Heute war ich bei Veranstaltungen mit Ronja von Rönne und Laurie Penny und man könnte es bei beiden komisch finden, dass ich mit ihnen befreundet bin, weil Ronja einen Text gegen Feminismus geschrieben hat und Laurie einen gegen Katzen (zu Israel sage ich unten noch was), und eigentlich wären das gute Gründe, beide zu meiden.
Zuerst zu Ronja. Bevor sie auf dem Blauen Sofa sitzt, kündigt der Moderator des vorangegangenen Gesprächs sie an als „sicher eine der meist interviewtesten Autorinnen auf dieser Buchmesse“, was so doppelt gesteigert ist, dass es wohl ganz gut wiedergibt, wie über Ronja gerade geredet wird und was von ihr und ihrem Buch erwartet wird. Alle müssen eine Meinung zu ihr haben, sie entweder gut oder schlecht finden, entweder genial oder arrogant oder langweilig, überschätzt oder unterschätzt oder alles gleichzeitig.
Bei ihrer Buchpremiere in Berlin vor zwei Wochen stand ich mit einem Kollegen an der Bar, der meinte über Ronja: „Vieles an ihr ist sicher Pose…“ – dann trank er einen Schluck Gin Tonic – „ich kann aber nicht sagen, wie viel genau, ich kenn sie nicht.“
Irgendwas umweht sie.
Jetzt also Blaues Sofa. „Wird da gezündelt, in dem Buch?“, fragt Moderator Tobi Schlegl Ronja als erstes (weil auf dem Buch ein Streichholz ist), und sie sagt: „Nee. Von Provokation hab ich erst mal genug.“
Dann reden sie über die nicht vorhandenen Sexszenen, über Panikattacken und übers Schreiben als Konfrontation mit eigenen Komplexen, über Verdrängung und Viererbeziehungen und dass die auch nicht helfen, wenn man es mit sich allein schon nicht aushält. „Das Glück ist ein kleiner, gut versteckter Knopf im Gehirn“, sagt Ronja. Und: „Soziale. Medien. Machen. Nicht. Glücklich.“
Es wird sehr lustig, als Tobi Schlegl das Publikum fragt, wer das Buch gekauft und gelesen hat, und er dann aufsteht und einen Mann interviewt, der sich gemeldet hat – er sagt, er heißt Reinhold und hat das Buch gelesen, außer die letzten dreißig Seiten, die noch nicht, und er findet, die Rezensionen lassen alle aus, wie wunderschön die Sprache ist, in der Ronja schreibt – und dann geht Tobi Schlegl zurück zum Sofa und Ronja sagt, dass der eben befragte Mann übrigens ihr Steuerberater sei.
Das mit der Sprache stimmt. Das Buch glänzt nicht durch irgendeine besonders verrückte Handlung, sondern durch lauter schöne, besondere Sätze. Mein Lieblingssatz ist der über eine Party, die die vier Hauptfiguren zusammen planen:
„Wir brauchen diese Party, wenn wir mehr sein wollen als traurige warme Tiere.“
Später sehen wir uns am taz-Stand wieder und treffen dort Laurie Penny, die ihr Buch „Babys machen“ vorstellt, einen Kurzgeschichtenband, in dem es wie gesagt eine Geschichte gibt über eine Katzenverschwörung und darüber, wie schlimm Katzen sind, und es wird nicht besser dadurch, dass ich weiß, dass Laurie Katzen tatsächlich schlimm findet. (Und die Mumins auch!)
Doris Akrap interviewt Laurie, sie reden über Science Fiction und Feminismus und Game of Thrones („Ist das feministisch?“ – „Oh, no, come on, it’s tits and dragons.“) und darüber, dass Laurie findet, alle Leute sollten mehr Insekten essen.
Und dann reden sie natürlich auch über die Antisemitismus-Diskussion, die es erst vor ein paar Tagen gab – aber nur kurz, weil Laurie nicht öffentlich darüber reden will und leider nur etwas Dummes dazu sagt. Die Debatte kann man nachlesen in Lauries „Brief an die deutsche Linke“, der Antwort von Merle Stöver und dem Kommentar von Philip Meinhold (und natürlich auf Twitter in lauter Tweets). Doris Akrap fragt also, was es mit der Debatte auf sich hat und ob Laurie tatsächlich den Boykott israelischer Produkte unterstützt, und Laurie fällt dazu nicht mehr ein, als zu erklären, nein, sie boykottiere das nicht, weil sie faul sei und nicht jede Avocado checken könne, bevor sie sie isst.
Oje. Ich glaube nicht, dass das das letzte Wort in dieser Diskussion sein wird und ich hoffe, sie hat zwischendurch mal eine Weile Zeit sich zu überlegen, was sie da gesagt hat. Und dann hoffe ich, dass sie zu einem anderen Schluss kommen wird als bisher, weil ich sie gerne weiterhin für die brillante feministische Autorin halten würde, für die ich sie bisher gehalten habe.
Ich fands auch sehr lustig, denn es war tatsächlich der pure Zufall das Tobi Schlegel ausgerechnet mich interviewen wollte. Aber zu seiner Entschuldigung: Das Buch hatten ja erst ca sechs andere Zuschauer dort gelesen – oder sich getraut den Arm zu heben, außerdem konnte er mir sicherlich ansehen, dass ich das Buch mochte und somit ein eventuell peinlicher Verriss ausgeschlossen schien. Sachlich war seine Wahl auch nicht ganz ungerechtfertigt, da ich an der Universität Bielefeld viele Semester Literaturwissenschaft mit dem Berufswunsch Kulturjournalist studiert habe. Das ich mal selbständiger Steuerberater werden würde habe ich zu der Zeit selbst auch noch nicht geahnt. Aber das Ronja sich den Spass an dieser Pointe auf Kosten von Tobi Schlegl gegönnt hat, offen zu legen, dass ich ihr Steuerberater sei, hat mir gezeigt, dass nicht nur in der eher passiven Figur der Nora, sondern auch in deren wilder Freundin Maja etwas von Ronja stecken muss. Sagen wir mal im Verhältnis der in die Namen dieser Charaktere transferierten Buchstaben ;-). Leo Reinold (nein, kein “h” da irgendwo), Bielefeld