Japans Kyodo News berichtete kürzlich unter Berufung auf ein durchgesickertes internes Dokument der Kommunistische Partei Chinas (KPCh), dass Xi Jinping bei einem Treffen der Zentralen Militärkommission Ende 2020 betont hatte, dass die Volksarmee auf den Ausbruch eines Krieges vorbereitet sein sollte. Für die meisten Länder dient die Unterhaltung von militärischen Streitkräften sich auf einen möglichen Ausbruch eines Krieges vorzubereiten. Xi wies aber eindeutig auf ein bestimmtes Schlachtfeld hin – die Taiwanstraße.
Zweieinhalb Jahre sind vergangen und in dieser Zeit hat Putin ein Beispiel dafür gegeben, wie ein Krieg ausbrechen könnte. Dennoch können die Vorbereitungen der KPCh auf eine militärische Lösung der Taiwan-Frage noch immer kaum als abgeschlossen betrachtet werden.
Die Grenzen des „Wohlwollens“
In der Propaganda der KPCh wird oft der Konfuzianismus angepriesen. Ein sehr berühmtes Maxime unter den konfuzianischen Grundsätzen, das zuerst von Mengzi geschrieben wurde – lautet: „Der wohlwollende Mensch ist unter dem Himmel unbesiegbar“. Also ist ein blutiger Krieg eigentlich nicht notwendig. Die KPCh hat immer behauptet, dass die Taiwan-Frage eine interne Angelegenheit sei, das heißt, die Taiwanesen sind auch Teil des „chinesischen Volkes“. Daher muss sie alles tun, um zu viele zivile Opfer und Leiden zu vermeiden. Die Bombardierung Taiwans zurück in die Steinzeit, das Blockierung der Schifffahrtsrouten, um die Bevölkerung auszuhungern, und die Zerstörung der Infrastruktur, um der Bevölkerung Leid zuzufügen, stehen sicherlich nicht im Einklang mit „Wohlwollen“.
Bei massiven zivilen Opfern werden die Gegner der KPCh sicherlich versuchen, die öffentliche Meinung gegen gegen sie aufzubringen. Man stelle sich vor, Fotos von Kinderleichen, verursacht von KPCh-Streubomben in den Ruinen von Taipeh, würden die Schlagzeilen großer internationaler Medien beherrschen – was würde passieren? Wenn man den Umstand berücksichtigt, dass Taiwan die Unterstützung der USA hat (und unter der Bedingung, dass letztere weiterhin davon absehen, Truppen direkt nach Taiwan zu schicken), ist es umso wichtiger für Peking, die internationale öffentliche Meinung für sich zu gewinnen. Wenn Peking einen zu brutalen Krieg führt, könnte dies die internationale öffentliche Meinung dahingehend beeinflussen, dass eine militärische Unterstützung von Taiwan und Sanktionen gegen China unterstützt würden.
Taiwan ist eine hochgradig urbanisierte und dicht besiedelte Insel. Keine militärische Macht kann die Vermeidung von zivilen Opfern in einem derartigen Operationsgebiet im Falle eines groß angelegten Krieges sicherstellen..
Igelinsel
Selbst wenn Xi beschließt, den Grundsatz des „Wohlwollens“ aufzugeben, steht seine Armee dennoch vor Schwierigkeiten, auf die Insel zu gelangen.
Wie wir alle wissen, ist Taiwan von Meer umgeben, und es gibt nur zwei Möglichkeiten für die Volksarmee, dorthin zu gelangen: mit dem Schiff oder mit dem Flugzeug. In dieser Hinsicht wäre es viel schwieriger als die russische Invasion der Ukraine: Transportflugzeuge und Landungsschiffe sind mit modernen Aufklärungsgeräten viel sichtbarer als Lastwagen, Panzer und Infanterie; erfahrene Piloten und Matrosen, einmal verloren, sind erheblich schwerer zu ersetzen als Lastwagenfahrer und Panzerbesatzungen; und Land ist viel zugänglicher im Vergleich zum Meer, das von Zeit zu Zeit sehr stürmisch werden kann. Alle erfolgreichen groß angelegten Landeoperationen gegen gut verteidigte Ziele in der modernen Kriegsführung wurden bisher nur von der US-Armee durchgeführt. Die russische Armee, die als die zweitmächtigste der Welt gilt, wagte es nicht, eine amphibische Landung in Odessa durchzuführen. Und die aktuelle Verteidigungstärke Taiwans ist gegenüber der der Ukraine im Vorjahr zweifellos weit überlegen.
Taiwan ist derzeit mit mindestens 7.000 Flugabwehrraketen und 1.000 Seezielflugkörper ausgerüstet, die höchste Dichte weltweit, weshalb es als „die Igelinsel“ bezeichnet wird. Die Stacheln des Igels sind jedoch nicht alle sichtbar: Diese Raketen können in den Bergen versteckt sein und nur aus ihren soliden Bunkern kommen, wenn feindliche Schiffe in Reichweite sind; viele der Raketen werden in Taiwan hergestellt, und die einheimischen Fabriken können sie im Kriegsfall weiter produzieren; unter Berücksichtigung der historischen militärischen Allianz zwischen den USA und Taiwan könnte die erstere geheimgehaltene Waffenlager auf der Insel haben, die nur auf den geeigneten Zeitpunkt warten, um genutzt zu werden.
