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Die Gegengutachten als PDF: Hengeler (0,4 MB), Kämmerer (2 MB)
Im Jahr 2003 hatte die SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus das obere Gutachten in Auftrag gegeben. Es sollte unter anderem die Frage klären, ob die Gewinngarantie verfassungsgemäß ist, die das Land Berlin den Käufern der Wasserbetriebe im Jahr 1999 eingeräumt hatte. Die damals regierende Koalition aus CDU und SPD hatte den privaten Anteilseignern in dem Kaufvertrag versprochen: Falls die Formel zur Berechnung der Wassertarife für verfassungswidrig erklärt wird, muss das Land den Konzernen die entgangenen Gewinne ersetzen.
Das Gutachten kommt zu dem Schluss, es handele sich bei der Gewinngarantie um eine Sicherheit im Sinne von Artikel 87 der Landesverfassung. Und da heißt es: „Ohne gesetzliche Grundlage dürfen weder Steuern oder Abgaben erhoben noch Anleihen aufgenommen oder Sicherheiten geleistet werden.“ Da eine gesetzliche Grundlage für die Sicherheit fehle, sei diese verfassungswidrig. Die Konsequenz daraus ergebe sich aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch, Paragraf 134: „Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig“. Der Vertrag wäre also von Anfang an ungültig. Er müsste neu verhandelt werden. Wenn das nicht gelinge, dann „wäre der Vertrag rückabzuwickeln nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung„.
Das Geschäft müsste also komplett rückgängig gemacht werden. Die Konzerne würden also zum Beispiel den Kaufpreis von 1,7 Milliarden Euro zurückerhalten, im Gegenzug müssten sie die 1,3 Milliarden Euro zurückzahlen, die sie als Gewinn aus den Wasserbetrieben erhalten haben. Unterm Strich müsste das Land also nur wenige hundert Millionen Euro zahlen und wäre wieder alleiniger Eigentümer des Unternehmens. Billiger geht’s nicht.
Das Gutachten hat die SPD nie veröffentlicht. Als Reaktion auf das Gutachten gab die Wirtschaftsverwaltung mehrere Gegengutachten in Auftrag. Diese kamen zu dem gegenteiligen Schluss: Die Gewinngarantie in dem Vertrag könne schon deshalb nicht gegen die Verfassung verstoßen, weil sie „nicht den Hauptzweck des Konsortialvertrages darstellt“, teilte der Sprecher von Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) jetzt der taz mit. Das Verbot aus der Verfassung gelte zudem nur für die „Übernahme einer Haftung für bestimmte Risiken Dritter“ – und darum handele es sich nach Ansicht der zusätzlichen Gutachter nicht. Ihrer Ansicht nach könnte ein Verfassungsverstoß den Vertrag auch nicht ungültig machen: Die Vorgabe aus der Verfassung gelte nur für das Verhältnis zwischen Regierung und Parlament. Sie habe „keinerlei Auswirkungen auf den Bestand eines privatrechtlichen Vertrages“. Die SPD schloss sich der Ansicht der Gegengutachter an. Die Koalition hat bis heute nicht versucht, die unter den Gutachtern umstrittenen Fragen von denen entscheiden zu lassen, die dafür zuständig sind: Von Gerichten. Siehe dazu auch den Kommentar von Svenja Bergt in der taz.
Nachtrag 20. November: Der taz wurden inzwischen auch die beiden Gegengutachten zugespielt, sie sind jetzt oben verlinkt.
Hier die vollständige Antwort der Senatsverwaltung für Wirtschaft auf die Anfrage der taz, warum der Senat nicht versucht hat, die Wasserverträge nach dem SPD-Gutachten vor Gericht anzufechten:
Sehr geehrter Herr Heiser,
Sie beziehen sich mit Ihrer Frage auf ein Rechtsgutachten des Rechtsanwalts Dr. Zieger vom 21.11.2003. Dieser sieht in der Regelung des § 23 Absatz 7 des Konsortialvertrages eine „Sicherheit“ im Sinne von Art. 87 Abs. 1 der Verfassung von Berlin (VvB) und schlussfolgert, dass diese Regelung des Konsortialvertrages wegen fehlender aber erforderlicher gesetzlicher Grundlage gegen das Gesetz (hier: die Verfassung) verstoße und der Konsortialvertrag damit gemäß § 134 BGB nichtig sei. Art. 87 Abs. 1 lautet: „Ohne gesetzliche Grundlage dürfen weder Steuern oder Abgaben erhoben noch Anleihen aufgenommen oder Sicherheiten geleistet werden“.
