Von Sarah Alberti
„Wir mochten uns schon vorher, jetzt kennen wir uns!“, stellte Jakob Augstein, Verleger des Freitag, am Freitagabend mit Blick auf die taz fest. Die beiden Blätter veranstalten an diesem Wochenende gemeinsam in Berlin einen Medienkongress. „Wenn Journalisten groß träumen!“, warf taz-Chefredakteurin Ines Pohl in die Runde. Wir haben nachgehakt.
Das Thema des Kongresses lautet „Die Revolution haben wir uns anders vorgestellt!“ – um welche Revolution dreht sich der Medienkongress?
Ines Pohl: Es geht letztendlich um die Revolution des Medienmarktes. Als wir vor rund einem halben Jahr anfingen, den Kongress zu planen, konnten wir überhaupt nicht absehen, was sich in der arabischen Welt abspielen würde. Damals haben wir an Wikileaks und an Twitter gedacht, aber nicht daran, dass das Bloggen eine derart große Rolle spielen könnte. Doch wir können Revolution in diesem Zusammenhang nicht mit digitaler Revolution gleichsetzten, denn wir werden auch auf Themen wie die Auswirkungen von Anzeigenschaltung oder Redaktionszusammenlegungen auf den Qualitätsjournalismus blicken.
Herr Augstein, wie haben Sie sich die Revolution vorgestellt?
Jakob Augstein: Ich glaube, dass wir in den Medien eine reale Revolution erleben. Wenn Sie heute ein mediales Projekt angehen, können Sie nicht absehen, wie dieses sich in den nächsten fünf Jahren entwickeln wird. Sie haben keine klare Vorstellung davon, wie sich Ihr Berufs- und Tätigkeitsfeld wandeln wird und das ist ein fundamentaler Unterschied – auch im Vergleich zu der Zeit, als ich angefangen habe.
Was heißt das konkret?
Jakob Augstein: Der Beruf wird sich verändern, die Strukturen werden sich verändern, aber die Medien werden immer die gleiche Aufgabe haben: Macht und Herrschaft kontrollieren. Doch die Strukturen, in denen diese Aufgaben erfüllt werden müssen, verändern sich massiv, auch durch die Gewohnheiten der Leser. Wir müssen überlegen, wie wir diese Kontrollfunktion unter den sich wandelnden Bedingungen weiter erfüllen können. Und das ist keine Kleinigkeit, weil es sein kann, ich betone es kann sein, dass die Leser Herrschaftskontrolle und Kritik gar nicht mehr für so notwendig halten. Das ist natürlich ein schrecklicher Irrtum und das versuchen wir den Leuten klar zu machen.
Wie kam es zur Kooperation von taz und Freitag? Und inwieweit ist so eine Kooperation revolutionär?
Jacob Augstein: Ich hoffe vielmehr, dass diese Kooperation evolutionär ist und sich weiterentwickelt, denn wir können miteinander und voneinander lernen. Es gibt im Medienspektrum Deutschlands sehr viele Medien, die sich als links bezeichnen und viele machen einen sehr sehr guten Job, den ich überhaupt nicht kritisieren will. Aber ich finde, dass die taz das linke Leitmedium ist. Sie begleitet den Mainstream aus genau der richtigen Entfernung: Als linkes Medium darf man weder soweit vom Mainstream entfernt sein, dass man keine Verbindung mehr zu ihm hat, noch so nah dran sein, dass man von ihm mitgerissen wird. Ich glaube, dass es die taz in den letzten Jahren sehr gut geschafft hat, die richtige Distanz zu halten. Auch wir als Freitag entwickeln uns in diese Richtung und ich finde, dass die vielfältige und qualitative deutsche Medienlandschaft eine linke Wochenzeitung braucht.
Was will der Kongress, auch langfristig?
Ines Pohl: Uns Medienmachern geht es darum, dazuzulernen und einen Erfahrungsaustausch mit und zwischen den 1.200 Besuchern anzuregen. Auch ganz praktische Überlegungen spielen eine Rolle: So hoffe ich, dass wir beim Eröffnungspanel den Kollegen aus Tunesien und Ägypten Mut mit auf den Weg geben können. Und letztendlich geht es bei Kongressen immer um Vernetzung, Facebook und E-Mails machen ein langfristiges Kontakthalten möglich und das ist ein großer Wunsch von mir.
Welche Veranstaltung ist Ihr persönliches Highlight?
Ines Pohl: Ich freue mich zunächst riesig auf das Eröffnungspanel, das Blogger, Twitterer und Journalisten aus Tunesien, Ägypten, dem Irak und Weißrussland zusammenbringen wird. Auch auf die Diskussion zur Frage, ob der Lokaljournalismus noch zu retten ist, wird sicher spannend: Wir sprechen immer über die großen Qualitätsmedien und vergessen dabei, dass auf dem regionalen Markt ganze Redaktionen zusammengelegt werden und sich rund 80 Prozent der deutschen Bürgerinnen und Bürger aus regionalen Zeitungen informieren. Unseren Lesern müssen wir nicht erklären, warum manche Machtstrukturen so problematisch sind – im lokalen Bereich ist das aber sehr wohl wichtig.
Jacob Augstein: Ich freue mich auf das Panel zu Wikileaks – denn auch wenn wir denken, dass scheinbar alles gesagt ist, stehen wir weiter vor ungelösten rechtlichen Problemen. Ich freue mich auch auf die Frage, ob die Bild-Zeitung Vorbild sein kein und schließlich auf die Redakteursbeschimpfung, bei der sich Autoren von unzufriedenen Lesern in die Mangel nehmen lassen.