vonDetlef Kuhlbrodt 15.10.2011

taz Blogs


Willkommen auf der Blogplattform der taz-Community!

Mehr über diesen Blog

Es ist immer noch Mittwoch und wohl ungefähr zehn als wir beim rowohlt-Empfang in der … ankommen. Als taz-Taxi sozusagen. Es sind noch nicht allzuviele Leute da. Mit Harry Nutt und einem Kollegen, dessen Namen mir wieder weggeflutscht ist, stehe ich an einem Tischchen. Der Kollege, dessen Namen mir gerade nicht einfällt, ein Sozialwissenschaftler glaube ich, ist BVB-Fan. Schwierige Konstellation, ich bin schon immer für Schalke, erkläre aber auch, dass ich zu dem Schalke-Fan-Typus gehöre, der eigentlich nichts gegen Dortmund hat. Natürlich sollte Dortmund besser immer hinter Schalke stehen, aber ansonsten ist mir das nicht so wichtig. Wir reden über Fussball; über Rangnicks Burnout, über Raoul und ob Raoul möglicherweise in dem System von Rangnick eigentlich keinen Platz gehabt hatte oder hätte, gleichzeitig aber doch eigentlich der wichtigste und beliebteste Spieler von Schalke ist und dass das wohl mit zu dem Zusammenbruch des Trainers beigetragen hat. Der Kollege, dessen Name mir nicht einfällt, erzählt von dem „Hundebiss-Spiel“ zwischen Schalke und Dortmund in Dortmund, Ende der 60er. Das Spielfeld war damals noch nicht durch einen Zaun von dem Zuschauerbereich abgetrnnt. Irgendetwas war vorgefallen und die Schäferhunde der Ordner von Dortmund hatten die Schalker Spieler angefallen. Es hätte richtige Verletzungen gegeben. Oder Schalke und Pferderennen und dass Hannes Bongartz ja doch noch ziemlich lange dabei war, beim Pferderennen. Zwischendurch sprechen wir noch über den Berliner Wahlkampf und die Piraten. Ich erzähle, wie toll ich den Wahlkampf gefunden hatte und versuche zu erklären, weshalb ich dann mit einer Stimme die Piraten gewählt hatte.

Harry erinnert daran, dass wir schon mal, vor elf Jahren glaube ich, im Gebäude der Frankfurter Rundschau in einer Gesprächsrunde über die erste Staffel von Big Brother gesessen hatten.

Und weiter hinten steht Martin Sonneborn und schaut so martin-sonneborn-mäßig; Matussek ist auch nicht weit. Er sieht ganz komisch aus, kultiviert das aber auch sehr.

Laura stellt mir den Redenschreiber des Bundespräsidenten vor. Er ist schlank, vielleicht 50, gebildet natürlich und trägt eine Jeans. War sie orange oder lila – bunt jedenfalls, aber auch nicht so knallig. Wir gehen nach draussen und rauchen im Innenhof. Wie es so ist mit dem Redenschreiben und dass Günter Grass eine so selbstverliebte Rede auf dem Geburtstag von Siegfried Lenz gehalten hatte. Ich erzähle, wie ich mich als Teenager auf dem besetzten Platz in Gorleben mit 60er-Jahre-Sachen vollgestopft hatte; mit der 7-bändigen Ausgabe der Zeitschrift Akzente und der zweibändigen Kursbuch-Ausgabe, die beide gerade bei 2001 erschienen waren. Vermutlich weil ihre Eltern altersmäßig und so weiter zur Gründungsgeneration der Grünen gehörten, hätte sie da doch arge Vorbehalte, sagt Laura. Sie ist ein bißchen traurig, dass kein Kandidat der Partei die Partei in Berlin ins Abgeordnetenhaus bzw. Bezirksparlament gewählt wurde.

Schnittchen und zu trinken kommt vorbei. Manchmal geht man auch zur Bar.

