vonMargarete Stokowski 22.03.2019

Buchmesseblog

taz-Autor*innen bloggten live von den Buchmessen in Leipzig und Frankfurt. Ein Schmöckerladen für Buchliebhaber*innen.

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Die Sonne scheint und die Buchmesse-Presseabteilung schreibt, dass gestern und heute schon 82.000 Leute auf der Leipziger Buchmesse waren, das glaub ich sofort, weil die alle vor mir in der Kloschlange standen. Ich sollte irgendwen von irgendwem grüßen, hab vergessen, wen von wem.

Erste Veranstaltung des Tages für mich: Erica Fischer am taz-Stand, „Feminism Revisited“, ein Buch über feministische Fragen und einzelne Feminist*innen, aus Sicht der heute 76jährigen Autorin von Aimée & Jaguar: „Hier geht es einerseits um mich selbst und meinen Weg als Frau und Feministin, andererseits – und das vor allem – um das Gespräch mit jungen Feminist*innen, deren Denken, Handeln und Leben meinen Blick für die aktuellen Konflikte und Genderthemen geschärft haben. Ich habe Unschätzbares von ihnen gelernt.“ Diese jungen Feminist*innen sind unter anderem Mithu Sanyal, Katrin Rönicke, Hengameh Yaghoobifarah. (Ich hab es noch nicht ganz gelesen, erst angefangen, kann zu den Inhalten noch nicht so viel sagen.) Fischer schreibt über die Diskussionen mit ihnen: „Ich bin im Verlauf meiner Arbeit an diesem Buch immer glücklicher geworden – weil das Gespräch mit den jungen Frauen mich belebt hat wie eine Reise, aber auch weil ich nun definitiv weiß, dass es weitergeht.“

Katrin Gottschalk fragt Erica Fischer (die Veranstaltung kann man hier als Video nachgucken), was sie für den Hauptunterschied zwischen der Frauenbewegung der 70er Jahre und dem heutigen Feminismus hält. „Naja“, sagt Fischer, „wir waren viel zaghafter, wir waren erst auf der Suche. Einerseits waren wir ungeheuer radikal, also so kam es uns damals vor wenigstes (…), aber andererseits waren wir auch weniger.“ Heute sei die Bewegung „verfeinerter“, differenzierter, sagt sie, und findet das offenbar ganz gut.

Ich bin allein schon aus persönlichen Gründen immer interessiert daran zu sehen, wie Frauen so drauf sind, die sich seit Jahrzehnten mit Feminismus beschäftigen oder in den 70er Jahren in der Frauenbewegung waren. Komplett verschieden, natürlich. Manche finden heutige Feministinnen zu luschig, manche zu radikal, manche sind einfach nur froh zu sehen, dass es weiter geht, und so weiter. Und nicht selten haben sie eine bestimmte Form von Skepsis oder Distanz, von der ich mich frage, ob man die notwendigerweise mit der Zeit kriegt, wenn man sieht, welche Privilegien die Jüngeren gegenüber den Älteren haben.

Erica Fischer schreibt in ihrem Buch über ihre Rolle im Journalismus:

„Mein Lieblingsprojekt waren meine – honorarfreien – Kommentare unter dem Titel ‚Fragen Sie Xantippe‘ in einer trotzkistischen Zeitschrift. Das Logo der Kolumne war eine kleine Schere. Marginalisiert bin ich geblieben. Eine feste Anstellung mit sicherem Einkommen blieb mir verwehrt. Anders als heute, wo Margarete Stokowski ihre frechen Kommentare bei Spiegel Online veröffentlichen kann, war eine ausgewiesene Feministin für österreichische Mainstream-Medien untragbar. (…) Doch das Schicksal der marginalisierten Freiberuflerin teile ich heute mit vielen meiner Kolleg*innen. Es ist auch überhaupt nicht schlimm, denn die fehlende Sicherheit wurde wettgemacht durch ein Mehr an Freiheit.“

Ich weiß nicht, ob „frech“ positiv oder negativ gemeint ist. Frauen dieser Generationen halten ja auch „aufmüpfig“ für ein Kompliment. (Festanstellung hab ich übrigens auch nicht, bin aber ebenso froh darüber.)

Als das Gespräch zuende ist, kommt Katrin Gottschalk mit Erica Fischer von der Bühne, ich stehe da rum und trinke Kaffee, Katrin stellt uns einander vor, wir sagen beide, dass wir wissen, wer wir sind, beziehungsweise, Erica Fischer sagt: „Klar, die ist ja berühmter als ich.“ Ich sage, hmm, glaube nicht. (Ihr Buch Aimée & Jaguar wurde in 20 Sprachen übersetzt.) Ist auch egal, würde ich sagen. Habe jedenfalls seit ein paar Tagen den Plan, demnächst über innerfeministische Verhältnisse zwischen verschiedenen Generationen und auch innerhalb einzelner Generationen zu schreiben, über unterschiedliche Schwerpunkte und Perspektiven, über Solidarität und Lernen und Neid und Streit. Die Idee kam mir, weil ich letzte Woche zusammen mit Alice Schwarzer interviewt wurde und es ein sehr unangenehmes Erlebnis war. (Das Interview dazu ist noch nicht erschienen.) Aber dazu dann wann anders mehr.

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https://blogs.taz.de/buchmesse/2019/03/22/die-freien-und-die-frechen/

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