vonsaveourseeds 17.03.2011

taz Blogs


Willkommen auf der Blogplattform der taz-Community!

Mehr über diesen Blog

Die Welt steht am Abgrund der japanischen Atomkatastrophe, Ghaddafi & Söhne schießen ihr Volk zusammen, Saudi Arabien marschiert in Bahrein ein, die Lebensmittelpreise steigen weiter. Und da regen sich ein paar Unverdrossene über einen Entschließungsantrag im deutschen Bundesrat auf, der die Bundesregierung auffordert, technische Vorgaben für die amtliche Kontrolle der Gentechnikfreiheit im Saatgut zu verordnen! Haben wir nichts Bessers zu tun? Nein, haben wir nicht. Die meisten Übel dieser Welt haben einmal klein angefangen und nicht selten zur Unzeit.0,1 Prozent oder gar noch weniger, was ist das schon? Kann man das überhaupt zuverlässig messen? Sind das nicht typisch deutsche Überreaktionen? Wenn die Saatgutindustrie und ihre politischen und Verbandskohorten sich mit dem kleinen aber gemeinen Konzept durchsetzen, doch endlich zu akzeptieren was angeblich eh nicht zu verhindern ist, werden sie morgen mit ihrem Totschlagargument Nummer Eins “es ist doch eh schon überall drin, was wollt ihr denn noch?” tatsächlich Recht bekommen. Steter Tropfen höhlt den Stein, irgendwann werden die Bürger doch wohl ermüden und sich fügen und, so der Antrag aus Niedersachsen, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein, sich auf eine „für alle Wirtschaftsbeteiligten praktikable technische Lösung” einlassen.

Wir hoffen: Falsch gewettet. Auch nicht Wirtschaftsbeteiligte wollen bei der Frage mitreden ob demnächst Gentechnik im Saatgut, dem Ursprung aller Lebensmittel, wirklich oder nur noch “technisch praktikabel” ausgeschlossen ist. 0,1 Prozent Gentechnik sind immerhin ein paar hundert Pflanzen pro Hektar. Pflanzen, die sich vermehren können. Pflanzen,  die sich auch in Zukunft frei vermehren sollen, ohne dass sie vorher Laboruntersuchungen unterzogen werden müssen. Technische Lösungen können nicht nur versagen, sondern zudem teuer werden, besonders für jene, die nicht über die Technik verfügen. Ihnen zu mißtrauen haben deshalb auch Wirtschaftsbeteiligte mittlerweile gelernt.

Die “Nulltoleranz”, ursprünglich ein Kampfbegriff der Gentech-Lobby, sollte Intoleranz, Eiferertum und Realismusferne suggerieren. Mittlerweile haben ihn die Gentechnikgegner sich angeeignet: Es geht ums Prinzip. Nein ist Nein und kein Bisschen weniger. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass unsere wahlkämpfenden Landesväter und -mütter das am morgigen Freitag begreifen: Mit dem Saatgut ist nicht zu spassen und mit aufgebrachten Bürgerinnen und Bürgern auch nicht. Das wäre schön. Ein bescheidener Erfolg in unbescheidener Zeit.

Deshalb beharren wir darauf, auch im Angesicht des Abgrundes unser gentechnikfreies Bäumchen zu pflanzen und Sie darum zu bitten, dabei mitzuhelfen, dass wenigstens hier nicht im Windschatten grosser Ereignisse eine neue Schneise für künftige, schwer kontrollierbare Probleme geschlagen wird. Alles weitere hier.

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/das_korn_im_saatguthaufen_und_die_traene_im_ozean/

aktuell auf taz.de

kommentare