vonElisabeth Wirth 10.04.2009

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Am Montag war es soweit. Ein freier, sonniger Tag lachte. Wenn man umgezogen ist, muss man sich irgendwann, in einem nahen Zeitraum ummelden. Dafür muss man zum Bürgeramt und wenn man schon einen Tag frei hat, bietet sich dieser nun mal an. Auch wenn mein Bauch mich warnt, denn Besuche bei Ämtern enden nie schön. Ich habe da meine Erfahrungen und inzwischen auch eine ausgeprägte Aversion.

In Neukölln befindet sich eines der Bürgerämter im Rathaus. Der Warteraum, dessen eine Seite sonniggelber strahlt als die Sonne draußen, ist rappelvoll. Ich ziehe meine Wartemarke. Ich bin die Nummer 338. Die Anzeige schaltet um auf 238. Juchhee, denke ich, nur 100 Menschen vor mir. Auf einem der Holzstühle mache ich es mir so bequem wie möglich, ich öffne eine Bionade und lese das Dummy Magazin. Passender könnte das Thema nicht sein: Berlin.

Regelmäßig leuchtet und tutet die Anzeige, Menschen stehen auf, schlurfen durch die Gänge, Türen öffnen und schließen sich. Gelangweilte Gesichter, lesende Augen folgen Texten, manche Köpfe nicken zur Musik die per iPod oder MP3-Player Ohren erreichen. Schier endloses Warten, fürs Warten bin ich nicht gemacht, also lese ich. Die Anzeige, leuchtet, tutet und rattert fleißig weiter. Irgendwann, 335, 336, 337 und die mich erlösende 338.

Ich betrete den Raum, drücke der Bearbeiterin meine Nummer in die Hand und sage „Guten Tag, ich möchte mich ummelden!“ Sie: „Wo hamse denn den Antrag?“ Ich: „Welchen Antrag?“ Sie: „Ham se ihrn Mietvertrach dabei?“ Ich verstehe jetzt schon gar nix mehr. Warum braucht die meinen Mietvertrag? Zwei fragende, grüne Augen blicken die Bearbeiterin an. „Wir brauchen die Adresse des Vermieters. Hier, dit fülln se jetzt ma aus.“ Sie reicht mir mehrere Formulare und ihre künstlichen, rot-weiß verwischten Fingernägel, schreien nach American Style Nagelstudio. Ich will mich setzten, sie schiebt ein „Draußen“ nach.

Vor mir liegt nun der Ummeldeantrag. Wenn es um Anträge geht, ja da versteh ich nur Bahnhof. Ebenso bei förmlichen Briefen oder Bescheiden. Ich kann noch verstehen, ob der jetzt eine positive oder negative Nachricht beinhaltet, aber den Rest muss ich mir immer übersetzten lassen.

Erstmal rufe ich die Hausverwaltung an, um die Adresse zu erfragen. Dann trage ich meinen Namen und die neue, sowie alte Adresse ein. Geburtsdatum, ok. Dann, den Rest versteh ich nicht mehr. Wieso wollen die wissen, welchen Familienstand ich habe? Name des Ehegatten, wenn ich gar keinen habe? Reisepass, was hat denn jetzt meine Ummeldung damit zu tun?

Ja, jeder hat so seine Probleme, ich habe eins im Ausfüllen von Anträgen und dem Umgang mit Behörden. Ein paar wenige Felder sind noch frei. Ich betrete wieder den Raum. „Hamse allet ausjefüllt?“ blafft die Bearbeiterin. „Naja, ein paar Sachen verstehe ich nicht“ antworte ich aufrichtig. „Sagen Se mal, sie sind doch Deutsche und der deutschen Sprache mächtig?“ Ja, aber ich pflege einen anderen Umgang mit Sprache. „Ick helf ihnen nich.“ Es ist eine Tortour. Ich werde wieder rausgeschmissen und stehe auf dem Flur. Ich bin wütend und hilflos. Ich frage Menschen, die im Bürgeramt arbeiten, ob sie mir mal kurz helfen können. Entweder sie dürfen oder wollen nicht! Endlich erbarmt sich doch eine gute Seele meiner.

Kurz muss ich mit den Formularen vor der Tür warten. „Glasflaschen sind hier nich erlaubt.“ schallt es. „Ich haue auch nicht damit. Versprochen“  „Ham wa allet schon jehabt.“ Kann ich fast verstehen, denke ich, sag ich aber nicht. Endlich tippt die Bearbeiterin die Daten in den Computer ein und druckt mir nen neuen Sticker für den Personalausweis aus. Für Fragen scheint die Bearbeiterin nicht offen, ich frag trotzdem, wo ich denn die Gewerbeadressenänderung machen kann. „Dit wees ick doch nich.“ Ich bin fassungslos. Wenn ich irgendwo voraussetzte, dass man weiß, wo Gewerbeämter sind und wie Anträge ausgefüllt werden, dann doch im Bürgeramt. Ich bekomme meinen Perso zurück, ein letzter Blick auf die gemuschelten Fingernägel. Ich stehe auf und wünsche keinen schönen Tag noch. 

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