankfurt. Ein Schmöckerladen für Buchliebhaber*innen.

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Sachbücher heißen auf Norwegisch „sakprosa“. Schönes Wort. Lars Mytting, ein norwegischer Autor, hat ein Sachbuch über Brennholz geschrieben: „Der Mann und das Holz. Vom Fällen, Hacken und Feuermachen“ (im Insel-Verlag in Holzoptik erschienen).

Das Buch ist in Norwegen ein Bestseller. Mytting schreibt übers Bäumefällen, Holzhacken, Holzstapeln, Feuermachen. Er schreibt über das Werkzeug, das man dafür braucht und den crazy Shit, den man eigentlich nicht braucht, der aber hübsch anzusehen ist: jährliche Holzstapelschönheitswettbewerbe und die Brennholz-und-Kamin-Fernsehsendungen  wie der „Nationale Holzabend“, die „Nationale Holznacht“ und der „Nationale Holzmorgen“.

Bei der Buchvorstellung am Samstagnachmittag wird Lars Mytting von seinem Übersetzer interviewt. Er spricht über die metaphorische Bedeutung von Wärme, über Henry D. Thoreau, der mit seinem Buch „Walden oder Leben in den Wäldern“ der „erste Holzverfeuerungsphilosoph“ war.

Das Buch ist vom Stil her eine Mischung aus Holzfachwissen und Feuerromantik mit Hang zum Waldkitsch. Mytting schreibt darüber, wie wunderbar es ist, „in den Wald zu gehen, wenn noch Schneeflecken zwischen den Bäumen liegen und die Frühlingsluft dünn und kalt ist“, wie er Benzin „in die gute, alte Motorsäge“ füllt und erst ein paar kleine Bäume fällt und dann die großen.

„Die Säge anwerfen, ansetzen und das Pfeifen in der Luft hören, wenn der Baum in die halbwegs richtige Richtung fällt, bevor man den Zweitakter ausschaltet, das Schutzvisier öffnet und die Stille genießt, während die Welt wieder zurückkommt und man den Blick auf den gefällten Baum richtet, der einem im Winter Wärme und Licht schenken wird.“ (Das mit dem Pfeifen ist interessant. Ich habe noch kein einziges Mal ein Pfeifen beim Bäumefällen gehört. Ich höre ein Knacken, dann immer mehr Knacken, Zweige- und Ästerauschen und dann einen heftigen, dumpfen Rumms.)

Mytting schreibt: „Die Verwandlung von Holz in Wärme bringt uns, wie schon unsere Vorväter, in Kontakt mit der Natur.“ Und direkt danach, etwas weniger romantisch: „Jeder Baum ist sein Gewicht in kWh wert. Sogar der kleinste, dünnste Trieb ist von Nutzen. Es ist wie mit Kleingeld: 100 Cent ergeben 1 Euro. Überdies ist es ein gutes Gefühl, nichts verkommen zu lassen.“

Um gutes Gefühl geht es sowieso in großem Stil. Mytting erzählt bei der Lesung, dass es in Norwegen viele Männer gibt, die nicht „durch die Blume“ sprechen, sondern „durch das Holz“. Er spricht über eine amerikanische Wochenzeitung, die eine Liste veröffentlichte, anhand derer junge, heiratswillige Frauen lernen sollten, von der Form eines Holzstapels auf den Charakter des Mannes zu schließen, der das Holz gestapelt hat. „Gerader, solider Stapel: Aufrechter, solider Mann. Niedriger Stapel: Vorsichtiger Mann, möglicherweise schüchtern oder schwach. Hoher Stapel: Große Ambitionen. Achtung, Einsturzgefahr.“ Und so weiter. Eine Frau, auf deren T-Shirt steht „Mei Dirndl ist grad en dr Wäsch“, findet das super. „Gibt’s das auch andersrum, für Stapel, die Frauen gemacht haben?“ Bestimmt. Aber halt eher mit Wäschestapeln.

Denn – apropos Sackprosa – Frauen kommen in Myttings Baumfällerwelt eigentlich nur in Form der Familie vor, die vom Mann mit Brennholz versorgt wird. Oder als diejenige, die „zur Eile drängt, weil der Parkschein abläuft“, während der Mann sich Motorsägen im Baumarkt ansieht (wo man aber auch, wie er berechtigterweise schreibt, keine Motorsägen kaufen sollte), oder als „Stilberaterin“, die einen schicken Ofen aussucht.

Nach der Lesung frage ich den Übersetzer, wie er auf den Titel „Der Mann und das Holz“ gekommen ist. Der Originaltitel ist „Hel Ved“, was „Nur Holz“ bedeutet. Aber nicht nur, sagt der Übersetzer: „Im Norwegischen hat das eine Doppelbedeutung, die schwer zu übersetzen ist, es heißt nämlich auch so was wie ‚ganzer Kerl‘.“ Ah. Und „Der Mann und das Holz“ erinnert natürlich ein bisschen an „Der alte Mann und das Meer“, und mit einem alten Mann, nämlich Myttings Nachbar, beginnt das Buch auch (und es ist ihm auch gewidmet).

Ich sage, dass ich das Buch inhaltlich sehr interessant finde, und gut, dass es das gibt, dass es für mich als motorsägende Frau aber auch ein bisschen blöd ist mit so einem Titel – und so. „Ja“, sagt der Übersetzer, „das Buch hat natürlich auch einen leichten Macho-Einschlag.“ Ich sage, dass es damit aber letztendlich auch ganz gut abbildet, wie Männer eben mit Holz und Motorsägen umgehen.  Ja, sagt er.

Das einzig Feministische an dem Buch bleibt daher der Name des Übersetzers. Der heißt nämlich – oh wunderbare Ironie – Günther Frauenlob.

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https://blogs.taz.de/buchmesse/2014/03/16/der-norweger-ist-einer-der-birken-zerhackt/

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