vonchina-watch 14.12.2021

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Was passiert hinter der Orwellschen Großen Mauer? Beobachtungen und Kommentare von Au Loong-Yu zu China und Hongkong.

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Die Regierung in Peking muss die Autonomie Hongkongs beenden, weil sie eine Gefahr für ihr andauerndes Machtmonopol und ihre Aneignung des Reichtums der Nation darstellt. Ein zweiter Grund für Peking ist, dass es durch die Abwicklung Hongkongs auch den politischen Einfluss der USA und Großbritanniens, die dort ihre Muskeln spielen lassen, loswerden kann. Hongkong wird damit auch zu einem Schlachtfeld für den globalen Wettbewerb zwischen China und den USA.

Im Jahr 2019 , auf dem Höhepunkt der Revolte, hielt Mike Pence eine Rede, die sich gegen Peking richtete und die von einigen als Verkündung eines neuen Kalten Krieges angesehen wird. Ich zögere jedoch, den Begriff „neuer Kalter Krieg“ zu verwenden. Denn während des alten Kalten Krieges fand in Asien im wahrsten Sinne des Wortes ein heißer Krieg statt und das US-Imperium war in der Offensive, während die Chinesen und Vietnamesen eher in der Defensive waren. Hinter dieser offensiv-defensiv Dichotomie verbarg sich auch der Gegensatz zwischen Kolonialismus und Antikolonialismus. Wer sich für Demokratie und Selbstbestimmung der unterdrückten Völker einsetzte, hätte sich nicht für die Neutralität entschieden, geschweige denn für die Seite der USA.

Die heutige Situation ist ganz anders. Pekings derzeitiger Wettstreit mit den USA ist kein Wettstreit mit dem Imperialismus an sich, es geht nicht darum, ihn durch etwas Besseres zu ersetzen. Es ist ein Wettbewerb darum, wer das letzte Wort bei der Aufteilung der globalen Wertschöpfungskette hat, ein Wettbewerb, der zudem zutiefst ungerecht ist. Man muss bloß schauen, was chinesische Konzerne in der ganzen Welt tun. (1)  Ihre Investitionen sind die gleichen wie die jedes imperialistischen oder ausbeuterischen Regimes, nämlich die Verfolgung der Maximierung des Profits auf Kosten der Erde und der arbeitenden Menschen.

Beim Versuch der Positionierung im Wettbewerb zwischen China und den USA, wird über Chinas politisches Regime debattiert. Manche sagen, China sei ein autoritäres Regime. Aber diese Beschreibung ist nicht sehr zufriedenstellend, denn normalerweise sind autoritäre Regime nicht in der Lage, ein solches Maß an Kontrolle über die gesamte Bevölkerung auszuüben, von der sozialen und wirtschaftlichen Kontrolle bis hin zur Kontrolle der Gedanken. Bei einem solchen Ausmaß an Kontrolle ist es verlockend zu sagen, dass China eher totalitär als autoritär ist. Auch hat der Begriff totalitär eine starke Konnotation mit dem alten Kalten Krieg, obwohl er selbst dem Kalten Krieg vorausging. Ich denke, eine der Schwierigkeiten liegt in der Tatsache, dass China von allem etwas ist. Nach gewissen Maßstäben ist es ein Entwicklungsland, aber nach anderen Maßstäben ist es ein aufstrebendes imperialistisches Land. Einerseits ist es die Werkbank der Welt, und das bedeutet, dass seine Sweatshops nur einen kleinen Anteil an der globalen Wertschöpfungskette erhalten können – ein typischer Fall von abhängiger Akkumulation. Andererseits steckt der chinesische Staat riesige Summen in die Förderung einheimischer Innovationen und ist damit recht erfolgreich. Das Land weist nun auch starke Merkmale einer selbständigen Akkumulation auf. China verkörpert eine Ansammlung von zahlreichen Widersprüchen.

Es gibt nur ein Merkmal der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh), das seit 1949 sehr beständig ist, ihre Ablehnung der Pressefreiheit und demokratischer Rechte für die arbeitenden Menschen und ihr Beharren auf ihrem göttlichen Recht, das Volk einer Gehirnwäsche zu unterziehen. Ich hatte einmal ein Gespräch mit einem Dissidenten vom Festland. Er war wegen seiner Aktivitäten einen Monat lang inhaftiert. Als er freigelassen wurde, sagte ihm die Geheimpolizei, dass „unsere Partei die Gedankenfreiheit respektiere und Sie sicherlich Ihre eigenen Gedanken haben können, solange Sie diese nicht äußern“. So wird die Gedankenfreiheit respektiert.

