vonMargarete Stokowski 16.03.2016

Buchmesseblog

taz-Autor*innen bloggten live von den Buchmessen in Leipzig und Frankfurt. Ein Schmöckerladen für Buchliebhaber*innen.

Mehr über diesen Blog

Leipzig! Mit meinem 100. taz-Buchmesse-Blog-Eintrag beginnt diese Leipziger Buchmesse für mich, und obwohl es die 8. Buchmesse ist, von der ich blogge, hab ich mich immer noch nicht entschieden, ob ich der oder das Blog sagen will. Ist auch superegal eigentlich.

Ich sitze im Hotel und hab die Füße auf der Heizung und vergessen auf dem Weg vom Bahnhof ein Foto von Leipzig zu machen und jetzt ist es dunkel, deswegen muss ich eine Flasche Sachsenobstsaft fotografieren, mittelzufällig hinarrangiert auf meiner Akkreditierung und der taz. Später muss ich noch eine Kolumne schreiben und darin irgendwie diesen merkwürdigen Satz unterbringen, den Stanislaw Tillich zur Eröffnung der Buchmesse gesagt haben soll: „Wer ein Buch in den Händen hält, kann keine Brandsätze werfen.“ Mann, Mann, Mann.

Leider ist diese Buchmesse ziemlich sicher die letzte, von der ich in dieser Form blogge, erst mal zumindest… und das ist ein bisschen traurig, weil es sehr viel Spaß gemacht hat. Viermal Frankfurt und viermal Leipzig.

Meine 8. Buchmesse also. In der chinesischen Kultur gilt die 8 als Glückszahl wegen des Gleichklangs mit „voran“, sagt Wikipedia. Eine umgekippte Acht ist das Symbol für Unendlichkeit, und umkippen tut man auf Buchmessen am Ende immer, also nehmen wir uns als Motto vor: Unendlich vorankommen. Oder, wie man auch sagt: Vorwärts und nie vergessen.

Schön.

Das Besondere ist diesmal, dass ich noch schlechter vorbereitet bin als beim letzten Mal oder vielleicht einfach genau gleich schlecht –  einfach wegen Stress mit Arbeit – aber nicht weniger motiviert, denn die letzte Buchmesse, die in Frankfurt, war wunderschön, und warum sollte dann diese schlechter werden. Schlecht vorbereitet heißt, ich hab wenig Bücher vorher gelesen, nämlich nur zwei ganze und zwei halbe. Das eine lese ich vielleicht noch fertig, das andere eher nicht so.

Es hat sich so viel geändert, seit ich angefangen hab hier zu bloggen im Herbst 2012. Am Anfang kannte ich keine Sau und bin die ganze Zeit schwarzgefahren, weil ich kein Geld für irgendwelche Tickets hatte, und ich war immer froh, wenn ich jemanden getroffen hab, den ich kannte, sogar wenn es jemand war, den ich gar nicht mochte. Bisschen elend, im Nachhinein. Ich hatte immer Blasen an den Füßen vom vielen Rumlaufen, weil ich ALLES sehen wollte. Und ich hab immer „Rowohlt“ falsch geschrieben, nämlich „Rowolth“. Bin schlauer jetzt!

Einmal hab ich mein Gesicht lesen lassen von einem professionellen Esoteriker, der Eric hieß. Einmal musste ich mir ein winziges Zimmer teilen mit D. und wir haben uns nicht umgebracht dabei. Einmal hatten F. und ich einen superekligen Taxifahrer, da hab ich später was für ein Ebook drüber geschrieben, ein Ebook übers Taxifahren. Einmal war ich mit zwei anderen in einer Kneipe, die „Lebensfreude pur“ hieß, das war irgendwo am kalten Arsch. Einmal hab ich eine Comiczeichnerin getroffen, die ich eigentlich als Dachdeckerin kannte, und wir haben zusammen Mittag gegessen. Und einmal hab ich auf einer Lesung ein Gedicht vorgelesen, das ging ungefähr zehn Sekunden.

Im Gegensatz zu den gefühlt allermeisten Leuten, die beruflich auf der Buchmesse sind, LIEBE ich Buchmessen. Alle motzen immer rum, wie ätzend alles ist. Ich nicht. Ich weiß nicht, was mein Problem ist, aber von mir aus könnte noch viel öfter Buchmesse sein. Ich kann gar nicht sagen, woran es genau liegt. Aber wenn die Hauptbestandteile von etwas Literatur und Alkohol sind, verstehe ich nicht, was daran schlecht sein soll. In Stunden gezählt, war ich auf den bisherigen Buchmessen wahrscheinlich länger betrunken als nicht betrunken, aber niemand zählt sowas. Natürlich reden die Leute wirklich affigen und abgedrehten Quatsch, und die Luft ist schlecht, aber das ist im restlichen Leben auch oft so, und ich finde es eigentlich ganz lustig, Leuten dabei zuzugucken, wie sie beim Trinken immer noch versuchen, intellektuell zu bleiben, vor allem, wenn ich selbst betrunken bin, dann entfacht das in mir eine Art von wärmender und flutender Liebe, die ich nicht wieder hergeben möchte.

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/buchmesse/2016/03/16/es-geht-los-unendlich-vorankommen/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert