Das Dekret ist auf Kyrillisch, Übersetzungen aus dem Bulgarischen hierzulande keine Massenware. Aber so viel steht fest: „Auf keinem bulgarischen Feld werden gentechnisch veränderte Pflanzen wachsen“. Damit zitiert Reuters einen Sprecher der regierenden Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens (GERB), die seit Juli letzten Jahres das Land regieren und wie die CDU Mitglied der Europäischen Volksparteien sind. Anstatt, wie ursprünglich geplant, das restriktive bulgarische Gentechnikgesetz aufzuweichen, verschärfte die GERB es nach massiven Protesten und einer Umfrage, die ergab, dass sich 97% der Bürger ein gentechnikfreies Bulgarien wünschen.
Weil ein generelles Verbot von GVOs nach europäischem Recht nicht möglich ist, nutzt das bulgarische Gesetz den Spielraum, den die EU-Richtlinie für die Vermeidung zufälliger und unbeabsichtigter Verunreinigung gentechnikfreien Anbaus eröffnet: Im Umkreis von 30 Kilometern zum nächsten Naturschutzgebiet, 10 Kilometern zum nächsten Bienenstock und 7 Kilometern zu einem Biofeld, so das Gesetz ist der Anbau von GVOs verboten.
„Damit ist der Gentechnikanbau in Bulgarien praktisch unmöglich“, freut sich Svetla Nikolova vom bulgarischen Bioverband Agrolink und der Pro Natura Koaliton, die eine treibende Kraft hinter der Kehrtwende der Regierung war. In talk-shows und Radiointerviews hatte Nikolova drastisch vor der drohenden Gesetzesveränderung gewarnt.
Den Kompromiss-Vorschlag des GERB, das Gesetz zwar aufzuweichen aber gleichzeitig ein fünfjähriges Moratorium zu verkünden, ließ das Parlament einstimming fallen, nachdem es stattdessen eine deutliche Verschärfungen des Gesetzes, die vom rechten Regeriungspartner der GERB „Blaue Koalition“ eingebracht worden waren, angenommen hatte.
Der ehemalige sozialdemokatische Ministerpräsident des Landes wies in der Debatte darauf hin, dass bereits zu seiner Amtszeit immer wieder „Druck von aussen“ auf die Regierung ausgeübt worden sei, das restriktive Gentechnikgesetz zu schleifen. Bulgarien galt neben Rumanien lange als eines der möglichen Einfallstore für gentechnisch veränderte Pflanzen, auf die sich die Lobby der Gentechnikindustrie, namentlich von Monsanto, konzentrierte. Ein Treffen von Ministerpräsident Boijko Borrisow mit US-Botschafter Warlick, bei dem letzterer wohl recht deutliche Worte für die Segnungen der Gentechnik fand, ging für die Gentechnik-Lobby wohl letztlich eher nach hinten los.
Eine wichtige Rolle bei der Mobilisierung spielte unter anderen eine internet-plattform junger Mütter namens BGMama. 55.000 Mitglieder hatten nach Angaben von Nikolova 12 bulgarische facebook-Gruppen gegen Gentechnik. Demonstrationen in 8 Städten, Kinderpostkarten an den Ministerpräsidenten, 17.000 Unterschriften unter eine Petition „gentechnikfreies Bulgarien“ sind für sie der Beweis, dass sich in ihrem Lande ein neues BürgerInnen-Selbstbewußtsein entwickelt, das künftig keine Regierung mehr ignorieren kann.
Die Schlussabstimmung über das Gesetz fiel daraufhin mit fast alt-kommunistischer Mehrheit: 144 gegen 1 bei 3 Enthaltungen. Bereits tags zuvor hatte sich das Parlament auch auf neue Kennzeichnungsbestimmungen geeinigt, die nach Bekanntwerden einiger Betrügereien in Lebensmitteln jetzt verlangt, dass eine explizite Gentechnik-Kennzeichnung mit mindestens doppelt so grossen Lettern wie der Rest der Erklärungen auf einem Produkt zu lesen sein muß. Verstösse gegen das Gentechnikgesetz kosten künftig eine halbe Million Euro.