Warum der emotionale Aufruhr nach dem Mord an den weißen Rechtsradikalen Terre’blanche eine Chance für Südafrika ist
Samstagnacht ist Eugène Terre’blanche, einer der wahrscheinlich hartnäckigsten, aggressivsten und bekanntesten weißen Rassisten Südafrikas, von zwei Angestellten ermordet worden. Die Presse lief heiß – hier in Südafrika, aber auch international. Bis auf die Riesenwut auf den rechtsextremistischen Kotzbrocken Julius Malema und den ANC, der dessen rassenhassschürenden Songs und Reden toleriert, sind hier allerdings keine „Rassenspannungen“ zwischen weiß und Schwarz zu spüren, wie berichtet wird. Nach der hauptsächlich medialen Aufregung der ersten zwei Tage, haben sich die Gemüter wiederweitestgehend beruhigt und man diskutiert in südafrikanischen Radio-, Fernsehsendungen und Newsportalen bereits, wie man die Nation besser vereinen könne.
Im Stadtalltag ist von dem Vorfall absolut nichts zu merken. Die einzigen Spannungen gibt es gerade in dem kleinen Ort Ventersdorp, wo Terre’blanche zuletzt gelebt hat, und wo gerade die zwei bekennenden jugendlichen Mörder dem Haftrichter vorgeführt werden.
Eugene Terre’blanche war Gründer und Anführer der rechtsextremen Gruppierung “AWB” oder “Afrikaaner Weederstandbeweging”, einer Randgruppe radikaler Afrikaanser Südafrikaner, die einen eigenen weißen Staat innerhalb Südafrikas gründen wollten/ wollen und nach wie vor glauben, dass weiß und schwarz getrennt leben sollten.
– Hier ein paar Zahlen, um die Größe und Popularität dieser kleinen radikalen Gruppierung besser einschätzen zu können:
Nur 10% aller Südafrikaner sind weiß. Davon sind 45% Buren,ca. 40% Anglo-Südafrikaner und ca. 15% weiße Südafrikaner anderer Abstammung. Von den Buren im Land – ca. 3,9 Millionen von den insgesamt 50 Millionen Einwohnern im Land – gehören nicht einmal 3.000 der AWB an. Sie repräsentiert einen irrationalen, fanatischen und uneinsichtigen Bevölkerungsanteil – aber auch verschwindend geringen. Unter den restlichen zumeist Demokratie-befürwortenden, wenn auch sehr ANC-kritischen Buren, gilt die AWB als Peinlichkeit und Relikt der Apartheidszeit. Er spiegelt nicht im Geringsten die Einstellungen des durchschnittlichen weißen Südafrikaners im Land wieder.
Das Emblem der faschistischen AWB ähnelt dem Hackenkreuz
Terre’blanche wurde in den 90er Jahren aufgrund militanter und terroristischer Aktionen mehrfach verhaftet. Kurz vor der ersten demokratischen Wahl Südafrikas im April 1994 verübte er sogar Bombenanschläge, bei denen mehrere Menschen starben. Terre’blanche griff auch danach immer wieder schwarze Südafrikaner brutal an. Im Jahre 2000 wurde er wegen des versuchten Mordes an einen schwarzen Sicherheitswächter für schuldig befunden und zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt. Sein Opfer, der Sicherheitswächter Paul Motshabi, kam zwar mit dem Leben davon, ist aber seit dem Vorfall geistesgestört. In einem Fernsehinterview nach seiner Freilassung sagte Terre’blanche, er sei als „Christ wiedergeboren worden“ und entschuldigte sich öffentlich bei seinen Opfern, versuchte aber bis zuletzt geradezu verzweifelt, Propaganda gegen schwarze Südafrikaner zu machen und Ängste zu schüren.
