vonMargarete Stokowski 25.03.2017

Buchmesseblog

taz-Autor*innen bloggten live von den Buchmessen in Leipzig und Frankfurt. Ein Schmöckerladen für Buchliebhaber*innen.

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Der dritte Messetag geht zuende, J. staubsaugt den taz-Stand, „damit es hier nicht so aussieht wie in der taz!“ Draußen ist es inzwischen so frühlingshaft, dass man ein Freak sein muss, um drinnen zu sein. Ich gehe auf einen Rotwein rüber zum Verbrecher-Verlag und lerne dort, dass es um die Ecke einen Stand mit „Gay Romance“-Büchern gibt, Pornogeschichten mit Schwulen, aber für heterosexuelle Frauen. Gehe rüber, gucke eines der Bücher an. Es sind nur Interviews. Hm. Der „Erfinder der Frisur“ von einem der Tokio-Hotel-Sänger spricht über sein Coming Out. Frage nach. „Ich hab gehört Sie haben hier auch schwule Pornos für heterosexuelle Frauen?“ Die Frau vom Verlag guckt, ob ich ein Namensschild habe, aber haha, ich habe nur einen „hayır“-Sticker auf der Jacke. „Also Pornos wirst du bei diesem Verlag hier nicht finden, aber wir haben durchaus Romane mit hohem Erotik-Anteil.“ – „Welche z.B.?“ – „Dieses z.B., Des Königs Eigentum“ – „Darf ich reingucken?“ – „Wenn du es zurückstellst.“ – „Ganz bestimmt.“ – „Morgen darfst du es kaufen. Und signieren lassen. Wir sind jetzt weg. Bis morgen!“

Bleibe alleine am Stand mit einem Buch mit hohem Erotik-Anteil, aber kein Porno. Schlage das Buch auf einer beliebigen Seite auf und lese.

„Langsam schmerzte sein Schwanz und wollte aus der engen Hose. Lasziv kniete er sich auf die gepolsterte Fläche, schob sich die Hose vom Hintern und präsentierte Sandro sein wichtigstes und heißestes Körperteil. Der betrachtete Julians Arsch und zog sich ein neues Kondom über. „Wusste ich doch, dass du dich hinkniest“, raunte er ihm ins Ohr, als er langsam in ihn eindrang. Er ließ Julian jeden Zentimeter spüren. Mit gesenktem Kopf und einem Lächeln genoss dieser den süßen Schmerz. Sandro hatte in der Tat nicht wenig, aber Julian mochte es groß.“

Hm. Stelle das Buch zurück wie versprochen. Gehe zurück zum taz-Stand, ein bisschen melancholisch. Wie viel Prozent von dem, was auf die Buchmesse gekarrt wird, wie viele Tonnen von Tonnen sind hier Schrott oder Fanfiction von Schrott und ist es arrogant, das so zu nennen?

Heute habe ich aufgegeben mich konzentrieren zu wollen. Nachmittags war ich beim Nordischen Forum und habe eine Lesung von Katja Kettu gehört, einfach um jemanden finnisch sprechen zu hören. Ich liebe finnisch und frage mich warum, und während sie spricht, fällt es mir auf: Es klingt wie rückwärts. Irgendeine beliebige Sprache, aber rückwärts gesprochen, und je schneller die Sprecherin, desto kunstvoller klingt es, wie ein wirklich bescheuertes, aber sympathisches Hobby.

Der Roman heißt „Feuerherz“, was lustig ist, weil einer der letzten finnischen Romane, die ich gelesen habe, hieß „Finnisches Feuer“, aber Finn_innen haben es wegen Sauna und so ja irgendwie auch mit dem Feuer. Der Text ist fast ein bisschen ähnlich wie der Schwulenporno oben. „Im Norden heult das Eismeer seine Frühjahrsbrunst hinaus“ – die Moderatorin liest den deutschen Text – „und der Wollrock raschelt an den Schenkeln“.

Dann wollte ich eigentlich zu einer Comicveranstaltung, aber die Autorin war krank, das Buch ist trotzdem toll, ich erzähle das morgen, sonst kommen hier heute zu viele Genitalien vor.

In der Straßenbahn stehe ich neben ein paar Cosplay-Girls. „Sie hat dann voll geheult, weil ihr Freund mit ihr Schluss gemacht hat am Telefon”, erzählt eine mit rotem Kleid, „aber dann hat ein anderer ihr Gummibärchen gegeben und es war eigentlich wieder okay.“

Jetzt sitze ich im Foyer der Litpop, neben mir beginnt eine Lesung und ein junger Mann liest aus seinem Buch und er klingt beim Lesen als wenn er bei etwas arbeiten würde, was „Erotik-Hotline“ heißt. In seinen Ansagen zwischendurch redet er normal, aber seine Gedichte stöhnt er so hin, pro Wort drei Liter Luft, Herrgott. Was ist denn los heute.

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https://blogs.taz.de/buchmesse/2017/03/25/dritter-messetag-untenrum-und-rueckwaerts/

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