D. erzählt wie sie betrunken Rolltreppe gefahren ist, dann geht sie an ihr Handy und sagt: „Romantik? Alter, beste Romantik hier nach vier Tagen.“
Jetzt sind Publikumstage. Eltern mit Kindern und alte Leute sind da, wo gestern noch Luft zum Atmen war. Zwischen ihnen fotografieren sich Cosplayer, die lange an ihren Kostümen gebastelt haben, so wie ich seit Tagen verstärkt an meinem körperlichen Zerfall arbeite. Die Security-Frau, die Taschen kontrolliert, trägt einen Asterix-Kopfschmuck. Ich hätte auch diverse Möglichkeiten mich zu optimieren. „Falschgeld erkennen“, heißt eine Veranstaltung, „Falschgeld drucken“ wär lustiger. Es gibt einen „Lebenslauf-Check“ von Human Ressources Managern und „Wie du mit Hilfe von Personal Growth Hacking zur angesagten Marke wirst“. Kotz.
Am Nachmittag wurde in Halle 4.1 ein Plakat versteigert, das Daniel Richter für Deniz Yücel entworfen hat. Er hat zwei Originale gemalt, eins für Deniz selbst und eins, von dem es ein paar limitierte Drucke gibt. Ulf Poschardt bietet per SMS mit, gewinnt aber nicht, sondern ein PR-Mann aus Oberursel. Er kauft das Bild für 450,99 €. Zwei weitere werden heute Abend im Haus am Dom versteigert, bei der Lesung, wo wir wieder Deniz‘ Texte lesen werden. 20 Uhr, Eintritt frei, mit dabei sind Daniel Cohn-Bendit, Leo Fischer, Eva Demski, Uwe Timm, Dietmar Dath, Yonca Sik, Franziska Otto, Thomas von der Osten-Sacken, Ilkay Yücel, Doris Akrap und ich.
Die Frankfurter Buchmesse im letzten Jahr war das letzte Mal, das ich Deniz gesehen habe, er kam zur Rowohlt-Party, hatte keine Einladung, irgendwann spät, in den Innenhof, wo immer alle rumstehen. Die letzte SMS, die ich von ihm aufm Handy hab, lautet: „Bin da draussen“ – genau die wär jetzt gut, wenn sie nochmal käme. 243 Tage in Haft. Weiß jetzt schon, dass ich nachher wieder heulen werde, genau wie bei der Lesung im März im Festsaal Kreuzberg, als wir alle dachten, krass, es ist schon ein verdammter Monat. Es wird nicht normaler. Isolationshaft für einen, der so gerne labert. Er soll rauskommen und sich sein abgefahrenes Daniel-Richter-Ding ins Wohnzimmer hängen und labern, labern, labern, das kann er gut und das werden sie ihm nie abgewöhnen.