vonClaudia Mussotter 17.06.2010

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Die Johannisnacht ist nicht nur die kürzeste, sie ist auch die magischste Nacht des Jahres. Mystisches, Heidnisches, Religiöses, Volkstümliches und Historisches, im Lauf der Zeit miteinander verschmolzen, machen die Nacht zum facettenreichen Festtagsvergnügen, mit Feuerspektakeln, Ritualen, Essen, Trinken, Musik und Tanz bis zum Morgengrauen. In dieser Nacht kann alles passieren.
Besondere Bedeutung haben die Feiern zu Ehren von Sant Joan an der Mittelmeerküste, vom katalanischen Port Bou über die Balearen bis in den Süden der Comunidad Valenciana. So etwa in Alicante, wo der Sommeranfang mit dem Verbrennen der berühmten Hogueras, skurrilen Pappmachéfiguren, begrüßt wird.
Altes Brauchtum verlangt nach der entsprechenden kulinarischen Begleitung. Und vielleicht sind die Feiern zu San Juan oder Sant Joan so alt wie die Coca selbst, der typische, einer Pizza ähnliche Kuchen oder Fladen, der sie begleitet. Obwohl man an der Levante-Küste das ganze Jahr über Cocas schätzt, darf die traditionelle „Empanada“ an diesem Festtagsvergnügen auf gar keinen Fall fehlen.

Zentrum der Coca-Bäckerei ist denn auch das Dreieck Katalonien – Land Valencia – Balearen; wobei jede Region ihre Spezialitäten hat. Rund, oval oder rechteckig, bedeckt, gefüllt, süß oder salzig – charakteristisch für die Coca ist ihre vielfältige Präsentation. Dabei zählte sie nie zur noblen Küche, sondern diente einfach der Resteverwertung. War ein Stück Teig vom Brotbacken übrig, wurde es flugs ausgerollt und mit einem Stück Wurst, einem gesalzenen Fisch oder etwas geschmortem Gemüse belegt, mit einem Schuss Olivenöl begossen und gebacken. Stand die Küche der Bäckerin mehr im Landesinneren, kamen Grieben, Äpfel, Käse oder Nüsse drauf. Es konnte auch ein Stück Chorizo sein, eine süße Kürbisfüllung, Auberginen, Pilze, Spinat und Pinienkerne: Es existieren sicher ebenso viele Versionen, wie es Coca-Bäcker gibt.

Im Gegensatz zu den Katalanen, die auf eine süße Coca de Sant Joan mit konfitierten Früchten schwören, lieben die Alicantiner es deftig. Coca amb Tonyina, ein Kuchen mit eingesalzenem Thunfisch, wird traditionell an Johanni gebacken. Salz, Wasser, der Fischfang und die klimatischen Bedingungen an der Küste – die Voraussetzungen für die Herstellung der so genannten Salazones an der Costa Blanca waren ideal. Ihren Ruhm begründete in erster Linie die Verarbeitung des Atún rojo, des Roten Thunfischs oder Blauflossenthun, der zwischen April und Juni seinen Weg durch die Meerenge von Gibraltar sucht, um in den warmen Gewässern zu laichen. Gefangen wurde dieser sowohl auf dem Hinweg, fett und voller Rogen, wie auch abgemagert bei der Rückkehr in den Atlantik. Dazu wurden sogenannte Almadrabas installiert, ein Labyrinth aus Netzen, das letztlich in eine Art Kammer ohne Ausweg führt.
Diese uralte Kunst des Thunfischfangs wurde auch an der valencianischen Küste gepflegt, wobei die Fischer von Benidorm als die besten Techniker galten. Fabriken entstanden vor der Alicantiner Küste, der Handel mit dem salzigen Fisch war ein wichtiges wirtschaftliches Standbein und verhalf der Stadt zu einigem Ruhm. „Mojama de Alicante“, ein Salazón aus dem edlen Filetstück hergestellt, galt als Markenzeichen und war in Madrid und anderen Städten im Inland sehr geschätzt – früher wie heute ein teures Vergnügen.
Mit dem Vergnügen ist jetzt erst mal – und vielleicht für lange oder sogar immer – Schluss. Japan hat seinen Bestand an dem geschätzten Thunfisch leergefischt, dann ging es an die europäischen Reserven, aber es gibt auch an spanischen Küsten kaum mehr Roten Thunfisch, er ist hoffnungslos überfischt. Schon nach der Hälfte der Zeit war dieses Jahr die erlaubte Fangquote ausgeschöpft, weshalb die EU große Fischerboote mit sogenannten Ringschwadennetzen mit einem Fangverbot belegt hat. Bezeichnend, dass gerade erst in der Fischversteigerungshalle von  Alicante Roter Thunfisch beschlagnahmt wurde, der nicht wie vorgeschrieben ausgezeichnet war. Er kam aus Griechenland.
Da wird man vielleicht bald wohl oder übel – auch an solch hohen Festtagen wie San Juan – auf die Döschen mit dem weniger geschätzten Weißen Thun zurückgreifen müssen. Oder von den Japanern kaufen, die anscheinend etliche Tonnen tiefgefroren haben, um zu warten, bis kein Thunfisch mehr auf dem Markt ist,  um dann Fantasiepreise zu verlangen.  Oder es ganz sein lassen. Mit Gemüse, wie auf den Balearen gebacken,  schmecken die Cocas ebenso gut.
Zur Coca – traditionell nach der Plantà, dem Aufstellen der in der Nacht in Flammen aufgehenden Pappmachéfiguren, gereicht – trinkt man vielleicht ein Glas leichten Tinto. Zum Dessert werden in den Barracas und Racós, den provisorischen Festzelten, Bacores, die ersten Feigen des Jahres, angeboten. Dazu reicht man Anis oder einen Moscatel.
Diese Bacores, auch Brevas genannt, sind Feigen, die nicht im Herbst zur Reife kommen. Sie überwintern am Baum und wachsen erst wieder im folgenden Frühjahr nach. Berühmt sind die Feigen von Agost, Albaida oder Montaverner, und weil die übergroßen frühen Feigen bei Valencianos so beliebt sind, kursieren auch viele Sprüche, Reime, Refrains um die frühen Früchte des Ficus carica wie: „A Sant Joan bacores, verdes o madures, bacores segures“. Grob übersetzt heißt das: An Johanni Feigen, ob sie reif sind oder nicht.

