vonMargarete Stokowski 18.10.2015

Buchmesseblog

taz-Autor*innen bloggten live von den Buchmessen in Leipzig und Frankfurt. Ein Schmöckerladen für Buchliebhaber*innen.

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Es ist Sonntag, Publikumstag, letzter Tag, letzte Kräfte. Wie eine Verrückte stehe ich um 7 Uhr nochwas auf, um morgens zum Katersalon zu können, der heute zum Thema „Lesen als Kulturtechnik“ stattfindet, natürlich im fancy Orbanismspace.

Frau Frohmann liest am Anfang einen Text vor, „Bekenntnisse einer E-Buch-Leserin“, von Ruth Klüger, die ungefähr diesen Text als Rede auf der Baseler Buchmesse 2010 gehalten hat und ihn dann später bei Frau Frohmann veröffentlichte. (Hier ist ein Teil davon bei der NZZ erschienen.)

Ruth Klüger verteidigt das „E-Buch“ gegen kulturpessimistische Stimmen, die in E-Books den Untergang von irgendwas sehen. Sie, die sich als Abhängige bezeichnet, die „auf Papier gedruckte Schrift wie eine Droge zu sich nimmt“, sagt: „Seien wir ehrlich: So bequem liest sich ein Buch ja gar nicht.“ Mit einem E-Book-Reader kann man sich gemütlicher hinlegen, man hat nichts Schweres oder Unhandliches in der Hand, man kann die Schriftart und -größe ändern, bis es einem passt.

In Amerika, schreibt Klüger, verstehen die Leute gar nicht, was das Problem mit den E-Books sein soll. Da braucht man keine Wand mit vollen Bücherregalen, um sich gut zu fühlen. „Was soll das Altpapier im Haus?“, fragen die Leute da. Während man in Deutschland das vollgestopfte Regal schätzt, das ausdrückt: „Seht her, so einer bin ich.“

Lesen werde nicht schlechter, wenn es elektronisch passiert, das ist ungefähr Klügers These. Denn am Ende gehe es nicht um die Form des Textes, sondern um die Schrift an sich, das Alphabet, und das bleibt, egal, welche Technik dahinter steht – man könne ja auch „mit der Mikrowelle liebevoll kochen“.

Die Tradition der Schriftlichkeit ist letztlich sowieso viel älter als das Buch, sagt Klüger. dazu ein längeres Zitat, in dem sie wiederum Umberto Eco zitiert:

„Das Buch, wie wir es kennen, hat viele Verteidiger, darunter die besten Autoren. Zu ihnen zählt Umberto Eco, der einmal sagte: ‚Die Entwicklungen rund um den Gegenstand Buch haben seit über fünfhundert Jahren weder an seiner Funktion noch an den Arten seiner Verwendung etwas Grundlegendes verändern können. Das Buch ist wie der Löffel, der Hammer, das Rad oder die Schere: Sind diese Dinge erst einmal erfunden, lässt sich Besseres nicht mehr machen. An einem Löffel gibt es nichts zu verbessern.‘ […] Doch die Schwachstelle in seinem Argument ist gleich am Anfang zu finden. Er gibt zu, dass das Buch, wie wir es kennen, erst fünfhundert Jahre alt ist. Er sagte zwar nicht «erst», im Gegenteil, er will betonen, wie ehrwürdig alt das Buch sei.“

Christiane Frohmann erzählt dann von einer Veranstaltung mit jungen Studentinnen, die sich von der Ruth Klüger (Jahrgang 1931) nicht überzeugen ließen. Zu schön und wichtig fanden sie die Markierungen ihrer Großväter in den alten Bänden zuhause. Vielleicht muss man da eine Entwicklung durchmachen, sagt Christiane Frohmann, bei der man erst sehr am Buch festhält und dann später die Zügel wieder locker lässt.

Die Diskussion über Lesegewohnheiten, Bücher, die Leben ändern und über E-Books vs. Papier und Internet vs. Regal kann man hier nachhören. Es ging um Konzentration in Zeiten des Internets, zum Beispiel. Eine Frau meinte, sie könne sich nicht mehr auf lange Texte einlassen, ihre Aufmerksamkeitsspanne sei so kurz geworden wegen Internet und so. Sie könne nicht mal mehr lange Filme gucken. Ich bin ein bisschen skeptisch, wenn Leute so was sagen. Vielleicht ist sie auch einfach nur älter geworden oder schusseliger oder arbeitet mehr als früher oder hat Kinder gekriegt oder was auch immer? Es gibt viele Gründe, nicht mehr zu 1000-Seiten-Büchern zu kommen. Ich zum Beispiel hatte früher keine Katze. Wenn ich aber heute bei uns zuhause auf der Terrasse lese und sich eine unserer Katzen zwischen mich und das Buch oder Tablet schiebt, höre ich auch auf zu lesen, und das ist so ein Fall, da ist zum Beispiel ganz bestimmt nicht das Internet schuld.

(Die Katze auf dem Foto hat jetzt nicht direkt was mit dem Katersalon zu tun, aber ich hatte kein okayes Foto von der Veranstaltung und wo ich sie schon im letzten Absatz erwähne… )

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