Es ist viel Tod auf dieser Buchmesse, das ist sehr auffällig. Nicht nur, dass Terry Pratchett gestorben ist. Auch im Programm von „Leipzig liest“ wird viel gestorben. Gefühlt hat jede zehnte Lesung etwas mit Sterben, Totsein oder Töten zu tun, es gibt folgende Veranstaltungen:
Liebe, Tod und Teufel
Man stirbt nur dreimal
Tod in der Wüste
Tod und Tofu
Mein Tod und ich
Sterben und sterben lassen
Monster, Mörder, Marodeure
Du stirbst in meinem Herzen nicht
Und wenn sie nicht gestorben sind…
Kind, versprich mir, dass du dich erschießt
Dr. Tod
Zurück in das Land, das uns töten wollte
Und wenn sie nicht gestorben sind…
Sinnvoll leben, freudvoll sterben
Nicht sterben
Im Tunnel des Todes
Dem Tod sehr nahe
Todschick
Sie werden lachen. Mein Mann ist tot
Nur der Tod vergisst
Und neben ihnen stapft der Tod
Mutter, wann stirbst Du endlich?
u.v.m.
Ich musste mich heute Nachmittag nach der Buchpreisverleihung entscheiden zwischen schlechtem Sex und dem Tod und ich habe den Tod gewählt. Oder vielmehr: Tausend Tode.
„Tausend Tode schreiben“ ist eine Anthologie, die als E-Book im Frohmann-Verlag erscheint, herausgegeben von Christiane Frohmann. Tausend Autorinnen und Autoren scheiben über den Tod. Das ist ein gigantisches Projekt, und ich vermeide, wann immer es geht, das Wort „Projekt“ zu benutzen, aber mir fällt für dieses Sache keine andere Formulierung ein als „gigantisches Projekt“.
Das Buch erscheint in vier Teilen, der dritte ist gerade fertig und enthält 425 Texte. Im Herbst, zur Frankfurter Buchmesse, soll der vierte Teil mit tausend Texten erscheinen. Wer eine der ersten Versionen kauft, kriegt die neueren geschenkt. Das Buch kostet 4,99 Euro, wobei die Autor_innen- und Herausgeberinanteile als Spende an das Kinderhospiz Sonnenhof in Berlin-Pankow gehen.
Bevor ich mein Gedicht, das nun Nr. 290 der tausend Tode ist, eingereicht habe, habe ich das Buch gekauft. Es war ein bisschen dumm zu denken, dass die Texte, weil sie zumindest teilweise von lustigen Twitter-Menschen kommen, auch irgendwie lustig sein werden. Sie sind nicht lustig. Oder jedenfalls nur an wenigen Stellen. Ich hab geheult. Sehr. Und dann auch einen Text abgeschickt.
Heute also wurde aus diesem Buch gelesen. Dreizehn oder vierzehn Leute haben gelesen: Darunter Sarah Berger, Nr. 187, über Trennungen als Tode. Sophia Sumburane, Nr. 243, über ein offenes Fenster. Ich, Nr. 290, über die Haltewunschtaste. Ute Weber, Nr. 33, über Schmerzen und den banalen Tod, und Frédéric Valin, Nr. 14, über den Humor von Bestatterwerbung.
„Wenn man Werbung für das Internet machen wollte, könnte ich meine Arbeit für dieses Projekt beschreiben“, sagt Frau Frohmann. Und dass sie grundsätzlich übrigens „kein morbider Mensch“ ist.
Wenn man Werbung für das Schreiben über den Tod machen wollte, könnte man, nein, müsste man, dieses E-Book empfehlen. Es ist sehr, sehr gut.
Und ich hatte jetzt also meinen ersten Buchmesse-Auftritt. Er hat ungefähr 15 Sekunden gedauert.