Ich denke, in der Debatte über den Wettbewerb zwischen China und den USA konzentrieren sich einige zu sehr auf die Vorzüge oder Nachteile dieses oder jenes Staates und vergessen dabei, dass wir als Sozialisten immer das Wohlergehen des Volkes in den Vordergrund stellen sollten. Manche verkünden voreilig ihre Zustimmung und verweisen dann auf Artikel, in denen sie Pekings Leistungen bei der Verbesserung der Wirtschaftslage aufzeigen, z. B. wie weit die Armut beseitigt oder wie viele Arbeitsgesetze verabschiedet wurden usw., um zu beweisen, dass dank der KPCh-Regierung für das Wohlergehen des chinesischen Volkes gesorgt wurde. Das wiederum beweise, dass der chinesische Staat fortschrittlich, während der US-Staat reaktionär sei. Und dann entscheiden sie sich, Peking in diesem globalen Wettbewerb um die Vorherrschaft zu unterstützen. Dies geht jedoch weitgehend an der Sache vorbei. Erstens: sind die offiziellen Zahlen meist irreführend, wenn nicht sogar völlig falsch. Zweitens: will man die tatsächliche Situation an der gesellschaftlichen Basis kennenlernen, muss man erfahren, was einfache Leute zu sagen haben und wie sie ihr Leben leben. Leider kümmern sich aber nur Wenige, die Peking in seinem Widerstand gegen die USA unterstützen, um diese Menschen.

Drittens: Ich bin der Meinung, dass das wirtschaftliche Wohlergehen der arbeitenden Bevölkerung in China von untergeordneter Bedeutung ist, wenn es um die Frage geht, ob die Menschen in den Genuss politischer Rechte kommen. Ich denke, dass die Frage, ob das Volk politische Rechte genießt, unser wichtigstes Kriterium für die Beurteilung des Regimes in Peking sein sollte. Wenn den Menschen diese Rechte verweigert werden, haben sie früher oder später buchstäblich alles verloren. Selbst wenn sie momentan über ein angemessenes Einkommen verfügen, ist dies niemals sicher, denn die Gefahr einer erneuten Aneignung durch den Staat oder durch Unternehmen, die mit der Partei zusammenarbeiten, ist immer gegeben. Denken wir nur an die Bauern in der Mao-Ära: Bei der Landreform in den frühen 1950er Jahren wurde ihnen ein Stück Land zugewiesen, das sie dann innerhalb weniger Jahre an die so genannte Kommune verloren. Erst in den 1980er Jahren bekamen sie ihr Land zurück, nur um es bei der aktuellen Landnahme, die oft von lokalen Parteifunktionären angezettelt wird, wieder zu verlieren.

Was die Arbeitsrechte betrifft, so hat sich seit der Zerschlagung der NGOs, die mit der Verbesserung der Arbeitsbedingungen befasst waren, im Jahr 2015 auch die Missachtung der Arbeitsgesetze ausgeweitet, wie der so genannte 996-Arbeitskonflikt (2) gezeigt hat. Diese Verweigerung grundlegender politischer Rechte durch den Parteistaat reicht aus, um zu sagen, dass das chinesische Regime völlig ungerecht ist und durch ein demokratisches ersetzt werden muss. Der Wettstreit China-USA sollte daher im Zusammenhang mit den Interessen des Volkes in seinem historischen Kampf für die Emanzipation beurteilt werden.

Übersetzung  von P. Franke, Forum Arbeitswelten

Anmerkungen:

  1. Siehe Globalization Monitor, China’s Overseas Investment in the Belt and Road Era, A people’s and environmental pespective, Aug. 2021
  2. 996 heißt in vielen chinesischen Firmen der Alltag, von neun Uhr morgens bis neun Uhr abends, sechs Tage die Woche zu arbeiten. Siehe Spiegel vom März 2019

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kommentare

  • Das ist ein Kommentar eines Handlangers der US-Oligarchie. Denn ein indisches Kind, das verhungert hat keinen Nutzen, dass Indien eine Demokratie ist. Indische Bauern, welche ihre Kredite nicht zurückzahlen können und sich das Leben nehmen auch nicht. Wenn jedoch der aktuelle Parteichef in China von einem Gorbatschow abgelöst wird, kann China viel schneller in eine Demokratie nach japanischem Vorbild – wo immer die gleiche Partei die Regierung stellt – transformiert werden. Singapur kann man auch als Beispiel nehmen.

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