Man hörte von Terre’blanche kaum etwas mehr im Land. Außerhalb seiner zurückgebliebenen rassistischen kleinen Gemeinschaft, die Nazibräuche parodiert, galt er als unsympathische Witzfigur – bis Sonntag morgen auf einmal die Nachrichten kamen, dass ihn zwei seiner Farmarbeiter mit Macheten und Schlagstöcken ermordet hätten, weil er sich weigerte, ihnen wie versprochen ihren Monatslohn auszuzahlen.
Anlässlich dieses Mordes explodiert nun in Südafrika die lang angestaute Wut gegen den schwarzen ANC Jugendführer Julius Malema. Der AWB behauptet entgegen aller bisher bekannten Fakten, Julius Malemas Hasstiraden gegen die Buren hätten den Mord motiviert, und versucht daraus politisches Kapital zu schlagen. Der Mord gegen einen Farmer wird zum Rassenkonflikt zwischen weiß und schwarz aufgebauscht und die Medien springen fast geschlossen auf diesen Zug auf – und spielen damit dem AWB wie auch Julius Malema in die Hände. Die Wahrheit ist: in der breiten südafrikanischen Bevölkerung gibt es keine „rassistischen Anspannungen“. Das ist Propaganda im Sinne der weißen (= AWB) und schwarzen Rechtsextremen (= Julius Malema), und völlig undifferenziert.
Die tatsächlich existierenden Anspannungen sind die folgenden:
Weiße Südafrikaner sowie die Mehrheit der schwarzen Südafrikaner sind wütend auf Julius Malema, der seine dummen Hasstiraden bei jeder sich nun bietenden Gelegenheit von sich lässt; und sie sind extrem frustriert über den ANC, der sich weigert, ihn zurechtzuweisen. Die Wut der weißer Südafrikaner richtet sich gegen die Regierung, und nicht gegen schwarze Südafrikaner im Allgemeinen. Julius Malema repräsentiert nicht die Meinungen der Mehrheit, und weiße Südafrikaner wissen das.
Viele schwarze Südafrikaner sind wiederum wütend auf die Regierungspartei, weil sich ihr eigener Lebensstandard nicht verbessert hat, während ihre politischen Vertreter in Geld baden. Und genau deswegen versucht Julius Malema – der die Apartheid irrwitzigerweise gar nicht mehr selbst miterlebt hat – die Wut der armen, benachteiligten schwarzen Mehrheit von dem korrupten ANC und ihm selbst weg auf die weißen Südafrikaner umzulenken.
Generell haben Südafrikaner Angst vor schwarz/weiß-Konflikten, auch wenn sie de facto nicht begründet sind, und auch wenn laut Umfragen die große Mehrheit aller Südafrikaner Demokratie und Versöhnung befürworten. Der Grund ist sicherlich, dass die Apartheid nur 16 Jahre zurückliegt. – Gerade wegen dieser Mischung aus irrationaler Angst und berechtigter Wut, ist es wichtig zu differenzieren, worum es geht – und das tun auch die meisten Südafrikaner. Leider wird nur ihr gesunder Menschenverstand in den Medien völlig unterschätzt.
Trotz aller Wut und Anspannung in dem kleinen Ort, in dem Terre`Blanche ermordet wurde, waren schwarze Südafrikaner unter den Ersten, die ihr Beileid der Familie Terre`Blanches aussprachen. Man sah es hier in den Fernsehbildern und Interviews. Unter der Menschengruppe, die Terre´Blanche 2004 empfingen, als er aus seiner Haft entlassen wurde, waren mehr schwarze Südafrikaner als Weiße. Man sah auch diese Bilder dieses Wochenende im Fernsehen. In Filminterviews der Nachrichtensendung “Carte Blanche” äußerten vier der fünf befragten Südafrikaner, dass man Terre`Blanche verzeihen müsse. Der Verzeihungs- und Widervereinigungswille hier im Land ist wirklich bemerkenswert.
