Sie kennen Wien und die Wiener, natürlich! Auch die Wienerinnen, selbstverständlich. Ihnen kann man absolut nichts vormachen!
Ich aber behaupte: Sie kennen SIE nicht! Mit Knopflöchern im Gesicht kann man nichts sehen.
Was haben Sie zum Beispiel nicht schon alles über die schöne Wienerin behauptet, welche Wohldüfte haben Sie nicht schon über SIE in die Welt gesetzt, welche Vorurteile breit gewalzt?
Gewaltige Gerüchte sind da im Umlauf – über die dunkelhäutige Henriette Rothmann, über Fanny Elssler, über Eva Maria Violette, Karoline Pichler, Sophie Löwenthal, Alma Mahler-Werfel, Romy Schneider, Erika Pluhar, Senta Berger, Cordula Reyer und Julia Stemberger. Schmeicheleien, sage ich, die an den Legenden dieser Schauspielerinnen und Tänzerinnen, dieser Hetären und Kurtisanen, der Salonköniginnen und Models kleben wie picksüsser Honig.
Die Realität sagt was anders! – Die schöne Wienerin von heute ist weder stupsnasig noch aus Elfenbein, wie der französische Maler Fragonard sie mit zitterendem Pinsel als Schokoladenmädchen auf der Leinwand verewigt hat. Die schöne Wienerin trägt kein herzfömiges Porzellangesichtchen mehr.
Die schöne Wienerin ist auch längst keine mittelgrosse, mollige, braunaugige Brünette mehr, von der noch die Literaten des 20. Jahrhunderts schwärmten. – Nein, die aktuelle Wienerin zeichnet sich durch einen rassig-dunklen Teint aus. Sie trägt Säbel als Wimpern und ihr Rapunzelhaar stolz und offen zur Schau wie nur je eine Balkanprinzessin.
Dass sich das Blondgelocke der Jeannnie Schiller und all der anderen Weibchen im TV und in den Klatschspalten gegen diese Realität der Zuwanderung so hartnäckig behauptet – das nenne ich: »militanten Klassenkampf von oben« und »das letzte Rückzugsgefecht der grossdeutschen Ästhetik vergangener Zeiten«.
Denn über eines braucht man sich keine Illusionen zu machen: Mode und natürliche Schönheit sind das Privileg der aufsteigenden Frauen aus der Unterschicht. Die Weibchen der Upperdogs, die sich als Business-Women verkleiden, halten nur noch mit Puder und Silikon dagegen.
© Wolfgang Koch 2007
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