Was den Franzosen der Pastis, ist den Spaniern ihr Anís Tenis. Monforte del Cid im Vinalopó-Tal in der Provinz Alicante ist die Heimat eines der beliebtesten Getränke an der Levanteküste. Und Monforte del Cid nennt sich auch die Destillerie, die seit 1921 besteht und die Marke „Tenis“ mit großem Erfolg vertreibt.
Getrunken von den Hartgesottenen pur schon als Stärkung am Morgen, vermischt mit Wasser, als so genannte Paloma (ein Teil Anis zu vier Teilen sehr kaltem Wasser), dient er am Mittag zur Erfrischung in höllisch-heißen Sommern.
Der Anís seco, trockener Anis, stand übrigens nie in Konkurrenz zu beispielsweise Whisky oder Wodka und wird in seiner Funktion auch nie aus der Mode kommen.
Seine Herstellung ist einfach: Das Geheimnis besteht in der korrekten Mischung von Alkohol, Wasser, Zucker und Anis. Der Anís Tenis ist übrigens aus Sternanis gemacht, den man aus dem Süden, besonders Almería und Jaén, bezieht.
Vor allem in den Provinzen Murcia und Alicante ist der Anis zu Hause, was wundert’s, wenn er dort als Bestandteil traditioneller Feiern nicht fehlen darf.

Coca amb Tonyina
Zutaten: Thunfisch, so viel man will (heuer am besten aus der Dose), 1 kg Zwiebeln, 1/4 l Pflanzenöl, 500 g Mehl, 30 bis 40 g Pinienkerne, ein Glas Weißwein oder trockenen Anis,  Paprika edelsüß, schwarzer Pfeffer, Salz, evtl. etwas Zitronenschale, wenn nötig, ein bisschen heißes Wasser, verquirltes Ei;
Tipp: Es würden sich übrigens auch ein Paar Tomaten und gehackte Petersilie gut in der Füllung machen
In einer Pfanne auf kleinem Feuer die Zwiebelwürfel in Olivenöl dünsten. Wenn sie fast weich sind, den gut abgetropften Thunfisch und die Pinienkerne zufügen, und alles zusammen weiter anschwitzen.
Nun den Teig zubereiten: Das Öl mit der Zitronenschale erhitzen. Mehl in eine Glasschüssel geben und das sehr heiße Öl drüberschütten, alles gut miteinander vermischen, Wein oder Anis und die Gewürze zugeben.
Die Masse zu zwei dünnen Teigplatten ausrollen. Den ausgerollten Teig auf ein Ofenblech mit Backpapier geben, mit der Thunfischfüllung versehen, dann mit einer zweiten Lage des Teigs belegen. Einen Rand formen, die Enden mit der Gabel zusammendrücken und mit verquirltem Ei bestreichen.
Die Coca etwa 30 bis 40 Minuten bei mittlerer Hitze im Ofen backen.

Brevas mit Serranoschinken
Frühe Feigen, guter Serranoschinken, bestes Olivenöl, Champagneressig, Salz
Feigen der Länge nach halbieren. Auf einer Platte oder einem großen Teller ausbreiten. Eine Vinaigrette aus Salz, Essig und Olivenöl rühren. Feigen mit der Sauce beträufeln; ein paar Tropfen genügen schon. Auf jede Feigenhälfte ein zurechtgeschnittenes Stück Schinken drappieren.

Bon profit!

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