vonKarim El-Gawhary 16.07.2010

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An einem Zeitungstand in Paris: Quelle:Djav McKenzie/IPS

Das diese Woche vom französischen Parlament beschlossene Burka-Verbot erhitzt die Gemüter. Hier zwei bedenkenswerte höchst unterschiedliche Positionen dazu.

Pro

Die saudische Bloggerin Eman Al Nafjan kritisiert in ihrem Saudiwoman’s Weblog den Fokus auf den Gesichtsschleier. „Die Frage ist neben dem Glaubensbekenntnis, dem Gebet, der Pilgerfahrt nach Mekka, dem Fasten im Ramadan und der Almosensteuer zur sechste Säule des Islam geworden“, schreibt sie. „Der Gesichtsschleier wurde zum falschen Banner unser Frömmigkeit“, ärgert sie sich. Es sei egal ob du stiehlst oder deine Freunde verleumdest, solange das Gesicht bedeckt ist, werde man von der Gesellschaft als gottesfürchtige Person angesehen.

Sie begrüßt die Entscheidung des französischen Parlaments. Frauen sollen in dieser Frage keine Wahl haben, fordert sie. „Für jede Frau, die tatsächlich aus freien Stücken den Gesichtsschleier wählt, gibt es hunderte, wenn nicht sogar tausende, die vom religiösen Establishment, der Familie und der Gesellschaft unter Druck gesetzt werden, ihr Gesicht zu bedecken“, argumentiert sie. „Was sollen wir opfern? Die eine Frau, die es dadurch schafft Gott näher zu sein oder diese hundert anderen, damit die erste eine freie Wahl hat“, fragt sie.

Sie erzählt von den saudischen Frauen, die darauf konditioniert wurden, dass der Gesichtsschleier unabdingbar ist und die vor dem Fernseher sitzen und unverschleierte Frauen sehen und kommentieren: „Sie bekommen die Welt und wir das Jenseits“.

Contra

Ein interessanter Artikel in der New York Times, geschrieben von Ronald P. Sokol, einem Anwalt, der zuvor den Fall einer Muslimin vor den europäischen Menschenrechts-Gerichtshof gebracht hatte, der von den französischen Behörden die Einbürgerung verweigert wurde, mit dem Argument sie habe sich nicht genug integriert.

Er argumentiert gegen das sogenannte Burka-Verbot. Mit über 30 Millionen Französinnen und nach letzten Schätzungen einem Maximum von 2000 Frauen, die den Gesichtsschleier tragen, sei das Problem marginal und nicht wert im Zentrum der Debatte des französischen poltischen Establishments zu stehen. Das ganze Problem sei fabriziert.

Sokol setzt sich auch mit dem Argument Jean-François Copé, dem Fraktionschef der Parlamentsmehrheit in Paris auseinander. Unter anderem rechtfertigt Copé das Verbot damit, dass „die Sichtbarkeit des Gesichtes in der Öffentlichkeit ein fundamentales Prinzip“ sei. Er fragt: „wie kann man mit einer Person eine Beziehung aufbauen, die ihr Lächeln und ihren Blick versteckt“. Der Niqab oder die Burka sei eine Weigerung in den Augen der anderen zu existieren, meint Copé.

„Wenn eine Frau die Pflicht hat, ihr Gesicht zu zeigen, dann muss jemand anderes das Recht haben es zu sehen“, hält Sokol dagegen und fügt hinzu: „Ich kenne kein solches Recht, weder in der Internationalen, noch in der Europäischen  Menschenrechtskonvention“.

Copé mag wollen, dass ihm die Passanten ein Lächeln oder einen Blick schenken, ein Recht das zu fordern, habe er nicht. Sicher, argumentiert Sokol, sei der Gesichtsschleier nicht sozial offen, aber es gebe in demokratischen und pluralistischen Gesellschaften glücklicherweise keine Plicht sozial offen zu sein.
Monsieur Copé mag Recht haben, wenn er sagt, dass der Gesichtsschleier „eine Maske ist, die die Teilnahme am wirtschaftlichen und sozialen Leben unmöglich macht, aber argumentiert Sokol, es gäbe keine rechtliche Pflicht der Teilnahme.

Zum Schluss widmet sich Sokol dem Argument Copés, dass das Verbot nicht auf eine bestimmte Religion abzielt, da der Koran die Frauen nicht instruiere, einen Gesichtsschleier zu tragen. „Auch in der Bibel gibt es kein Gebot, dass besagt, dass Christen ein Kreuz tragen sollten“, entgegnet Sokol und führt fort : „Aber sollte jemand auf die Idee kommen das Tragen von Kreuzen in der Öffentlichkeit zu verbieten, würde das nicht als ein Angriff auf eine bestimmte Religion wahrgenommen?“ Soweit der Artikel in der NYT.

Für mich stellt sich die Frage, ob der Weg des rechtlichen Verbots tatsächlich der richtige ist, sich dem Phänomen der wachsenden Zahl von Niqab-Trägerinnen in der arabischen Welt und in Europa entgegenzustellen. Denn wie folgendes Video zeigt, ist es einfach, solche rechtlichen Bestimmungen auszuheben und lächerlich zu machen. Oder ist das ein ernsthafter Versuch, eine Lösung zu finden?

„Wenn ihr auf ein Amt geht, dann macht es einfach so wie ich, tragt einen medizinischen Gesichtsschutz. Es kann keiner fordern, dass ihr den abnehmt“, lautet die Empfehlung der Frau im Video.

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=ZAMx5yomJXg[/youtube]

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Dazu am Ende nur eine kleine Anmerkung:

Als Journalist bin ich für Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt und lasse auch Kommentare zu, die überhaupt nicht meiner Meinung entsprechen. Leider kommen immer wieder Kommentare, die offen rassistische (meist gegen Muslime und Araber) oder, beim Thema Israel, antisemitistische Töne anschlagen. Manchmal ist es auch einfach nur die gewählte Sprache oder der Versuch mich persönlich anzugreifen. Derartige Kommentare schalte ich nicht frei. Die Schreiber dieser Werke können sich also ihre Mühe sparen.

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