Es ist eine große Geschichte; sicher sind mehr als tausend Leute hier. Oder zweitausend. Ich war noch nie auf so einem großen Empfang. (Ausser beim Forum der Berliner Filmfestspiele, aber so viel wie hier bei rowohlt wurde da nie rausgehauen und soviele Leute sind‘s beim Forum dann doch nicht.) Jemand – war es Axel Haase, der Literaturagent? – erzählt, es hätte auch Jahre der Krise gegeben, vor drei Jahren oder so, wo merklich weniger aufgetischt worden war und dann andere Jahre, wo alles noch viel größer gewesen war)

Im Hintergrund wischt der Literaturredakteur B. vorbei. Langsam und stetig wird er immer betrunkener. Jedes Mal, wenn ich ihn sehe, ist er betrunkener. Also auch irgendwie; die Anspannung am Anfang, das Trinken, wie die Augen langsam glasig werden, das Gesichtsfeld sich verengt und gleichzeitig versucht man sich ja immer wieder auch zusammen zu nehmen; grade zu stehen. „Alles klar bei dir?“ – „Alles klar!“

Er scheint in so eine leicht düstere norddeutsche Betrunkenheit zu rutschen, muss sich später manchmal hinsetzen oder anlehnen, damit die Gedankensuppe nicht überschwappt, stell ich mir vor. Ich selber bin eher so verhalten aufgedreht betrunken glaube ich; die Gespräche halten mich wach.

Oder Heinrich …. von suhrkamp, der mich immer fragt, wenn wir aneinander vorbeigehen, wie‘s denn nun wäre mit meinem Buchmessenblog; wann das denn endlich losgehen würde. Er war ja auch bei meiner ersten suhrkamp-Lesung in Frankfurt, im „Klabunt“, vor vier Jahren (das war super!) und  zieht mich irgendwie wegen meiner ständigen Zögerlichkeit auf, so mein Eindruck. Was als Kritik und Einwand ja auch richtig ist.

Karsten Kredel von suhrkamp erzählt, das Agententreffen am Montag sei am besten und ganz unglaublich gewesen; eine Börse, wo Rechte versteigert werden, wenn ich‘s richtig verstanden hab. Barbara Wenner, die Literaturagentin, kämpft für die Rechte der Autoren und dass sie mehr Geld verdienen (um sich öfter als einmal im Jahr so entschieden schön die Kante geben zu können). Der Dichter Jan-Peter Brehmer – wir hatten uns vor 20 Jahren oder so zum ersten Mal gesehen; mein verstorbener Freund, Nachbar und taz-Redakteur Harald Fricke hatte mich mitgenommen und wir hatten dann eine EM oder WM zusammen geguckt. Jan-Peter Brehmer also erzählt lachend, wie er als wichtiger Gast vom Bahnhof mit einem AUDI A8L (glaube ich) abgeholt worden war; ein Auto, dass 300 km/h kann (wenn ich mich richtig erinnere) und in dem man sich sitzend in vier Stufen massieren lassen kann. Er erzählt von dem Buch des Preisträgers Eugen Ruge, dass er gut fand und dass Ruge irgendwo in einem Intervierw gesagt hatte, ihm gingen Anti-Fa-Mädchen auf den Geist, finden wir nicht so gut und dann geht der Preisträger ganz in echt an uns vorbei.

Mittlerweile bin auch ich recht betrunken und sage Sachen wie „Spiegel – wenn ich das schon höre!“ oder beschwere mich mehrmals darüber, dass hier niemand Hasch raucht; wohin soll das denn führen? Im Innenhof sitzt ein junger Mann auf dem Boden und tippt Sachen in seinen Laptop. Vermutlich ein Blogger. Oder Twitterer. Oder jemand sagt: „Da hinten steht Jens Jessen“; ich möchte gerne hingehen, mich vorstellen und ihm die Hand geben, vergess das dann aber wieder. Manchmal hört man komische Sätze im Vorbeigehen. Zum Beispiel: „Möchten Sie ein Sackerl?  – Dann sagen die Leute bitte, danke.“ Oder jemand spricht von den „Kaulquappen von der Welt“. Und der Verleger Klaus Bittermann ist auch für Dortmund; das geht doch nicht! Und der Literaturredakteur hat plötzlich eine Beule an der Stirn, vermittelt den Eindruck einer gewissen Wildheit und ist später dann verschwunden.

Dann ist es spät; die Reihen haben sich gelichtet; wir stehn im Hof und rauchen Zigaretten. Andrea, Ann und ich und die anderen. Auf dem Boden, auf den Sachen liegt ein Buch.

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/buchmessi_3/

aktuell auf taz.de

kommentare