Mehr schwarze als weiße Südafrikaner empfingen Terre’Blanche als er 2004 aus dem Gefängnis entlassen wurde (Bild AFB)
Hier sind ein paar repräsentative Kommentare und Reaktionen von Südafrikanern zu der Ermordung von Terre´Blanche:
* Ruhe in Frieden, TerreBlanche. Wenn man ihn hasst wird man genauso wie er, und letzten Endes war er bloß ein Mann, der ermordet wurde.
* Beide, der AWB und der ANC, müssen ihre Sprachrohre zurechtweisen. Es ist lächerlich – wir versuchen hier schließlich ein Land zu regieren, nicht einen Popularitätswettbewerb zu gewinnen.
* Es ist nicht an der Zeit zu polarisieren, sondern zu vereinen. Niemand machte das besser als Mandela. (Khaya Dlanga)
* Um ehrlich zu sein – wenn kümmert es, was der AWB sagt. Sie sind völlig irrelevant.
* Sich über TerreBlanches Tod zu freuen ist fast so jämmerlich und verachtungswürdig, wie er es war.
* Hoffentlich entspannen unsere Führer ihre Rhetorik, und beschäftigen sich stattdessen endlich damit, ein gleichberechtigeres und toleranteres Südafrika zu schaffen.
* Das sollte man nicht als einen rassistischen Vorfall sehen, sondern als einen Anlass herauszufinden, was mit den Farmern und ihren Arbeitern nicht stimmt.
* Eugene TerreBlanche’s Ansichten fanden nie Nachhall, sogar noch während der Apartheidszeit nicht. Er stand am Rande von einer Minorität einer Minorität.
* Eugene TerreBlanche hat geerntet, was er gesät hat. Trotzdem gibt es keine Entschuldigung für so einen Mord. Ich denke nicht, dass Julius Malemas Song „Tötet den Farmer“ dafür verantwortlich war, aber als verantwortlicher Staatsmann sollte Zuma diesen Song verbieten. (Duncan)
* Der ANC zollt uns vielen Weißen, die für sie gewählt haben, keinen Respekt. Sie versuchen Rassenhass zu schüren, und wir werden zunehmend intolerant, was ihre Unfähigkeit angeht, dieses Land zu regieren. „Tötet die Farmer“ vor Massenveranstaltungen schwarzer Südafrikaner zu singen ist Kriegsgerede und eine Beleidigung. Ich verachten den ANC mittlerweile genauso wie ich damals die Rassisten von der National Party und dem AWB verachtet habe. Sie haben alle Blut an ihren Händen.
* Warum muß der ANC Jugendführer solche veralteten Songs singen? Warum können wir nicht einfach zusammenrücken und mit erbaulichen Botschaften nach vorne schauen?
* Terreblanche war eine Peinlichkeit für uns weiße Afrikaaner, trotzdem finde ich die Umstände, die zu seinem Tod geführt haben, beunruhigend. Südafrika leidet an einem Mandel an moralischer und guter Führung. Man gewinnt den Eindruck, dass Kriminalität und Korruption in unserer Gesellschaft geduldet werden. Als Südafrikaner im Alltag haben wir zwischen Weißen und Schwarzen respektvolle Beziehungen, allerdings versuchen unserer Führer Mißtrauen und Feindseligkeit zu säen. (Annelize Slabbert, Johannesburg)
Der Mord an TerreBlanche ist eine Gelegenheit für Südafrika, sich endlich mit den eigentlichen Fragen zu beschäftigen: den Haßstifter Julius Malema. Den Arbeitsbedingungen auf den Farmen – und der Gewalttätigkeit dort. Den ungleichen sozialen Verhältnissen. Und dem Vorantreiben der nationalen Wiedervereinigung. Dafür, dass Südafrika so eine junge und unerfahrene Demokratie ist, hat sie auf diesen Vorfall bisher recht reif reagiert.
— mehr zu Julius Malema, seinen dubiosen Geschäften, seiner neuen Freundschaft zu Robert Mugabe & der allgemeinen Medienhysterie folgt Ende der Woche… 😉