vonWolfgang Koch 19.10.2008

taz Blogs


Willkommen auf der Blogplattform der taz-Community!

Mehr über diesen Blog

13+10+08
Der türkische Schwabe Cem ÖZDEMIR wird von seinen Parteifreunden auf dem Weg zum Grünen-Vorsitz unschön im Regen stehen gelassen. 1997 lief ich mit Cem Sesam-Ringe mampfend durch die Stände am Wiener Naschmarkt – er war himmelhoch begeistert vom Angebot an türkischen und mediterranen Waren, das sich in dieser Breite auf keinem Markt Deutschlands finden lässt.

14+10+08
Der Unfalltod des österreichischen Rechtspolitikers Jörg HAIDER zieht Kreise bis in den Sächsischen Landtag. Die Vorsitzende der dortigen Grünen-Fraktion, Antje HERMENAU, kritisiert, dass ein CDU-Abgeordneter Haider als Demokraten bezeichnet hat. – Na, als was denn sonst, bitte? Dass der studierte Verfassungsjurist die Lücken des Rechtsstaates ausnutzte, dass er rassistische Sprüche klopfte und sich als Hetzer und Extrempopulist betätigte, das stempelte ihn noch nicht zu einem Autoritären oder Faschisten. Die Linken haben es sich stets zu einfach mit Jörg Haider gemacht, indem sie ihn als unehrenhaften Konkurrenten hinstellten. An Haiders Höhenflug bis zur Wählerzustimmung von 27 Prozent hat sich gezeigt, dass der Rechtspopulismus von Ausgrenzungspolitik wunderbar profitieren kann. Die äussere Rechte versteht es nun mal blendend, sich als Paria des Systems darzustellen und die Denkzettelwähler einzusammeln. Zur Erinnerung: Haiders Protestpartei hat erst Stimmen verloren, nachdem sie 1999 in eine Bundesregierung mit der ÖVP eingetreten ist.

15+10+08
Abakadabra von Haiders einstiger Weggefährtin, der geschlagenen Liberalen-Politikerin Heide SCHMID: Sie betont gleich zweimal, dass der verunfallte Landeshauptmann mit seinem Wagen die Geschwindigkeitsbeschränkung von 70 km/h um das Doppelte überschritten habe.

16+10+08
Die Wiener Hofreitschule nimmt nach 430 Jahren Männer im Sattel zwei Frauen als Elevinnen auf.

Haider hatte bei seinem Unfall mit 1,8 Promille Alkohol im Blut. So eignet er sich auch posthum noch zum Jugendidol.

17+10+08
Was ist eigentlich aus den Gewaltakteuren in den Banlieues und ihrem French Riots 2005 geworden? Die unruhige Jugend der Franzosen erstickt nun im Fussballstadion das Absingen der Marseillaise in Konzerten aus Pfiffen und Buhrufen.

Wo lebt eigentlich Suhrkamp-Autor Robert MENASSE? In seinem Haider-Nachruf nennt er die Politik der ÖVP: »einen alten, miefigen, aber ins demokratisch Staatstragende gewendeten Austrofaschismus«. Ich lebe in einem Land mit einer vitalen Rechten, sprachlosen Grünen, einer bankrotten Sozialdemokratie und paranoiden Intellektuellen.

18+10+08
Der Standard – Seit 20 Jahren die Giraffe unter den Boulevardzeitungen der österreichischen Akademiker (von Akademikern für Amademiker). Leibblatt des Kampusch-Entführers Wolfgang PRIKLOPIL.

19+10+08
Gleich sechs Reporter berichten auf 530 Zeilen im Kurier von der Trauerfeier für Jörg Haider. Kostprobe: »25.000 Menschen sind nach Klagenfurt gekommen… – die vielen Fernsehzuschauer in ganz Österreich nicht mitgerechnet«.

Bei der Totenmesse im Klagenfurter Dom wird das Vater unser auf Slowenisch gebetet.

Nachruf des Kolumnisten Thomas MAURER: »der grosse Demagoge«, »die permanente Desensibilisierungstheraphie«, »der lebenslange Grenzgänger zwischen Lässigkeit und Fahrlässigkeit«. Haider hat die Linke über Jahrzehnte so nachhaltig blamiert, dass sie nun eine Conditio humana, das Versöhnende des Todes, ignoriert.

© Wolfgang Koch 2008
next: DO

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/daily_soup_3_lieferung/

aktuell auf taz.de

kommentare