vonMargarete Stokowski 19.10.2016

Buchmesseblog

taz-Autor*innen bloggten live von den Buchmessen in Leipzig und Frankfurt. Ein Schmöckerladen für Buchliebhaber*innen.

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Zack, wieder Buchmesse, Zack, Buchmesse-Blog wieder da, und ich auch, 9. Mal, fast Jubiläum und doch alles anders, weil diesmal: Buchmesse mit Buch! (Ich hab ein Buch geschrieben.) Vor einem halben Jahr in Leipzig hatte ich geschrieben: „Leider ist diese Buchmesse ziemlich sicher die letzte, von der ich in dieser Form blogge, erst mal zumindest…“  – stimmte aber gar nicht! Konnte ich noch nicht wissen, ich wollte es mir nur Generation-Y-mäßig offenhalten, vermutlich. Ich dachte, wenn man ein Buch geschrieben hat, kann man nicht auch noch bloggen; ist aber Quatsch, man kann auch einfach ein bisschen weniger bloggen als vorher.

Ich sitze im Zug, es ist 10 Uhr früh und wie bei fast allen letzten Buchmessen hab ich die Nacht vorher nicht geschlafen, das ist so ungefähr das Dümmste, was man vor der Buchmesse machen kann, außer am Tag vor der Buchmesse nochmal Bücher kaufen zu gehen, und das hab ich auch gemacht. 90 Prozent der Leute in diesem ICE kommen mir bekannt vor, aber das ist ziemlich sicher Einbildung, weil ich mir in echt keine Gesichter merken kann – außer J., die sitzt drei Reihen hinter mir und die kenn ich echt – , und naja, der Typ schräg gegenüber sieht z.B. ein bisschen aus wie Trump, was aber mit der Buchmesse so rein gar nichts zu tun hat. Er schläft mit Mund auf, der auf der anderen Seite gegenüber auch. Die Frau neben mir isst kalte Nudeln aus einer Tupperbox, ich glaube, die haben alle gar nichts mit der Buchmesse zu tun.

In meinen Kopfhörern singt Bob Dylan at Budokan, und, ja schön, das ist zufällig auch schon so eine Art Buchmessevorbereitung, obwohl es normal ist und ich auf Hinwegen immer Bob Dylan höre und auf Rückwegen immer Tom Waits, und nie andersrum, und ist eigentlich schon mal jemandem aufgefallen, dass die bisherigen Preisträger dieser Buchmesse-und-drumrum Bob & Bodo heißen, was irgendwie ein bisschen niedlich ist? (Außerdem hat DJ Bobo (!/!?) ein neues Album, d.h. man könnte eine ganze – äh – Kultursendung oder so mit Bob, Bodo und Bobo füllen, wenn man wollte.) Das war so eine geile Buchmesse-Einstimmung, wie die Dödel sich aufgeregt haben über den Nobelpreis für Bob Dylan, WTF, selbst-ver-ständ-lich hat er den verdient, warum denn nicht, außerdem kann den ja dann nächstes Jahr wieder jemand anders kriegen, so läuft das doch, oder nicht?

Wird das jetzt anders, mit Buch auf der Buchmesse zu sein, als ohne Buch? Alle sagen ja. Aber ich glaube, es wird nicht so besonders anders, man läuft halt rum und labert und trinkt, man wird nur öfter fotografiert dabei und es wäre noch einen Tick peinlicher beim Bücherklauen erwischt zu werden (wobei ich gerade gar nicht weiß, ob ich schon mal ein Buch auf einer Buchmesse geklaut hab… hab ich? Ich erinnere mich an ein Whiskyglas, das plötzlich da war, ein gutes, stabiles Whiskyglas, aber ich glaube kein Buch). Das Fotografiert- und Gefilmtwerden ist das Absurdeste am ganzen Buchbusiness bisher. Alle Fotograf_innen und Kameraleute sind nett und alles, und die Make-up-Leute auch, immer, aber es ist auch ein bisschen bekloppt, vier Jahre lang an einem Sachbuch zu arbeiten, dafür hundert Bücher zu lesen und dann in Fernsehsendungen zu gehen und das Erste, was sie einen fragen, ist, „Frau Stokowski, was issn der Plan mit Ihren Haaren?“ Gibt keinen Plan, Mann, gibt Thesen über Anarchie. Echt mal.

Mir ist schlecht. Es ist doch komisch, dass Schlafentzug einerseits eine Foltermethode und andererseits ein Antidepressivum ist, oder nicht? Fällt mir gerade so auf. Gibt es etwas anderes, womit man gleichzeitig foltern und Depressionen behandeln kann? Disneyfilme? Gerade halten wir in einem auffällig dunklen Bahnhof, Kassel-Wilhelmshöhe, und ein Junge mit Pokémon-T-Shirt ist eingestiegen. Der hat nur dem Alter nach ziemlich sicher nichts mit der Buchmesse zu tun, aber Pokémon könnte hinhauen, dieses ganze Rumlaufen auf der Buchmesse wird so perfekt sein zum Brüten, ich freu mich seit August darauf.

Der Plan für heute ist: ein Radio-Interview, eine Diskussion, noch ein Radio-Interview, eine Rowohlt-Veranstaltung mit Bloggern und dann Rowohlt-Party. Die Diskussion ist im fancy Orbanism-Space (unter dessen Sponsoren glaub ich zwanzig verschiedene Spirituosenhersteller sind) und heißt „Instant Beauty“ und ich verstehe den Ankündigungstext nicht, ich hab keine Ahnung, was wir reden werden. Vielleicht werden wir gar nicht reden, vielleicht machen wir nur Selfies und trinken ein bisschen was.

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https://blogs.taz.de/buchmesse/2016/10/19/messe-mit-buch-alles-anders-vielleicht/

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