Herr RA Zieger ist sich seiner Schlussfolgerung aber keineswegs sicher. So formuliert er auf Seite 7 seines Gutachtens, „das Raum für die Annahme einer Garantie bzw. Gewährleistung bleibe“. Auf Seite 8 seines Kurzgutachtens legt er dar, dass „er weder in Rechtsprechung noch Literatur Anhaltspunkte dafür gefunden habe, ob Ausgleichszusagen des Staates an den privaten Partner bei der Teilprivatisierung öffentlicher Einrichtungen als „Sicherheit“ im Sinne der VvB anzusehen seien“. Er führt weiter aus, dass „er deshalb die Gefahr sehe, dass ein Gesetzesverstoß gemäß § 134 BGB vorliege, jedenfalls eine Verletzung des Budgetrechts der Abgeordneten bestehe“.
Offener kann ein Rechtsgutachten nicht formuliert sein. Der Hinweis auf die Verletzung des Budgetrechts des Abgeordnetenhauses ist zusätzlich falsch, weil sowohl der ursprüngliche Konsortialvertrag im Jahre 1999 als auch im Jahre 2004 die Änderung des Teilprivatisierungsgesetzes mit der 5. Änderungsvereinbarung, die insbesondere den § 23 Abs. 7 des Konsortialvertrages betraf, dem Abgeordnetenhaus jeweils zur ausdrücklichen Zustimmung vorgelegt worden waren. Das Abgeordnetenhaus hat die Zustimmung auch jeweils erteilt.
Herr Senator Wolf hat die von RA Dr. Zieger aufgeworfene Rechtsfrage damals unter Berücksichtigung weiterer Rechtsgutachten renommierter Anwaltskanzleien geprüft und ist danach zur noch heute zutreffenden Auffassung gelangt, dass der Konsortialvertrag insgesamt, aber auch § 23 Abs. 7, wirksam sind. Maßgeblich ist dabei, dass der Begriff der „Sicherheitsleistung“ in Art. 87 Abs. 1 VvB den Regelungen des Grundgesetzes (GG) in Art. 115 Abs. 1 entspricht, dessen Neufassung klarstellt, dass es sich inhaltlich hier um „Bürgschaften, Garantien oder sonstige Gewährleistungen“ handelt. Derartige Leistungen des Staates liegen mit der Regelung des § 23 Abs. 7 des Konsortialvertrages bereits deshalb nicht vor, weil die bestehende Ausgleichspflicht nicht den Hauptzweck des Konsortialvertrages darstellt, was zur Anwendung des Art. 87 Abs. 1 VvB erforderlich wäre. Darüber hinaus handelt es sich hier auch nicht um die Übernahme einer Haftung für bestimmte Risiken Dritter, was ebenfalls erforderlich wäre. Das Eingehen eigener Verpflichtungen des Staates außerhalb des Hauptzwecks des Vertrages wird von Art. 87 Abs. VvB eben nicht erfasst.
Unabhängig davon, dass § 23 Abs. 7 des Konsortialvertrages nicht gegen Art. 87 Abs. 1 VvB verstößt, wäre Folge eines unterstellten Verstoßes darüber hinaus auch ohnehin nicht die Unwirksamkeit des Konsortialvertrages. Art. 87 Abs. 1 VvB soll verhindern, dass die Regierung ohne Mitwirkung des Parlaments für zukünftige Jahre in die Etathoheit des Parlaments eingreift und betrifft daher naturgemäß nur das Verhältnis zwischen Exekutive und Legislative. Die Vorschrift hat deshalb keinerlei Auswirkungen auf den Bestand eines unter (hier nur unterstellten) Verstoßes gegen sie geschlossenen privatrechtlichen Vertrages.
Schließlich handelt es sich bei Art. 87 Abs. 1 VvB auch nicht um ein Verbotsgesetz im Sinne von § 134 BGB. § 134 BGB richtet sich allein gegen die Geltung rechtsgeschäftlicher Regelungen, deren Inhalt bestehenden Gesetzen widerspricht. Richtet sich ein Verbotsgesetz hingegen nur gegen Art und Weise des Zustandekommens des Rechtsgeschäfts, so führt ein Verstoß gerade nicht zur Nichtigkeit des Geschäfts. Art. 87 Abs. 1 VvB verbietet aber nicht den Inhalt der Regelung von § 23 Abs. 7 des Konsortialvertrages, hinsichtlich der Vertragsparteien nicht einmal die Art und Weise des Zustandkommens.
Die vorstehenden Ausführungen belegen, dass Senator Wolf die damals anstehenden Rechtsfrage umfassend und gründlich geprüft hat. Die – ohnehin nur wagen – Rechtsausführungen des RA Zieger in seinem Kurzgutachten vom 21.11.2003 sind damals wie heute unzutreffend. § 23 Abs. 7 des Konsortialvertrages kann nicht nach Art. 87 Abs. 1 VvB i. V. m. § 134 BGB unwirksam sein. Insofern kann hier der Senat eine Unwirksamkeit auch nicht gerichtlich feststellen lassen.
Mit freundlichen Grüßen
Stephan Schulz– Pressesprecher –
Bürgermeister und Senator Harald Wolf
Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen