vonDetlef Guertler 18.09.2009

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von Christian Dombrowski:

Die meisten Verben auf –eln zeigen Bewegung an, Bewegung auf kleinem Raum. Wer „wandelt“, macht eher kurze Schritte als lange, wer „rodelt“, fährt bloß Hügelchen herunter, wer „würfelt“, „schaufelt“, sich „prügelt“, „kegelt“, „wedelt“, „hechelt“ oder sich Luft zu“fächelt“, tut das stets mit Bewegungen, die nicht ausladend sind und die sich meist wiederholen. – Die Endung –eln geht generell dahin, den Verben das Großräumig-Ernsthafte zu nehmen, ähnlich wie die Endung –erl das im bayrisch-österreichischen Sprachraum bei Substantiven tut: Man denke an „Hunderl“, „Schmankerl“, „Tascherl“ oder „Tschapperl“ (Hitlers Kosewort für Eva Braun). Wer „blödelt“, „schwindelt“, sich hin“flegelt“, „jodelt“ oder sich „räkelt“, ist nicht ganz für voll zu nehmen – und so weiter. Deswegen tragen auch viele Verben der erotischen Annäherung, bei der das spielerische Element mit einer – nun ja: Bewegung auf kleinem Raum zusammenfällt, eben diese Markierung: lächeln, busseln, schnäbeln, tändeln, streicheln, füßeln, kuscheln, vögeln … Et cetera!

Aus dieser Quelle lassen sich viele Neuworte schöpfen. „Sucheln“ wäre also gewissermaßen ein Suchen im Diminutiv – ein Suchen, das nur obenhin geschieht, nicht mit Ernsthaftigkeit. Wer „zörnelt“, ist nicht richtig böse. Oder: Eine Szene in Tucholskys „Schloß Gripsholm“ spielt im Zug, da heißt es: „Wir fuhren. Die Prinzessin schlief. Ich denkelte so vor mich hin.“ Man merkt sogleich: Dies „Denkeln“ ist nicht eben ein Ringen um Erkenntnis, eher ein die Seele Baumeln lassen…

Übrigens: „Googeln“ steht außerhalb dieses Sprachzusammenhangs. Es lässt sich auf ein englisches Kunstwort zurückführen (ein „Googol“ war in der Vorstellung des kindlichen Mathematikers Milton Sirotta eine riesengroße Zahl), womöglich sogar auf einen Rechtschreibefehler, die Quellen sagen da Unterschiedliches. Wir können uns – verkindelt, wie wir nun einmal sind –bestimmt noch viele neue Verben auf –eln ausdenken. Die werden aber vermutlich meist in die Sphäre des Kleinräumig-Unernsten fallen, so wie die Verben, die es schon gibt.

verkindelt = auf eine albern-fröhliche Weise kindisch

sucheln = ein Suchen, das nur obenhin geschieht und nicht mit Ernsthaftigkeit betrieben wird

zörneln = zürnen, aber nur ein bisschen

denkeln = die Gedanken spielen lassen, ohne Anstrengung und Anspruch

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