vondorothea hahn 09.03.2010

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Vor acht Wochen und einem Tag sind die beiden Männer in meine Pariser Wohnung gekommen. In beinahe neun Stunden Arbeit haben sie meine Möbel, Kleider, Geschirr, Bücher, CDs und Teppiche in Kunststücke aus Karton und Klebeband verwandelt. Am Ende trugen sie alles in einen großen Laster.

Für mich begann ein Leben ohne. Nur mit einem Koffer ausgestattet, fühlte ich mich leicht, wie lange nicht mehr. Ich hatte Wintersachen eingepackt. Etwas Warmes für Reportagen im Freien. Etwas Gepflegtes für die Arbeit. Und etwas Elegantes für besondere Anlässe. Dazu einen Computer, ein Aufnahmegerät, ein Mobiltelefon und Dokumente, von denen ich wußte, daß ich sie für den Start in den USA brauchen würde.

Durchschnittlich würde ein Umzug von Paris nach Washington zwei bis drei Wochen dauern hatte der Unternehmer gesagt. In der Zwischenzeit würden die Möbel von Paris aus in einen Hafen gebracht und dort nach Baltimore eingeschifft werden. Baltimore ist eine Dreiviertelstunde von Washington entfernt.

Ich hatte dem elsässischen Unternehmer meinen Zuschlag nach langen Verhandlungen gegeben. Die anderen Angebote kamen aus Schottland und aus Berlin. Alle drei Anbieter hatten bei fast identisch hohen Preisen begonnen. Alle drei waren fast gleich viel herunter gegangen. Und alle drei rühmten sich langjähriger Erfahrungen mit den USA. Als ich mich entscheiden mußte, wählte ich das Unternehmen, das Paris am nächsten lag.

Den immer noch beeindruckend hohen Preis rechtfertigte ich damit, dass ich mich in meinen eigenen Möbeln in dem neuen Land schneller Zuhause fühlen würde. Und dass die komplette Neuanschaffung eines Hausstandes in den USA vermutlich auch nicht billiger werden würde. Abgesehen davon hatte ich in Paris gar keinen Platz, an dem ich meine Möbel hätte unterstellen können.

In der zweiten Februarwoche – einen Monat nachdem die Männer mit meinen Kartons in Paris abgefahren waren und während ich meine Möbel bereits in unmittelbarer Nähe wähnte – erhielt ich in Washington ein Mail von meinem Umzugsunternehmer. Er teilte mir mit, die Möbel seien in Antwerpen. Sie würden in den nächsten Tagen auf ein Schiff verladen. Und  kämen voraussichtlich am ersten März in New York an. Bei der Gelegenheit erfuhr ich auch, dass meine Möbel zwischendurch einen Schlenker über Strassburg gemacht hatten.

Natürlich habe ich über die lange Wartezeit geschimpft. Aber der auf die USA spezialisierte Unternehmer ließ sich auf keine Diskussion ein. Er habe eben früher niemanden gefunden, der ebenfalls von Paris nach Washington umzog und mit dessen Möbeln er meinen Container hätte auffüllen können, antwortete er. Eine Erklärung für den doppelten Schlenker über Straßburg und New York, bei dem meine Möbel hunderte von Kilometern durch Europa und von Meilen durch die USA reisen, bekam ich nicht.

Schon Ende Januar hatte ich mich in Washington neu eingekleidet. Auf Schneehöhen bis zum Oberschenkel, war ich nicht eingestellt. Ich brauchte eine Mütze, Moonboots und Skiunterwäsche. In der neuen Wohnung liehen mir Nachbarn eine Matratze und Bettzeug. Sie versorgten mich auch mit einem kleinen Kochtopf, einer Pfanne, zwei Stühlen, einem Klapptisch und ein bisschen Geschirr.

Am Anfang war das Campieren in den leeren Räumen lustig. Ich fühlte mich  in die Wohnung ein. Malte mir aus, wohin ich die Möbel stellen und die Bilder hängen würde. Und änderte immer wieder meinen Plan. In der Küche improvisierte ich kleine Gerichte mit einem Topf, einer Pfanne und drei Tellern.

Am Ende des ersten Campingmonats hatte ich die Wohnung in Gedanken eingerichtet. Es fehlten nur noch die Möbel.

Heute – eine Woche nach ihrer angekündigten Ankunft in New York – habe ich erneut ein Mail von meinem Umzugsunternehmer erhalten. Er teilt mit, dass der Container mit den Möbeln in New York angekommen seien und dass die US-Behörden ihn für vertiefte Zollkontrollen ausgewählt hätten. Sie würden meine Möbel röntgen. Dadurch, so schreibt er, entstünden zusätzliche Kosten. Die werde er mir in Rechnung stellen. Vertragsgemäß.

Von einem Liefertermin ist in dem Mail keine Rede. Da gerade der Frühling in Washington ausbricht, und mein Reisekoffer dafür nichts her gibt, werde ich mich in den nächsten Tagen wieder neu einkleiden.

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