Raketen sind nicht das einzige, was ein Transportschiff auf See bedrohen kann. U-Boote, Raketenstartsysteme, Haubitzen, Drohnen und Minen können alle diese langsam Kähnen beschädigen. Es ist sehr schwierig, alle Verteidigungsmöglichkeiten Taiwans gegen Landungstruppen auszuschalten.
Natürlich könnte Xi Jinping seine zweitgrößte Flotte der Welt entsenden, um die Landung unter Feindfeuer durchzuführen, und darauf hoffen, dass seine an Bord befindlichen Abwehrsysteme die Landungsschiffe schützen. Aber das bedeutet in vielen Fällen ein Risiko wie bei der Moskva – dem Flaggschiff der Schwarzmeerflotte der russischen Marine, das im vergangenen April gesunken ist. Jegliches Szenario von chinesischen Kriegsschiffen, die bei einem Frontalangriff von Taiwans Raketen versenkt werden, sieht für Peking überhaupt nicht ermutigend aus, ganz zu schweigen von den schweren Verlusten auf beiden Seiten – Chinesen töten massenhaft Chinesen?
Militärische Intervention durch Dritte?
Viele Menschen sorgen sich oft um einen direkten Krieg zwischen China und den USA. Tatsächlich will die KPCh dieses Szenario mehr als jeder andere vermeiden. Im letzten Jahr veröffentlichte das US-amerikanische Think Tank China Aerospace Studies Institute einen sehr detaillierten Bericht über die Raketenstreitkräfte Chinas, was offensichtlich eine Demonstration von militärischer Aufklärungsfähigkeit war.
Was die Waffen betrifft, nutzt die neueste US-Technologie bereits KI, um F-16 im Kampf zu steuern während die KPCh immer noch damit beschäftigt ist, die Zuverlässigkeit der inländisch produzierten Flugzeugtriebwerke zu verbessern. Wenn die KPCh-Generäle nicht alle den Verstand verloren haben, müssen sie sich sehr wohl darüber im Klaren sein, dass ein Krieg zwischen China und den USA heute eine Wiederholung des Golfkriegs von 1991 wäre.
Selbst wenn die USA und ihre Verbündeten keinen einzigen Soldaten nach Taiwan schicken und nur Unterstützung wie in der Ukraine bieten, darf dies nicht unterschätzt werden. Mögliche Unterstützungen könnten sein: Geheimdienstinformationen aus den Überwachungseinrichtungen entlang der ersten Inselkette, unterbrechungsfreie Kommunikationssysteme, KI-unterstützte Schlachtfeldführungs- und Kommandosysteme, elektromagnetische Störungsoperationen zur Beeinträchtigung der Raketen der Volksarmee usw. Was die Hauptbedenken der Öffentlichkeit bei der Waffenhilfe betrifft, ist dies viel einfacher als im Fall der Ukraine. Taiwan benötigt keinen ständigen Strom von Panzern, Artillerie, Gewehren und anderer Ausrüstung für eine Landkriegsführung. Wenn diese Waffen benötigt werden, ist der Verlust der Insel bereits unausweichlich.
Und der Transport der am dringendsten benötigten Verteidigungsraketen für Taiwan ist nicht so schwierig, wie man vielleicht denken mag. Als Beispiel wiegt eine 155-mm-Haubitzengranate 40-50 Kilogramm und ein Harpoon-Seezielflugkörper wiegt 600-800 Kilogramm. Die USA haben bereits mindestens 800.000 Schuss 155-mm-Haubitzenmunition in die Ukraine verschifft. Nur ein Prozent dieser Versandkapazität kann etwa 400 Harpoons transportieren – das ist mehr als die Gesamtzahl der Schiffe der Marine der Volksarmee. Der Igel kann immer neue Stacheln wachsen lassen, wie wollen die Falken und Hunde mit ihren Klauen und Zähnen an ihn herankommen?
Natürlich haben die USA ihre eigenen imperialistischen Überlegungen, und es wäre naiv, sich uneingeschränkt auf ihre Zusagen zu verlassen. Hier liegt unser Fokus, eine objektive Einschätzung der Stärke beider Seiten zu geben. Unabhängig von der Frage, ob die USA direkt militärisch intervenieren oder nicht, bleibt ihre überlegene militärische Ausrüstung ein mächtiges und reales Abschreckungsmittel für die KPCh sich für eine vollständige militärische Offensive gegen Taiwan zu entscheiden.
Vor allem hoffen wir, dass die KPCh mit der Erkenntnis solch großer Risiken ihre Idee einer erzwungenen Vereinigung mit Taiwan aufgibt und der Welt ermöglicht, Schwerter zu Pflugscharen und Feindseligkeiten in Frieden zu verwandeln. Es ist keineswegs ideal, dass das Recht Taiwans, als Nation zu existieren, von den Waffen der USA abhängt. Aber wir müssen auch im Hinterkopf behalten, dass, obwohl der Imperialismus im Allgemeinen eine böse Kraft ist, wir auch den Fehler einer pauschalen Verallgemeinerung vermeiden. In Bezug auf die internationalen Beziehungen – die äußerst kompliziert und chaotisch sind, vor allem unter Beteiligung mehrerer imperialistischer Länder – sollten wir, anstatt das zu tun, was die Chinesen als „Ein-Messer-Schnitt“ (一刀切) oder als „eine Einheitsgröße für alle“-Ansatz bezeichnen würden, gleichzeitig auf beiden Ebenen arbeiten – einer allgemeinen Kritik des Imperialismus und der Fähigkeit, die Besonderheiten der konkreten Situation, um die es geht, zu erkennen.
Übersetzung von P. Franke, Forum Arbeitswelten