vonSigrid Deitelhoff 02.09.2009

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Da saßen wir vormittags auf den Steintreppen des Prinzenbades und Bernd erzählte, das er sich an manchen Tagen nach dem spießigen Leben seiner Eltern sehnen würde: Nach der Arbeit gleich nach Hause. Aufs Sofa setzen. Nichts tun. Glotze anmachen. Der Partnerin zuzwinkern. Einigen Gedanken nachhängen. Nachrichten schauen. Zähneputzen. Ins Bett. Tagein tagaus, bis er sich von seinem anstrengenden Leben erholt hätte.

Ah ha, kommentierten wir. Uschi brachte das Gesprächsthema auf die anstehenden Bundestagswahlen. Wahrscheinlich nur, um Bernds depremierende Alltagsfantasien zu stoppen.

Plötzlich erzählte Malle seine Story von den letzten Europa-Wahlen. Vorher hatte er die Briefwahl beantragt, da er verreisen wollte. Er bekam aber keine Briefwahlunterlagen. Beschwerte sich beim Wahlamt und bekam die patzige Antwort, er solle dann doch eben zum Wahllokal an dem besagten Wahlsonntag gehen. Die Wahlunterlagen würden eben von einer externen Firma ausgeliefert. Falls das nicht klappen würde, hätte er eben Pech gehabt.

Doris erzählte daraufhin, sie hätte auch keine Briefwahlunterlagen bekommen und auch ihre Nachbarin von schräg gegenüber und deren Arbeitskollegin, die in der Parallelstraße wohne, auch nicht. Eine Frechheit sei das. Sie hätte aber nicht weiter nachgehakt. Aber eigentlich Schade, weil sie doch zum ersten mal die Grünen hätte wählen wollen.
Daraufhin meldete sich Bernd wieder zu Wort, nun von seinen Sehnsüchten nach einem spießigen Alltag abgekommen. Ja, er wäre ja Mitglied bei den Grünen und bei der Europawahl wären sie in einem großen Teil von Kreuzberg nicht per Briefwahl gewählt worden – hätte er in einer Übersicht gesehen. Null Briefwähler für die Grünen in Kreuzberg – schon komisch. Seine Eltern hätten ja nie Briefwahl gemacht. Was ist komisch, fragten wir ihn. Das seine Eltern nie Briefwahl beantragt hätten oder dass keinerlei Briefwähler für die Grünen in Kreuzberg gestimmt hätten. Beides, sagte er und klinkte sich wieder aus dem Gespräch aus.

Wie auch immer, meinte Malle, ich bin für ein Wahllokal im Prinzenbad. Da bin ich auch für, sagte Uschi. Ach, apropos Wahl, war der SPD-Fritze mit dem roten Wassereis schon im Prinzenbad? Was? Verstehe ich nicht – habe ich irgendwas verpaßt? meldete sich Doris zu Wort.
Na, jetzt im Bundestagswahlkampf verteilt die Berliner SPD in den diversen Schwimm- und Freibädern rotes Wassereis unter dem Motto „Der Sommer wird rot“.
Alles schon komisch. Wassereis gab es hier noch nicht und der Sommer ist jetzt sowieso schon vorbei, murmelte Malle. So eine bescheuerte Aktion. Ich gehe mal eine Runde schwimmen. Kommt jemand mit?

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