vonKarim El-Gawhary 04.11.2010

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Bei den  Kongresswahlen in den USA war der Irak kein Thema mehr.  Und selbst in der Region sind die vor kurzem über Wikileaks veröffentlichten 400.000 Geheimdokumente des US-Militärs in Sachen Irak, dank jemenitischer Bombenpakete, bereits in Vergessenheit geraten.

Am liebsten würde Washington das Kapitel Irak als abgeschlossen ansehen. Nur der ehemalige US-Präsident George W. Bush erinnert uns dieser Tage in seinen Memoiren an die irakische Episode. Der Expräsident gibt zu, dass die Tatsache, dass keine Massenvernichtungswaffen im Irak gefunden wurden, bei ihm ein Gefühl der Übelkeit erzeugt habe und ihn weiter belaste.

Übel wird es einem auch bei den veröffentlichen Geheimdokumenten. Damit der Irak nicht vollkommen in der kollektiven Amnesie entschwindet, hier zur Gedächtnisauffrischung eine Dokumentation von Al-Jazeera International, die den Inhalt der Dokumente in Englisch zusammenfasst. Es lohnt sich, sich ein wenig Zeit zu nehmen.

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=pU718vXkrwY&feature=fvst[/youtube]

1300 Folterfälle wurden nach Saddams Zeiten in den Geheimdokumenten niedergeschrieben. Die meisten Verletzungen fanden durch irakische Sicherheitskräfte statt. Und obwohl die US-Truppen, wie die Dokumente zeigen, über die  Fälle informiert waren, hatten sie Order, nur darüber zu berichten und nicht einzuschreiten. Einige Fälle wurden untersucht, niemand wurde zur Rechenschaft gezogen.

Fast 700 unschuldige Zivilisten starben an Straßensperren oder durch vorbeifahrende Konvois der US-Truppen und ihrer Verbündeten. Genau gesagt sind 681 Fälle in den Geheimdokumenten beschrieben, in denen Menschen dort aus Versehen erschossen wurden.

Private Sicherheitsunternehmen, wie die Firma Blackwater, agierten im Irak vollkommen im rechtsfreien Raum. Sie machten Negativschlagzeilen, als deren Mitarbeiter mitten in Bagdad 17 Zivilisten erschossen haben. Durch die Geheimdokumente wurden mindestens weitere 10 Todesfälle durch die Hand von Blackwater-Mitarbeitern bekannt.  Obwohl diese Fälle vom US-Militär dokumentiert sind, musste sich bisher kein Blackwater-Mitarbeiter dafür gerichtlich verantworten. Man wolle die Moral der privaten Sicherheitsunternehmen nicht unterminieren, heißt es dazu in den Wikileaks-Dokumenten. Nicht nur das,  Blackwater ist inzwischen unter dem neuen Namen Xe in Afghanistan im unterwegs.

George W. Bush zieht jetzt durchs Land und stellt seine Memoiren vor. Die Amerikaner wählen wieder die Republikaner. Ich frage mich, ob jemals irgendjemand für diesen Krieg im Irak und dessen Folgen zur Rechenschaft gezogen werden wird? Wie sagt es der Menschenrechtsanwalt Jonathan Goldberg in der Al-Jazeera Sondersendung so schön.


“In war all laws are silient”

Das Originalzitat, darauf hat  mich ein aufmerksamer Leser hingewiesen (Danke Heinz),  stammt übrigens von Cicero:

“Silent enim leges inter arma”

zu Deutsch:

„Denn unter den Waffen schweigen die Gesetze“


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