von 25.05.2011

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Ich bin blind, sagt der Gegenüber in der Bahn ins Telefon. Ich will im Hauptbahnhof nach Schwedt umsteigen. Kann mir dabei jemand helfen? Ich sitze im zweiten hinteren Wagen und halte meinen Stock hoch.

Ich arbeite nach meiner Vorstellung, meiner Methode, meinem Vor- und Zurück, meinen Standards tatsächlich nicht für mich? Kann ich mit dem Verstehen und Aushandeln von Budgets zu einem Gleichgewicht von Einnahmen und Ausgaben etwa meinen überschießenden Erkenntnis- und Gestaltungsdrang bändigen? Brauche das vielfältige Feedback der Redakteure wie sie meine Anstrengung als Grundgerüst dieser Arbeit – selbst wenn wir nur ausnahmsweise gemeinsame direkte Stunden machen?

Doch, wir können jeweils wählen, ob sie nach meinem Rechnungsbogen arbeiten, ihn beiseite legen oder sogar ablehnen. Was „die Not wendet“ und ob es sie wendet, ergibt sich unter der Hand und kann nicht angewiesen werden und beide sind bestätigt, wenn sie „gewendet“ ist. Geht doch, würde ich sofort sagen. Machen wir. Hat gedauert, war nicht immer einfach, ist nicht unbedingt stabil, gilt für jedes Ressort unterschiedlich: aber jetzt überwiegen die „Gläubiger“ die „Schuldner“ und alle können Reserven aufbauen! Was ist da Utopie oder Wissenschaft oder undemokratisch – an dieser Assoziation?

Wo Marx irrte

Frederic Neuhouser von der Columbia Universität NY sieht Marx in Sachen Demokratie zuerst in der „Judenfrage“ in der Irre: Die Spaltung von bürgerlicher Gesellschaft und liberalem Staat erlaube es den Bürgern nicht, von ihren rein egoistischen Interessen absehen und sich stattdessen im liberalen Staat mit dem Allgemeinwohl zu identifizieren.

Gegen Hegels vermittelnden „Korporationen“ stehe die in Rechtsnormen festgeschriebene Zugangsvoraussetzung „Eigentum“: Keine „menschliche“ Freiheit, kein Menschenrecht, keine gleichberechtigte Teilhabe an Arbeit, Ertrag und Gemeinwesen unter diesem Privileg und so keine Vermittlung von bürgerlichem Individuum und seinem Bedürfnis nach Gemeinschaft. Dazu sei nur eine autonome Vereinbarung IM alltäglichen und vertrauten Arbeitsleben fähig.

Nach Marx könnten Bürger ihre jeweiligen individuellen Unterschiede nur frei ausleben, ohne sie – etwa gleichzeitig- einem staatlich vermittelten Gemeinwohl unterordnen zu müssen und sich so persönlich frei, als freie Persönlichkeit entwickeln.

Er schließe also den realen Kapitalismus mit seinen geschützten Räumen für jedwede eigne gewählte und gewohnte Vorstellung und Zielsetzung unabhängig von und über die Arbeitsgesellschaft aus. Alle Kultur ist danach nur Reflex von Arbeitsbeziehung und jeder Gewinn von Selbstbestimmungsabschnitten – auch gegen eine Hierarchie – wertlos für Freiheitsgewinn. Ohne Eigentumsvorbehalt und Privatrecht sei Unfreiheit ohne Ursache. Es gebe auf diesem Wege nur radikalen Abbruch, keine aufnehmende Aufhebung von Erkämpften.

Wir haben also die Republik gleich in die Assoziation eingebunden, scheint es. Selbst die Schutzräume sind großzügig bemessen, es kümmert keinen Staat und er muss nicht qua Abschaffung mit der bürgerlichen taz-Gesellschaft „vereint“ werden. Was hat die Assoziation nicht, was sie vom Staat bräuchte? Und warum sollten Andere das nicht können, wenn sie wollten? Oder ist das zu klein für Theorie? Und: Marx + Hegel?

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